Nun stand ich mit Ally keine Stunde später in einem Geschäft. » Ally. Das ganze Zeugs hier ist ganz schön teuer. Vielleicht gehen wir in einen H & M oder so? « Sie sah mich schockiert an. » Es wundert mich eh schon, dass Mr Jane dir nur zweihundert Dollar gegeben hat. Aber wir können nicht einfach zu H & M gehen. Wie stellst du dir das vor? « » Also 1) Hat mir das Geld nicht Mr Jane gegeben sondern meine Schwester, das Geld kommt nur von ihm. 2) Ist H & M nun mal nicht so teuer. Hier kostet ein Fummel ja schon fast so viel, wie ich dabei habe und 3) Ich stell mir gar nichts vor. Ich weiß ja noch nicht einmal, was man zu sowas anzieht. «, meinte ich. » Ja, ich merke es schon. Wenn du mich fragst, deine Schwester hat die Hälfte der Kohle selbst behalten. « » Warum sollte sie? Sie bekommt von ihm doch bestimmt so oder so viel Geld. « » Mag deine Schwester dich? « » Nein! « » Das hatte ich mir schon fast gedacht. Und aus dem Grund denke ich, dass sie dir das ganze Geld nicht gegeben hat. Ein Mann wie Vincent Jane weiß, dass man mit zweihundert Dollar für so einen Abend nicht weit kommt. «, sagte sie. » Aber Ally. Es ist doch nur ein Abendessen. « » Ja, ein Abendessen, zu dem lauter steinreiche Typen kommen. « Mhm, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Eigentlich war es blöd, anzunehmen, Geschäftsleute von Vincent Jane wären nicht ebenfalls reich. Sicherlich waren diese Leute nicht so reich wie er, aber sie waren auf keinen Fall arm. Sonst wären sie auch keine Geschäftsfreunde. » Okay, dann versuch, etwas zu finden, dass nicht ganz so teuer ist, und trotzdem noch gut aussieht. «, sagte ich ihr. Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und schon drückte sie mir die verschiedensten Klamotten in die Hand, damit ich sie anprobieren konnte. Zwei Stunden und viele Geschäfte später hatte ich nun Klamotten für heute Abend gefunden und sogar noch ein bisschen Geld übrig. Dies konnte ich Mr Jane wieder zurück geben. Ich stand im Badezimmer, um zu duschen. Es war schon halb sechs und um halb sieben sollten die Gäste eintreffen, wie mir Mrs Morgan gesagt hatte. Mr Jane würde dann wahrscheinlich zum ersten Mal seit Wochen, wie ich dachte, einmal früher zu Hause sein. Nachdem ich geduscht hatte, suchte ich zum ersten Mal doch einen Föhn, um meine Haare trocknen zu können. Von meinem ersten Geld, das ich verdiente, sollte ich mir vielleicht eine Mascara und einen Kajalstift kaufen gehen. Diese würden mich ein bisschen älter aussehen lassen. In einer Schublade fand ich tatsächlich einen Föhn. Im Nu waren meine Haare trocken. Ich zog mir die schwarze, durchsichtige Strumpfhose an, den eng anliegenden Stoffrock und die blaue Bluse darüber, die ich heute gekauft hatte, zog mir die Ballerina an, die ich nur gekauft hatte, da alle anderen Schuhe weitaus mehr gekostet hätten und blickte mich im Spiegel an. Der Rock und die Bluse waren am teuersten gewesen. Froh war ich gewesen, dass Ally mich die Strumpfhose doch bei H & M kaufen ließ, denn dort waren sie nicht so teuer. Ich konnte sie damit überzeugen, dass Strumpfhosen schnell Laufmaschen bekamen und es daher sinnlos war, eine teure zu kaufen. Über die Ballerina hatte sie auch nur den Kopf geschüttelt. Doch ich hatte darauf bestanden. Ich hatte gesagt, dass es doch eh nur zu Hause war. Natürlich hatte ich Ally nun erzählen, dass ich sogar in derselben Wohnung wie Vincent Jane wohnte und habe ihr sogar auch erzählt, dass ich ihn noch nie gesehen hatte. Als sie mich fragte, wie es dazu gekommen war, wechselte ich mal wieder das Thema. Sie fragte dann auch nicht weiter nach. Irgendwann werde ich es ihr aber erzählen müssen. Das war klar. Sie würde sich nicht lange damit zufrieden geben. Es klopfte an der Tür. Ich öffnete und Mrs Morgan kam herein. » Wow, du siehst wirklich schön aus. «, sagte sie mir. Ich verzog nur mein Gesicht. Ich konnte mit Komplimenten einfach nicht umgehen. » Na dann komm. Ein paar Gäste sind schon da. Mr Jane zwar noch nicht, aber Mrs Blake. « Wunderbar. Dann konnte der Albtraum ja beginnen. Im dem großen Esszimmer stand ein Sandelholzfabener Tisch, mit den perfekt dazu passenden Stühlen. Er war gedeckt mit schickem Geschirr. Als ich sah, wie viele Gabeln dort lagen, schluckte ich. Woher sollte ich wissen, wann welche hergenommen wurde. » Ah, das ist meine Schwester Kate Leva. « Hörte ich meine Schwester zu einem Mann und seiner Frau sagen. » Wow, das ist aber ein hübsches Mädchen. «, hörte ich die Frau auf Bulgarisch zu ihrem Mann sagen. » Danke schön, sie sehen auch sehr gut aus. «, sagte ich ihr auf Bulgarisch zurück. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lane nach Luft schnappte und ich spürte in meinem Rücken, dass mich jemand anstarrte. Wer war das? Und warum hatte Lane nach Luft geschnappt, als ich der Frau auf Bulgarisch geantwortet hatte. Ich wollte mich umdrehen und sehen, wer mich anstarrte, doch dann fragte mich die Frau: » Ach, Sie sprechen Bulgarisch? « Ja, das tat ich allerdings. » Ja, ich bin dort geboren und aufgewachsen. «, erklärte ich ihr. » Aber Ihre Schwester hat doch gerade gesagt, Sie würden Leva heißen. « » Eigentlich heißte ich Katherine Ivanova Laleva. Aber nennen Sie mich doch einfach nur Kate. Sie dürfen mich auch gerne duzen. « » Ich und mein Mann sind auch erfreut, dich kennen zu lernen. «, sagte sie freundlich. Sie schien auch sehr nett zu sein, was mich wirklich wunderte. Ich dachte die beiden wären die 'reichen Schnösel' wie ich sie schon früher immer genannt hatte. » Warum sagt deine Schwester denn du würdest Leva heißen? «, fragte die Frau diesmal wieder auf Bulgarisch. Lane konnte kein Bulgarisch. Darüber war ich gerade sehr froh. Ich spürte wieder diesen Blick im Rücken. » Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Passt vielleicht besser hier in New York. « Ich genoss es gerade sehr, dass diese Frau und ihr Mann Bulgarisch sprachen. » Wie heißen Sie denn? «, fragte ich und die Frau fing an zu lachen. » Mein Liebes, ich heiße Ira Dimitrova Koleva. Und das ist mein Mann Nikolai Domitrov Kolev. « Da die Frauen meist ein „a“ am Nachnamen haben, wunderte mich nicht, dass ihr Mann nur Dimitrov Kolev hieß und sie noch ein „a“ jeweils daran hatte. Die meisten Gäste hatten von unserer Unterhaltung nichts verstanden, doch einer der Gäste schien die Namen erkannt zu haben und fragte sie nun wieder auf Englisch, warum die Nachnamen so waren. Ich sah meine Schwester an, die sehr wütend aussah. Was? Was hatte ich getan? Schon wieder spürte ich den Blick und diesmal drehte ich mich um. Ich war geschockt. Dort stand ein Prachtexemplar von einem Mann. Er war groß, hatte braunes etwas Längeres Haar und eisblaue Augen. Durch den, wie mir schien Maßgeschneiderten, teuren Anzug konnte man seine Muskeln ausmachen. Sein Anzug war anthrazit grau. Darunter trug er die dazu passende Weste, ein weißes Hemd und ein blaue Krawatte, die zu seinen Augen passte, sowie dazu passende Schuhe. Alles an diesem Mann sah perfekt aus. Sein Blick war auf mich gerichtet und ich konnte nicht ausmachen, ob er wütend war oder nicht. » Mr Jane. «, begrüßte ihn ein Mann, der auch eine Anzug trug. Scheiße. Er war… Mist. Während er den Mann zurück grüßte, wendete er seinen Blick keine Sekunde von mir ab. Ich konnte immer noch nicht ausmachen, ob er wütend war. Wahrscheinlich schon. Ich hatte mit seinen Gästen gesprochen, obwohl ich einfach nur anwesend sein sollte und einfach nichts sagen sollte. Dafür würde er mich raus werfen und ich würde wieder ins Heim kommen. Dort würde ich wieder abhauen und auf der Straße schlafen, wie das letzte Mal, bis mich das Heim wieder finden und ich wieder abhauen würde. Erst als Mrs Morgan herein kam und sagte, dass das essen fertig sei, wendete er seinen Blick von mir ab. Ich sah wieder zu meiner Schwester. Sie hatte sich scheinbar wieder gefangen und bat die Gäste Platz zu nehmen. Der Tisch füllte sich schnell und es blieb nur noch ein Platz übrig. Der neben Mr Jane und gegenüber von meiner Schwester. Natürlich saß Mr Jane am 'Königsplatz' wie ich ihn immer nannte. Lane und ich hatten uns als Kinder schon immer gestritten, wer dort sitzen durfte. Irgendwann war mein Daddy einmal so sauer auf sie gewesen, dass er Lane verboten hatte, je wieder dort zu sitzen. Von da an haben wir uns nie wieder um den Platz gestritten, doch immer beim Essen war Lane unausstehlich. Ich setzte mich auf den Stuhl und war mir dessen bewusst, dass ich nun den ganzen Abend die Blicke meiner Schwester aushalten musst. Eigentlich war das doch doof. Sie konnte mich doch danach anschreien. Blicke können nun mal nicht töten. Aber mir verursachte das ein schlechtes Gewissen und sie wusste das genau. Mrs Morgan servierte zum Abendessen als erstes eine Suppe. Bevor sie ging fragte ich sie ganz leise: » Mrs Morgan, ich habe ein Problem. « und zeigte auf das Besteck. Sie lächelte mich nur an und sagte ebenso leise: » Mach es einfach so, wie die anderen es machen. « Okay, bei der Suppe wusste ich wenigstens noch, das ich einen Löffel benutzen sollte. Die Suppe schmeckte köstlich, doch eigentlich hatte ich keinen Appetit, da meine Schwester mich immer noch so ansah. Mr Jane anzusehen traute ich mich nicht. Schlimm genug, dass meine Schwester mich so ansah. Am Tisch begann ein Gespräch. Des Öfteren wurde gesagt, wie genial es sei, dass Vincent Jane der CEO von Jane Enterprises Holdings inc mit seinen jungen Jahren es geschafft hatte, ein so großes Unternehmen zu führen. Es wurde auch darüber gesprochen, welche neuen Projekte er demnächst in Angriff nehmen würde. Seltsamerweise war Mr Jane ziemlich still, lachte nur hier und da mal und beantwortete nur selten ein paar Fragen. Als Mrs Morgan den Salat servierte nahm ich mir nichts davon. Ich hörte einfach weiterhin den Gesprächen zu. Als ich hörte, wie Mrs Dimitrova Koleva zu ihrem Mann auf Bulgarisch sprach, hörte ich nur noch ihr zu. » Sie ist ein wirklich hübsches Mädchen Nikolai, aber sie sieht traurig aus. Wie jemand, der schon so viel Leid erlebt hat. « Noch bevor ich bemerkte, was ich tat hörte ich mich auf Bulgarisch zurück sagen: » BITTE NICHT! « Sie sah mich an. Auch meine Schwester und die anderen Gäste sahen mich an. Aber der Blick, den ich auf mir spürte war am Schlimmsten. Ich drehte meinen Kopf leicht in die andere Richtung zu Mr Jane und aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass er mich wirklich ansah. Wieder wusste ich nicht, ob er wütend war. » Entschuldigt mich. «, sagte ich diesmal wieder auf Englisch und floh aus dem Raum in mein Zimmer zurück. Dort ließ ich mich auf mein Bett fallen und fing an zu weinen. Was hatte ich nur getan? Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, dass ich wieder ins Heim musste. Aber als Mrs Dimitrova Koleva gesagt hatte, das ich schon viel Leid ertragen haben musste… ich schluchzte und hatte gar nicht bemerkt, dass jemand in der Tür stand. Es war Mrs Morgan. Sie kam zu mir ans Bett und setzte sich. » Ich weiß nicht, was passiert ist, aber du musst nicht weinen. «, sagte sie. »Ich… ich… ich hab… alles kap…p…putt gemacht. «, schluchzte ich weiter. » Nein Liebes. « Sie strich mir mit der Hand über den Rücken, doch es beruhigte mich nicht. » Jetzt schlaf erst einmal. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus. « Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer. Noch immer weinend, zog ich mir meine Bluse, den Rock und die Strumpfhose aus, stülpte mir mein Schlaf T-Shirt drüber, ging ins Badezimmer, um meine Zähne zu putzen. Danach legte ich mich wieder ins Bett und zog mir die Bettdecke bis zum Kinn. Es war acht Uhr und ich schlief lange nicht ein.
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The memories I lost in the fire
RomanceKate ist gerade einmal 17 Jahre alt und wurde schon vom Leben gezeichnet. Alles, was einst ihr Leben war, hat sie verloren. Alles, woran sie geglaubt hat, ändert sich auf einen Schlag. Ihre noch nicht weit zurück liegende Vergangenheit wird ihr imme...