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Remind me - Annette Lee
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°Gegenwart°
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Madelyn Watson

Ich warf noch einen letzten Blick auf meine Wohnung und schloss dann ab. Es war Freitagabend und die erste Woche mit Kayden habe ich endlich hinter mir. Eigentlich verlief jede Therapistunde schweigend und verkrampft. Meine Maske hat so gut wie nie Risse abbekommen, worauf ich sehr stolz war.

Doch jetzt musste ich alles rauslassen. Meine Gitarre legte ich in den Kofferraum meines Autos und fuhr dann los. Ich wollte irgendwo hin. Raus aus der Stadt, weg von Kayden, von meinem Arbeitsort, von meinem College.

Es war nur eine kleine Tasche, die ich mitnahm, aber wenn ich nach Hause fuhr brauchte ich auch nicht viel. In einer kurzen Nachricht an Riley erklärte ich ihr, dass ich über das Wochenende kurz nach Hause fahre.

Ich brauchte jetzt nur noch einen guten Grund, warum ich so spontan aufkreuze, denn nicht einmal vor einer Woche war ich ja noch krankgeschrieben. Was soll ich ihnen sagen? Ich bin nicht so der Mensch, der schnell Heimweh bekommt, denn eigentlich litt ich schon immer an Fernweh. Es wäre also sehr unrealistisch, wenn ich sagen würde, dass ich Heimweh habe.

Oder soll ich ihnen die Wahrheit offenbaren? Dass ich Kayden wieder getroffen habe und ich nicht länger so weitermachen kann. Dass es mich kaputt macht, nicht ich selbst zu sein. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie meine Eltern reagieren würden. Sie wissen ja alles. Sie wissen, was er mir angetan hat. Und trotzdem wären sie nicht die Menschen, die einem Menschen Böses wünschen würden.
Ich glaube, sie wären genauso ratlos wie ich gerade.

Oder soll ich einfach nichts erzählen? So tun, als ob nichts wäre? Vor ihnen eine andere Maske aufziehen? Soll ich ihnen vorspielen, dass alles perfekt ist? Nein, ich will ehrlich sein.

Würden sie überhaupt fragen, warum ich komme?
Liam würde mich bestimmt schnell durchschauen.
Er kennt mich zu gut.
Was erwartet man auch, wenn wir schon immer unzertrennlich waren? Damals, als ich meiner Familie gesagt hatte, dass ich gerne studieren würde und dafür wegziehen müsste, war er ganz schweigsam und später habe ich durch das Schlüsselloch seines Zimmers ihn weinen gesehen.

Er meinte aber, er will mich von diesem Traumberuf nicht abhalten.
Liam selbst hat bei uns in der Nähe an einer kleinen Universität Landwirtschaft studiert und arbeitet bei unserer Familie mit, bis er dann die Ranch übernehmen wird, aber das habe ich ja schon einmal erwähnt.

Wenn ich gerade so über unsere tiefe Verbindung nachdenke realisiere ich doch, dass ich ihm schon vertrauen könnte. Er würde dichthalten und wenn es hart auf hart kommt sich hinter mich stellen. Liam ist der, mit dem ich am ehrlichsten reden kann. Er kennt mich so gut, dass er mir auch seine ehrliche Meinung sagen kann, was auch manchmal schmerzhaft ist, aber genau wegen seiner Ehrlichkeit mag ich ihn so sehr.

Liam ist einfach Liam und ich bin mehr als dankbar, ihn als großen Bruder zu haben. Ich werde mit ihm wohl offen und ehrlich sein müssen, denn früher oder später wird er mich durchschauen.

Der Tag war schon die ganze Zeit bewölkt und ohne Sonnenschein gewesen, was meine Stimmung nicht ordentlich besserte. Es dämmerte schon langsam, als ich auf den Highway fuhr. Meine Tränen konnte ich gut zurückhalten, nicht, dass ich plötzlich einen Unfall baue.

Es fühlte sich einfach so an, als ob Kayden mir einfach noch genauso viel wie damals bedeutet. Ansonsten würde mich das nicht so sehr aufwühlen. Ja, verdammt nochmal, ich liebe ihn immer noch. Aber dieses Gefühl werde ich nicht mehr gewinnen lassen. Das kann ich nicht. Ich will mich nicht schon wieder von meinen Gefühlen leiten lassen, schon gar nicht bei Kayden. Die Gefühle für ihn haben mich einfach blind gemacht. Blind, weil er mich grundlos manipuliert hat.

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