Kapitel 10: Altersunterschied

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 Da heute Freitag war, nahm ich mir vor, in den Central Park zu gehen. Ich zog mir also meine alte Jeans, einen Pullover und meine Kapuzenjacke, sowie meine Nike Schuhe an. Ich überlegte, ob ich Bescheid sagen sollte, doch da Vincent sowieso erst spät nach Hause kommen würde, ließ ich es bleiben. Es war kalt draußen. Nicht kalt genug, dass es schon schneien könnte, aber kalt. Die Straßen von New York waren noch sehr belebt und genoss die Geräuschkulisse. Meine Gedanken kreisten aber, wie schon seit Tagen um Vincent. Ich weiß noch, wie schön es war, als er seine Hand auf meine Taille gelegt hatte und im anderen Moment war er eiskalt. Redete nicht mit mir. Im Park setzte ich mich wieder auf die Bank. Auch heute sah ich einfach auf die Leute. Wie Pärchen Hand in Hand an mir vorbeigingen, wie Hunde ohne Leine an mir vorbeirannten, wie Jogger an mir vorbeijoggten. Genau wie letztes Mal, fand ich es einfach schön. Es war schon etwas dunkler am Himmel und kalt war es doch mit meiner dünnen Jacke. Aber ich fror generell schnell. Ich zog die Jacke enger um meinen Körper, stand auf und ging durch den Park. Ich fühlte mich müde. Ich war müde, doch ich ignorierte es so gut es ging. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden auch meine Beine müde und so setzte ich mich wieder auf eine Bank. 

Nach einer weiteren Ewigkeit, beschloss ich Ally zu besuchen. Da ich mein I phone dieses Mal mitgenommen hatte, hatte ich sie angerufen und sie freute sich riesig. Bei ihr angekommen hatte Ally gerade etwas gekocht. » Wow, Ally, das riecht wirklich lecker, aber ich habe nicht wirklich Hunger «, meinte ich, nachdem sie mich gefragt hatte, ob ich mitessen wolle. Während dem Essen erzählte sie mir, Drake hätte vorgeschlagen eine Beziehungspause zu machen. Ich merkte ihr an, dass es ihr schlecht damit ging, doch sie zeigte sich fröhlich. Ich schlug vor, einen Filmeabend zu machen. Wir würden uns in Decken kuscheln, mit Tee und Süßem. Ally schien der Vorschlag zu gefallen. Sie wollte jedoch keinen Liebesfilm ansehen, was ich wirklich verstand. So schlug sie einen Actionfilm vor. Wir machten es uns auf ihrer Couch bequem und kuschelten uns eng zusammen. Es bedeutete mir viel. Sie war einfach eine richtig gute Freundin. Ich schämte mich, dass ich gedacht hatte, ich wolle lieber wieder mein altes Leben zurück. Ja, ich wünschte, alles wäre anders gelaufen und ich würde nicht immer die Schuld mit mir herumtragen müssen, doch Ally war eine wirklich wahre Freundin. Nicht so wie Chloe oder meine anderen Freunde in Winnipeg. Bei ihr konnte ich einmal alles vergessen, was ich getan hatte. Klar wünschte ich auch, das alles wäre nie passiert, doch Ally kennengelernt zu haben, war eines der besten Dinge in meinem Leben, die mir je passiert sind. Bei ihr fühlte ich die Leere nicht mehr so stark. So aß Ally viel Schokolade, wovon mir schon vom zuschauen schlecht wurde. Irgendwann klingelte mein Handy, doch ich schaltete es kurzerhand aus. Klar, wenn das Vincent war, würde er mich nun hinauswerfen, doch in diesem Moment war mir das egal. » Wer war es denn? «, fragte Ally mich. » Niemand «, antwortete ich darauf, doch sie konnte mir ansehen, dass dieser Niemand kein Niemand war. » Willst du es mir nicht erzählen? Ich heul dich mit meinen Problemen zu, dabei hast du ja auch welche? Was ist seit dem Kuss alles passiert Kate? Heute und die letzten Tage hast du nicht viel erzählt. Du hast quasi alles tot geschwiegen. Erzähl es mir «, bat sie. Scheinbar schien ihr der Film egal zu sein. Mir war er es auch. Also fing ich an zu erzählen. Ich erzählte ihr vom Clubbesuch, wie ich mich gefühlt hatte, als er mich berührte, wie ich mich gefühlt hatte, als ich ihn mit der hübschen Blondine gesehen hatte. Ich erzählte ihr auch, wie er sich benommen hatte, nachdem er mich von Thomas weggezerrt hatte. Ich erzählte ihr alles, außer, dass ich seit Tagen nicht mehr richtig schlief. Das musste sie nicht wissen. Wir redeten noch eine ganze Weile, doch als es ungefähr halb eins war, verabschiedete ich mich von ihr. » Und Ally, du heulst mich nicht mit deinen Problemen zu. Ich werde dir immer zuhören, wenn du jemanden zum Reden brauchst. Ich werde für dich da sein, wenn du mich brauchst. Du musst es mir nur sagen. « Sie schlang ihre Arme um mich und umarmte mich fest. » Bis dann «, verabschiedeten wir uns. Auf dem Weg zurück zum Jane´s, holte ich mein Handy hervor und schaltete es ein. Dreiundzwanzig entgangene Anrufe und sieben Nachrichten. Okay, er war auf jeden Fall wütend. Ich steckte das I phone wieder weg. Vor dem Jane´s sah ich eine Gestalt auf mich zukommen. Diese Gestalt war niemand anderes als Vincent. » Wo zum Teufel warst du? «, fragte er in einem gefährlichen Ton. » Ich… « weiter kam ich nicht, denn er zog mich mit nach drinnen und gleich auf den Fahrstuhl zu. Sein Griff war fest. Trotz dessen, das er sauer war und ich ein wenig Angst vor ihm hatte, spürte ich, wie mein Körper in Flammen stand von seiner Berührung. Oben angekommen zog er mich durch die Türen, die Treppen nach oben und in mein Zimmer. Dort zog er die Türe zu und drückte mich gegen die Wand. » Was zur Hölle ist in dich gefahren? Habe ich mich letztes Mal nicht klar und deutlich ausgedrückt? «» Doch, aber… «» Es gibt kein Aber. Verdammt. « Er schlug neben mir mit seiner Faust an die Wand. Es ließ mich zusammenzucken. » Katherine, ich mache mir verdammt nochmal Sorgen. Ich habe dich gebeten, Bescheid zu geben und nur mit John so spät draußen zu gehen und was machst du? Gar nichts. «» Vincent, Sie… « Plötzlich wandte er sich von mir ab und stellte sich ans Fenster.Ich starrte ihn fassungslos an. Es erinnerte mich an Montagabend, oder besser gesagt Dienstagmorgen. Wie er am Fenster gesessen hatte und mich nicht mehr wahrgenommen hatte. Ich fühlte wieder diese Leere, die ich vorhin bei Ally fast nicht mehr gespürt hatte. » Warum sind Sie so eiskalt? «, ich hatte es geflüstert, doch er schien es verstanden zu haben, denn mit einem Ruck drehte er sich zu mir. Schmerz stand in seinen Augen geschrieben. Wieder zuckte ich zusammen. » Es tut mir leid Vincent. Das wollte ich nicht. Aber ich verstehe es einfach nicht. Warum reden Sie nicht mit mir? Ich weiß nicht, was ich getan habe. Wenn Sie wollen, dass ich gehe, dann mache ich das. Aber bitte, reden Sie mit mir. « Meine Kehle schnürte sich zu. Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Er kam wieder auf mich zu. » Verdammt. Ich kann nicht. Wie kann ich sagen, dass  es mir nicht gefällt, wie dieser Kerl dich berührt hat? Wie soll ich zugeben, dass ich diesem Kerl am liebsten meine Faust ins Gesicht geschlagen hätte, als ich gesehen habe, wie er seine Hände auf deinen Hüften hatte? Wie soll ich zugeben, dass ich dich so sehr will, wenn ich dich nicht haben kann? Du bist siebzehn Jahre alt verdammt. Was erwartest du von mir? « Ich stand wie erstarrt vor ihm. Was sagte er da? Wieder schlug er mit der Faust gegen die Wand und machte Anstalten zu gehen. » Vincent. « Er drehte sich nicht um. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu und legte meine Hand auf seine angespannten Schulterblätter. Mit einem Ruck drehte er sich zu mir um und schon lagen seine Lippen auf meinen. Sein Kuss war fordernd. Drängend. Er strich mit seiner Zunge über meine Lippen und forderte Einlass. Ich gewährte es ihm. Das Gefühl, das ich hatte, war einfach unbeschreiblich. Er strich mit seiner Hand über mein Gesicht. Fuhr weiter nach unten bis auf  meine Hüften. Bei seiner Berührung erzitterte ich. Ich wollte meine Arme um ihn schlingen, wusste jedoch nicht, ob er das wollte. Wie als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er meine Arme und legte sie sich um seinen Nacken. Ich ergriff die Chance und strich ihm durch seine perfekten Haare. Seine Zunge umspielte meine Zunge. Es war einfach verführerisch. Ich wollte mehr. Ihm schien es auch so zu gehen, doch auf einmal drückte er sich von mir weg. » Entschuldigung Katherine, ich… « Er schien nicht die richtigen Worte zu finden. » Ich… « Von unserem Kuss atmete er schwer. Auch ich musste meine Atmung wieder unter Kontrolle bringen. » Katherine, ich… fuck… du bist siebzehn verdammt. Ich bin siebenundzwanzig. Wir können nicht… «» Ich bin fast achtzehn «, unterbrach ich ihn.» Es ändert aber nichts daran, dass ich fast zehn Jahre älter bin als du. « Okay, das tat weh. Ich meine klar war ich nicht so wie die anderen Frauen, die er alle schon flach gelegt hat, aber musste er dies so offensichtlich sagen? » Mr Jane «, sagte ich förmlich, » es tut mir leid. Ich habe vergessen, dass Ihre Welt eine ganz andere ist als meine. « Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und schloss mich im Badezimmer ein. Mein Körper brannte noch von seiner Berührung und ich ohrfeigte mich innerlich selbst. Wie konnte ich nur so blöd sein? Warum hatte ich mich nur so gehen lassen? Ich schlief auf dem Badfußboden ein. Ich war einfach zu müde. Der Schlafmangel setzte mir so zu, dass ich traumlos durchschlief. 

Als ich erwachte, hatte ich keine Ahnung mehr, warum ich hier gelegen hatte und schlief. Ich stand auf, ging in mein Zimmer und sah auf die Uhr. Es war halb neun. Wow, das war lange. Aber ich hatte es gebraucht. Ich hatte es wirklich gebraucht, nur hatte ich nicht erwartet, nichts geträumt zu haben. Vielleicht würden sie ab jetzt aufhören. Da heute Freitag war, dachte ich daran, dass ich heute Geburtstag hatte. Ich musste im Club vorbei, um den Vertrag zu unterschreiben und was ich dann machen würde, wusste ich noch nicht. Ich ging wieder ins Badezimmer, um zu duschen. Dann zog ich mich an und ging nach unten. Dort traf ich auf Mrs Morgan. » Guten Morgen Kate, alles liebe zu deinem Geburtstag «, meinte sie und ich wunderte mich, woher sie dies wusste. Sie sah wohl an meinem Gesichtsausdruck, was ich dachte und sie sagte schnell: » Oh, ich weiß das von Mr Jane. Er hat es mir gesagt. «» Aber woher weiß… « mitten im Satz brach ich ab, denn ich wusste, woher er dies wusste. Er hatte ja schließlich eine Akte über mich. » Okay… vielen Danke Mrs Morgan. Ich muss jetzt aber wirklich los «, bedankte ich mich und wollte mich auf den Weg machen, doch Mrs Morgan ließ mich nicht einfach so gehen. » Kate, ich habe etwas zu Essen für dich gemacht, hast du denn keinen Hunger? « fragte sie mich. Die letzten Tage war ich vor dem Abendessen davon gekommen, weil ich meinte, ich habe schon immer davor gegessen, aber jetzt… » Oh, doch ich habe Hunger. « Natürlich hatte ich immer etwas gegessen, doch eine Semmel reichte mir völlig. Und jetzt sah ich, was Mrs Morgan alles gemacht hatte. Rührei mit Speck, Pfannenkuchen mit Erdbeersirup, ihren leckeren Obstsalat und auch eine Semmel und eine Breze standen auf dem Tresen. Oh Gott. Das war viel. Ein Kuchen stand auch dort. Eine Kerze brannte darauf. » Oh, Mrs Morgan, das sieht alles sehr, sehr lecker aus. Aber ich bin doch nur eine Person. Wie soll ich das denn alles essen? «» Och, so ein junges, dürres Ding wie du braucht ein bisschen was auf die Rippen «, sagte sie lächelnd. » Mrs Morgan, ich habe wirklich genug auf den Rippen «, meinte ich und augenblicklich erlosch ihr Lächeln. » Kate, du bist in letzter Zeit entsetzlich dünn geworden. Deine Ausreden, du hättest etwas gegessen, nehme ich nicht mehr hin. Setz dich und iss etwas. « Sie hatte mich also durchschaut? Sie wusste, dass ich mich immer nur heraus geredet hatte. Also tat ich das, was sie gesagt hatte. Ich setzte mich, nahm mir einen Pfannenkuchen und aß diesen. Er schmeckte himmlisch, jedoch war ich ziemlich schnell satt. » Mrs Morgan, das war wirklich lecker. Ich danke ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. «» Kate, du hast fast noch nichts gegessen. Gerade mal so einen Pfannkuchen «, meinte sie.» Ich weiß Mrs Morgan, aber ich kann einfach nichts mehr essen. Ich… « Weiter kam ich nicht, denn ich hörte, wie die Küchentüre aufging. Und ich spürte schon, ohne ihn zu sehen, wer es war. «

The memories I lost in the fireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt