Kapitel 27

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Ich bekam kein Auge zu. Ich liege in diesem Bett und wälze mich hin und her - warte darauf, endlich einzuschlafen, aber ich hätte genauso gut aus dem Fenster springen können. Mir war eiskalt und ich konnte noch nicht einmal sagen, wieso. Vielleicht, weil Vincent immer so warm gewesen war. Vincent ist mein Leben, schoss es mir durch den Kopf.

Ich fühlte mich leer und ausgelaugt, als ich dann am Morgen aufstand und in unser Schlafzimmer ging. Vincent war nicht mehr hier, er war also schon gegangen. Da ich noch höchstens einen Monat auf das College gehen werde, könnte ich eigentlich zuhause bleiben, doch genau das werde ich nicht tun. Ich zog mich also an, frühstückte und machte mich dann auf den Weg nach unten, wo natürlich Loui, John und Theo auf mich warteten. Es war also wieder so weit, dass sie mich sogar den ganzen Tag in der Schule verfolgen würden, obwohl sie lieber einen besseren Job machen sollten und Vincent verfolgen sollten. Aber die drei Männer, mit denen ich mich gestern unterhalten hatte, würden ihren Job auch gut machen und zudem waren sie einer mehr. Ich fragte mich, ob Vincent sie schon bemerkt hatte. Noch bevor ich losgefahren war, hatte nämlich einer der drei – ich glaube Mr Wellsley angerufen und mir ausführlich darüber berichtet, wie der erste Tag gelaufen war. Leider ist ihnen noch nicht besonders viel aufgefallen, doch es war ja schließlich erst ein Tag vergangen. Ich war wohl einfach ungeduldig, aber ich musste unbedingt wissen, von wem das ganze kam. Zudem hatte ich immer noch das kleine Päckchen in meiner Tasche, konnte mich aber gestern – nach dem Streit mit Vincent – nicht mehr dazu durchringen, es zu öffnen. Stattdessen trug ich es nun wieder den ganzen Tag mit mir herum. Auf den Unterricht konzentrieren konnte ich mich nicht, aber es war auch nicht so schlimm, schließlich würde ich demnächst sowieso nicht mehr herkommen. Nicht, dass ich anders handeln würde, wenn ich noch einmal die Wahl hätte – Nein, das würde ich nicht – jedoch fiel es mir schon schwer zu glauben, dass ein Unbekannter es schaffte, das Leben anderer Menschen so zum schlechten zu wenden. Ich konnte mir gut vorstellen, wie Vincent reagieren würde, wenn er erfährt, was ich getan hatte. Dass ich das Geld benutzte, dass er mir für das College bereit gestellt hatte. In der Pause hatte ich beim Starbucks angerufen und ich würde meinen alten Job zurück bekommen. Das Geld würde ich dann auf das Konto zurück überweisen – Stück für Stück. Dagegen konnte er schlecht etwas sagen, außer, dass ich meine Zukunft ruiniert hätte. Aber das alles war es mir wert. Vielleicht sah er das anders, aber ich sah auch einiges anders als er und er tat es trotzdem. Und wenn ich alles, was er und ich hatten, aufs Spiel setzten würde, so war es immer noch besser, wenn er am Ende noch am Leben war, oder?

Auf dem Nachhauseweg hielt Loui vor einem kleinen Imbiss, an dem ich mir etwas zum Mitnehmen bestellte, doch noch bevor ich in das Auto zurückstieg, wurde ich an meinem Arm festgehalten. Als ich mich jedoch umdrehte, war niemand zu sehen, außer den Leuten, die an mir vorbeieilten. Es war unheimlich, doch es konnte auch einfach ausversehen passiert sein. Theo und John sahen auch nicht danach aus, als hätten sie etwas bemerkt, aber eigentlich hatten sie immer denselben Gesichtsausdruck. Ist also schwer zu sagen, ob sie nicht doch etwas bemerkt hatten. » Miss, wir fahren jetzt weiter «, meinte Theo und ich stieg auch gleich ein. Ich verdunkelte den hinteren Bereich der Limousine – wie Vincent es mir gezeigt hatte – damit ich ungestört war. Schnell zog ich das kleine Päckchen heraus und packte es aus. Ein kleiner Rekorder kam zum Vorschein, wie man es in Krimiserien immer sehen konnte, wenn die Polizei jemanden damit aufnahm. Wieder einmal zitterten meine Finger, als ich auf den Knopf drückte und ihn abspielen ließ. » Wir müssen etwas unternehmen. Ich kann nicht davon ausgehen, dass nichts passiert, und sie in Gefahr zu bringen… « Es war Vincents Stimme, die ich da hörte. Jemand hörte ihn also ab? Wie machte dieser Unbekannte das nur? Entweder war er ein Freund von Vincent, oder ein Mitarbeiter. Eigentlich konnte er auch alles andere sein, z. B. ein Postbote, der dort ein und aus ging, oder einfach nur eine gestörte Person, die es schaffte, jemanden aufzunehmen, ohne das er es bemerkte. Ohne lange zu überlegen rief ich Mr Wellsley an, der nach dem ersten Klingeln auch schon abnahm.

The memories I lost in the fireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt