Ein knurrender Magen

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Zum ersten Mal war ich richtig erleichtert, das Ally mit einem Messer vor uns stand. "In letzter Sekunde!", rief sie und beugte sich über den toten Körper. Ganz langsam fuhr sie mit ihrem Finger durch das Blut und reckte dann ihren roten Finger in die Höhe, bevor sie es ableckte. "Sie ist nicht menschlich. Naja, jedenfalls war sie das.", erklärte sie. Ich versuchte ein angewidertes Gesicht zu unterdrücken. "Woher weißt du das?", fragte Melanie zögernd. Das interessierte mich aber auch ein bisschen. "Ich kann menschliches Blut sehr gut von unmenschlichem unterscheiden. Wenn du viele Jahre in einem Haus eingesperrt bist, ohne Essen, dann kommst du gerne mal in Versuchung." Alles klar, eklig. "Aha. Und...wer war das?", fragte Ardy weiter. Sie zuckte mit den Schultern. "Anscheinend kam sie aus dem Wald. Dann sah sie das Haus, betrat es und wurde wie ich eine Gefangene ihrer selbst. Armes, gestörtes Ding." Ich konnte nur über ihre Wortwahl den Kopf schütteln. "Danke das du uns gerettet hast.", sagte ich dennoch stürmisch und umarmte sie. Sie erwiderte und steckte solange ihr Messer in die Tasche zurück. "Und? Wie geht es diesmal weiter?", fragte ich und schielte unauffällig zum Gemälde herüber. "Wir sollten da weiter machen, wo wir aufgehört haben.", stellte Ally fest, bevor sie wieder zum Bild ging. Schnell folgten wir ihr und hielten einen kleinen Sicherheitsabstand. Einfach nur so. "Du hast gesagt, es hat sich etwas verändert. Dann bist du wahnsinnig geworden und hast nur noch John beachtet, den gruseligen Jungen in Hintergrund. Derjenige, der sich auch verändert hat.", fasste ich alles nochmal zusammen. Ally nickte und strich mit ihrem Finger erneut über den Jungen. "Genau. Das Bild hat jetzt seine Situation geändert. Es zeigt die Zeit, nachdem er seinen ersten Mord begangen hat.", erklärte Ally. "Seinen ersten Mord?", wiederholte ich. Sie nickte. "Schon als kleiner Junge war er besessen vom Tod. Er wollte unbedingt spüren was das für ein Gefühl ist, wenn du ein Messer in den Körper einer unschuldigen Seele steckst. Doch die Person die er umgebracht hatte war nchr wirklich unschuldig. Es war sein Onkel, derjenige der seine Mutter ins Grab gebracht hatte." Ich hätte niemals gedacht, das so viel hinter diesem Haus steckte. Geschweige denn überhaupt hinter diesem Horror. Doch sie fuhr fort. "Ihr Onkel sagte es war ein Unfall, dabei hatte er den Tod der Mutter genau geplant, damit er am Ende den ganzen Besitz abgreifen konnte. John's Vater war nach dem Tod seiner Frau zu schwach, um das ganze Hab und Gut zu verwalten, also kümmerte sich keiner wirklich um den Jungen. So verübte er aus Rache seinen ersten Mord an seinem Onkel, doch es folgten noch viele weitere." Ich überlegte. "Und wieso ändert sich das Bild? Es ist nur ein gemaltes Bild, wie geht das überhaupt? Und warum ausgerechnet jetzt?" Sie schien zu überlegen. "Das kann ich dir leider nicht sagen. Auf jeden Fall hat sich das Bild nicht zum ersten Mal geändert." Langsam wurde mir richtig mulmig. Als ob jemand, wenn wir gerade nicht hinsahen, einfach ein anderes Bild an die Wand hängen würde. Aber vielleicht war das auch der Fall. Eher unwahrscheinlich. Plötzlich fiel Meli zu Boden und hielt sich schmerzend den Bauch. "Was hast du?", fragte ich besorgt und kniete mich neben sie. Doch sie verzog nur das Gesicht. "Vermutlich hat sie Hunger. Kein Wunder, ihr habt schon lange nichts mehr gegessen. Ich weiß aber, was ich euch geben kann.", sagte Ally und verschwand unter der Treppe. Was hatte sie denn vor? "Ob sie jetzt irgendwelche Gedärme von ihren Opfern holt und wir die Essen müssen?", fragte Ardy angewidert. Dabei schüttelte er sich. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Ich hoffe nicht. Ich habe nämlich auch riesigen Hunger. Keine Sorge Meli, der Schmerz ist gleich vorbei." Immer noch kauerte sie auf dem Boden und sog scharf die Lift ein. Nach einer Weile kam Ally wieder, doch in den Händen hielt sie nichts. "Wo ist es?", fragte Ardy verwirrt. Ally holte grinsend etwas aus ihren Taschen. Es war...Brot! Schnell gab sie jedem ein großes Stück und behielt selbst eines. "Wo hast du das Brot her?", fragte ich mit vollem Mund. Doch sie aß ganz langsam, als hätte sie keinen Hunger. "Ich habe da so meine Vorräte.", sagte sie nur, doch im Moment war es mir eh völlig egal. Endlich spürte ich wieder etwas in meinem Magen, es tat verdammt gut. Endlich fühlte ich wieder etwas Kraft in mir, was mich etwas voran trieb. Ich gab nicht auf. Den anderen schien es genauso zu gehen.

Asylum (YouTube ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt