Kapitel 31

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Wenn man in New York unterwegs ist, hat man ständig das Gefühl, der kleinste Mensch auf der Welt zu sein. Zumindest geht mir das gerade so. Ich bin schon eine Weil unterwegs ohne ein richtiges Ziel. Vielleicht hoffte ich, durch das Nachdenken darauf zu kommen, was Vincents Ziel war. Vielleicht hoffte ich auch nur darauf, dass er aus meinen Gedanken verschwand. Am Abend machte ich mich auf den Weg zu Ally, da wir heute Abend auf eine Dinnerparty gehen wollten, zu der sie eingeladen war und mich gebeten hatte, sie zu begleiten, da sie nicht alleine dort hin gehen wollte. Natürlich sagte ich für sie zu, da ich auch einmal etwas für sie tun wollte. In dem dunkelblauen Kleid von Ally fühlte ich mich ein wenig unwohl, obwohl ich nicht genau sagen konnte wieso. Meine Haare hatte Ally gelockt und auf die rechte Seite gesteckt. Ich musste daran denken, wie ich mich das erste Mal etwas schicker angezogen hatte nach dem Unfall. Es war der Abend gewesen, an dem ich Vincent das erste Mal gesehen hatte. Ich blinzelte einmal, um die Bilder wieder loszuwerden und blickte Ally an, die gerade aus dem Badezimmer kam. Ich kann nur immer wieder betonen, wie umwerfend sie aussieht. Da kam mir der Gedanke, warum Drake sie nicht zu dem Dinner begleitete. Vielleicht hatte er einfach keine Zeit. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies so war, da Ally sehr überzeugend sein konnte, wenn sie etwas wollte. Es war nicht wichtig genug, als das ich mir noch weiter Gedanken darüber machte. Wenn Ally Drake nicht mitnehmen wollte war das ihre Sache. Und wenn sie mich nur hatte überreden wollen, damit ich auf die Beine kam, dann war das eben so. Sie hatte ja schließlich vollkommen recht. » Können wir dann? «, fragte Ally in meine Gedanken hinein. » Ja «, sagte ich nur und setzte ein Lächeln auf.

Uns wurde die Türe zu einer schicken Villa geöffnet. Schon an der Auffahrt war mir aufgefallen, dass hier wohl eine reiche Person wohnte. Eigentlich sollte man denken, ich war so eine Umgebung nun gewohnt, doch falsch gedacht. Ich konnte mich niemals daran gewöhnen. Ich hätte mich auch nie daran gewöhnen können, dass Vincent so reich war, aber das musste ich jetzt auch nicht mehr. Ein Mann in schwarzem Anzug stand an der Türe und begrüßte uns höflich. Er kam mir vor wie einer dieser Türsteher vom CAIN Club. Er nahm uns unsere Jacken ab und deutete dann an Türe, die links von uns war. Wir machten uns auf den Weg dorthin und die Türen wurden von einem weiterem Mann geöffnet. Schon drangen Stimmen und leise Musik zu uns vor. Ich rückte noch einmal mein Kleid zurecht und versuchte nicht unsicher zu wirken. Leider war das schwerer als gedacht, wenn man unter so vielen wohlhabenden Leuten war. Ein Mann und eine Frau begrüßten Ally und diese stellte mich den beiden vor. Ihre Namen hatte ich schnell wieder vergessen. So ging das eine Weile weiter und ich fragte mich, voher Ally diese Leute kannte. » Mom, Dad «, sagte sie dann nach einer Weile zu einem Ehepaar. Ich traute meinen Ohren nicht. Aber als ich mir die beiden ansah, erkannte ich doch sehr viel von Ally wieder. Die Frau war trotz ihres Alters noch sehr hübsch und ihr Mann sah auch nicht unbedingt schlecht aus. Ich sah kurz zu Ally, die ein wenig kühl wirkte. Hatte sie mir nicht einmal erzählt, dass Allys Eltern Drake nicht mochten, weil er zu alt für sie war? War das dann nicht der Grund, weshalb Drake nicht hier war? Die Frage war bloß, warum Ally hier war, wenn sie scheinbar nicht gerade froh darüber war, dass ihre Eltern hier waren. Ally und ihre Mom wechselten noch ein paar kühle Worte, bis Ally mich weiterzog. Ich hielt sie an einem Tisch mit Sekt an, schnappte uns zwei Gläser und kam einfach nicht umhin, mehr darüber zu erfahren. » Das waren deine Eltern? «, fragte ich eigentlich unnötigerweise nach. » Ja. « » Warum warst du dann so begeistert? «, fragte ich mit ein wenig ironie nach. Ally verdrehte die Augen, bis sie bemerkte, dass ich gar nichts dafür konnte. Ich hätte es ihr aber auch nicht übel genommen, wenn sie mich dafür angemacht hätte. Schließlich hatte ich das auch schon mit ihr gemacht, auch wenn ich es bereute. » Ich bin nicht hier, um sie zu sehen, sondern wegen meiner Cousine Beth «, sagte sie nach einer Weile. » Wo ist sie, ich glaube ich habe sie noch nicht kennengelernt. « Ich wusste, dass Ally nicht weiter darüber reden wollte, deshalb versuchte ich auch das Thema zu wechseln. » Ich habe sie auch noch nicht gesehen «, meinte sie. Ich trank ein wenig von dem Sekt und sah dann an Allys Schulter vorbei zur Türe. Ich weiß nicht wieso ich vermutete, dass die Blondine, die gerade zur Türe hereinkam, Allys Cousine war, doch als sie dann zu uns an den Tisch kam und sie begrüßte, war alles klar. Die Blondine begrüßte mich freundlich und so, als würde sie mich schon länger kennen. Sie schien sehr nett zu sein. Eine Weile unterhielten wir uns, bis wir uns auf dem Weg zum Büffet machten, um uns Häppchen von dem Tisch zu holen.

Wir waren gerade einmal eine Stunde hier. Mir kam es so vor, wie vier. Nicht, dass mir langweilig wurde, doch es waren mir einfach zu viele Menschen hier. Als dann einige Menschen anfingen zu tanzen, hoffte ich, wir würde bald gehen. Tanzen würde ich hier sowieso nicht, also warum sollten wir dann noch länger bleiben? Ally jedoch meinte, dass sie noch nicht gehen konnte und so blieb ich. Ich starrte die Leute an und wartete. Leider verging die Zeit einfach viel zu langsam auch wenn ich mich mit Allys Cousine unterhielt. Irgendwann kam ein Mann in natürlich schickem Anzug auf mich zu und fragte mich, ob ich mit ihm tanzen wolle. Ich sagte zu, nur weil ich hoffte, dass wir danach gehen würden. Der Mann war weder aufdringlich noch sehr gesprächig, also tanzen wir einfach ohne zu reden vor uns hin. Während der Mann – Derek mich herumdrehte, erstarrte ich mitten in der Bewegung. Das konnte nicht sein! Leider musste ich nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass er da war, da ich es bereits fühlte, bevor ich ihn sah. Ich versuchte einfach, nicht darauf zu achten und mich nicht umzusehen. Ich starrte einfach auf meine Füße. » Darf ich? «, hörte ich Vincent Derek fragen. Das war nicht sein ernst. Er wollte Derek einfach ablösen, ohne mich zu fragen, ob ich überhaupt mit ihm tanzen wollte. Ich hatte noch nie mit ihm getanzt und ich hatte gehofft, es würde nie in einem solchen Moment passieren. Wollte er mich ärgen? Mich verletzen? Wenn ja, dann machte er seinen Job wirklich gut. Ich spürte Vincents Hand an meiner Hüfte, bevor ich auch nur einen Satz über meine  Lippen bringen konnte.

Ally

Ich wusste, dass Kate sauer auf mich sein würde, wenn sie erfährt, dass ich gewusst hatte, dass Vincent auch zu dieser Dinnerparty kommen würde. Aber ich wusste auch, dass ich das in Kauf nehmen musste. Leider musste man Kate einfach manchmal dazu zwingen. Ich konnte einfach nicht mehr länger mit ansehen, wie unglücklich sie war. Auch wenn sie sich normal gab würden ihre Wunden nicht von selbst heilen. Seit ich Kate kenne, möchte ich ihr Leben immer wieder in Ordnung bringen, egal wie schlimm es gerade war. Natürlich weiß ich auch, dass ich das manchmal einfach nicht konnte. Ich konnte in Kates Augen sehen, wie gequält sie gerade in diesem Moment war, weil sie einfach zu viel für Vincent empfand. Aber ich glaubte daran, dass Vincent sie noch immer liebte, auch wenn sie es nicht tat. Sonst hätte er mich nie um das eine oder andere gebeten. Verdammt, wenn dieser Mann Kate nicht liebte, dann konnte man mich gern für Blind erklären.  

Katherine

Ich hätte weinend zusammenbrechen können. Doch auch ich hatte noch meinen Stolz und riss mich zusammen. Ich dachte, es könnte nicht noch schlimmer kommen. » Warum quälst du mich so? « Es war das erste Mal, das ich etwas zu ihm sagte. Ich sah ihn dabei nicht einmal an. Als ich schon dachte, er würde nicht darauf antworten, kam doch etwas. » Ich hatte nicht vor, dich zu quälen und ich möchte es auch gar nicht. « » Warum bist du dann hier? «, fragte ich und sah ihm schließlich doch mitten in die Augen. Sie erschienen mir noch viel blauer, als sie so schon waren, doch wahrscheinlich bildete ich mir das einfach nur ein, weil ich sie etwas länger nicht mehr genauer betrachtet hatte. » Katherine hör zu… « Er kam nicht mehr weiter, da das nächste Lied etwas schneller war und wir uns so nicht mehr eng zusammentanzen mussten. Es wäre auch egal, was er zu sagen hatte, denn ich würde mir nur vergeblich Hoffnungen machen. 

The memories I lost in the fireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt