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Mit schwitzigen Händen stand ich vor dem Hochhauskomplex im Reichenviertel von Woodlake. Ich war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Zitternd schwebte mein Finger über dem Klingelschild. Mein frisch aufgetragener roter Nagellack scheinte in der Sonne. Es wurde von Tag zu Tag wärmer und ich freute mich schon jetzt tierisch auf den Sommer. Ich atmete einmal tief ein und drückte auf das Klingelschild. Die Tür summte keine Sekunde später und ich drückte die schwere Tür auf. Meine roten Pumps klapperten auf dem Marmorboden. Ich betrat den Aufzug und drückte den Knopf zu James Wohnung. Mein Herz hämmerte so stark, dass ich glaubte es würde mir gleich aus dem Brustkorb springen. In meinem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit.

Mit einem lauten Pling öffnete sich der Aufzug. Ich stieg aus und James' Wohnungstür stand bereits sperrangelweit offen. „Ich bin in der Küche.", hörte ich ihn rufen. Ich schloss die Tür hinter mir und blickte mich nochmal genau um. Diese Wohnung war einfach ein Traum. „Hey.", James warme Stimme ließ all die chaotischen Gefühle mit einem mal verfliegen. Er hatte eine schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt an. Wieder mal umspielte das Outfit seinen muskulösen Körper. Ein kariertes Geschirrtuch hing über seiner Schulter. „Du kochst?", fragte ich ungläubig und lächelte. „Na klar. Ich bin der beste Koch in ganz Woodlake.", sagte er und zog mich in eine Umarmung. „Ich freu mich das du hier bist Bella.", flüsterte er in mein Ohr. „Bella?", lachte ich auf. Seit Jahren hatte mich niemand mehr mit diesem Spitzname angesprochen. „Ich mag es.", sagte er und löste seine Arme von mir. „Komm, dass Essen ist fertig.", er blickte in Richtung des Esstischs.

Der Esstisch war rund und aus Marmor. Auf dem Tisch war ein teures Porzellangedeck mit Besteck aus Silber. Die zwei großen Kerzen in der Mitte sorgten für Romantik. James hatte sich wirklich Mühe gegeben. Ich ließ mich auf einem der Stühle nieder. „Es gibt Spaghetti Carbonara. Mein Lieblingsessen.", sagte er und stellte den Topf mit den Nudeln in die Mitte. Ich hätte nie gedacht, dass James kochen konnte und er an Dingen wie sein Lieblingsessen zu kochen so eine Freude hatte. Das Essen sah richtig lecker aus und mein Magen freute sich endlich etwas zu Essen. „Danke fürs Kochen.", sagte ich und lächelte ihn an.

Mit vollem Magen und zwei Gläsern Weinrot intus, beschlossen James und ich auf die Dachterasse zu sitzen und die Aussicht von Woodlake zu genießen. Bis jetzt hatten wir nur über belangloses geredet, aber ich hatte das tiefe Bedürfnis mich ihm zu öffnen. Wir lehnten an der Brüstung seiner Dachterrasse und ich konnte nicht aufhören, diese Aussicht zu bewundern. „Wie geht es dir?", James dreht sich zu mir und schaute mich interessiert an. „Ganz gut. Du hast mir sehr geholfen.", sagte ich und lächelte schüchtern. James kam einen Schritt auf mich zu und platzierte seine freie Hand an meiner Hüfte. „Ich werde dich niemals im Stich lassen. Du bist mir sehr wichtig.", sagte er mir und drückte eine sanften Kuss auf meine Stirn.

Ich merkte wie meine Wangen sich dunkelrot färbten und ich war in diesem Moment seit langem wirklich glücklich. Ich wusste nicht womit ich James verdient hatte, aber ich wusste das ich es wagen sollte. „Ich möchte Dir gerne alles erzählen.", ich setzte mich auf die schwarze Hollywoodschaukel und stellte mein Weinglas auf dem kleinen Glastisch nieder. Er setzte sich neben mich und ich holte tief Luft. Ich kann das. „Vorab möchte ich sagen, dass ich es total verstehen kann wenn du danach nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest.", ich schaute ihm in die Augen. Ich fühlte mich so stark und konnte nichts als Verständnis und Neugier in seinem Blick erkennen.

„Keine Sorge Bella. Ich bin der letzte der dich verurteilen würde.", antwortete er und nahm meine Hand. Unsere Hände waren wie füreinander geschaffen. „Als ich achtzehn Jahre alt war lernte ich einen Mann kennen. Er war 25 Jahre alt. Ich hatte mich Hals über Kopf in ihn verliebt und es schien alles perfekt. Ich zog mit ihm in eine Wohnung und dachte, dass ich gemeinsam mit ihm alt werden würde. Doch dann fing er an eifersüchtig zu werden. Ich durfte mich nicht mehr mit Freunden treffen und schon gar nicht meinem damaligen besten Freund. Er isolierte mich komplett von meiner Außenwelt. Doch ich realisierte es nicht denn er schaffte es mich immer wieder zu manipulieren und mich einzulullen. Irgendwann fing er auch an handgreiflich zu werden und so langsam realisierte ich, dass diese Beziehung gefährlich ist. Ich versuchte mich zu distanzieren, aber das machte alles nur noch schlimmer. Er sperrte mich ein und nahm mir mein Handy weg. Er missbrauchte und vergewaltigte mich. Manchmal bekam ich tagelang nichts zu Essen. Eines Tages musste er geschäftlich weg und ich schaffte es mich zu befreien. Seit dem hatte ich nie wieder eine ernsthafte Beziehung. Die Zeit danach war sehr hart. Meine Familie behandelte mich als wäre ich aus Glas und ich war wieder in einem goldenen Käfig eingesperrt. Deswegen studierte ich im Ausland und steckte alles was ich hatte in meine Karriere um unabhängig sein zu können.", völlig fertig ließ ich mich nach hinten sinken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Tränen sich über meine Wangen bahnten. Ich schloss meine Augen, denn ich hatte Angst in James' Gesicht zu sehen. Ich hatte Angst in einen Blick voll Ekel und Abscheu zu schauen. Plötzlich spürte ich seinen warmen Atem in meinem Gesicht. „Schau mich an.", raunte er mir zu.

verbrenne dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt