Kapitel 18: Schuss in den Tod?

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Als ich die Tür öffnete, erwartete ich schon, dass Vincent auf mich gewartet hatte. Schließlich war es die letzten beiden Male auch so gewesen. Und so war es auch. Ich fand ihn in der Küche vor. Mit dem Gesicht auf den Händen abgestützt. Als er sein Gesicht hob, konnte ich seine Gefühle in seinen Augen sehen. Es war Enttäuschung, Ärger, Angst und Verzweiflung. Alles auf einmal durchströmte ihn. Auch konnte ich aber sein leises Aufatmen hören, als er endlich begriff, dass ich da bin. » Warum tust du mir das immer an? «, fragte er verzweifelt. Ich versuchte ihm auch durch meinen Blick verstehen zu geben, was ich fühlte. Es war zum größten Teil Angst, aber auch Verletzbarkeit. Ich konnte wirklich viel wegstecken, aber der Abend heute – ich wusste einfach nicht mehr weiter. » Vincent ich… «, versuchte ich es jetzt mit Worten, doch ich brach ab. Was sollte ich sagen? Das es mir leid tat? Es tat mir nicht leid, dass ich weggerannt war. Mir tat nur leid, dass ich ihn verletzt hatte. Er jedoch hatte mich ebenso verletzt. Zuerst hatte er mich gewollt und kaum drehte ich mich zwei Minuten um, flirtete er schon mit einer anderen. Vielleicht war es auch kein flirten, aber die Blondine hatte sich an ihn her angeschmissen und ihn hatte es kein bisschen gestört. Vielleicht reagierte ich auch nur über, aber es hatte wirklich weh getan. Ich wusste, dass ich trotzdem immer den Fehler machte, wegzurennen, statt es einfach zu klären. Doch was hätte ich sagen sollen? Geh weg von ihr, oder zeig ihr wenigstens ETWAS weniger Interesse. » Vincent, das mit uns… «, versuchte ich es wieder, doch diesmal unterbrach er mich. » Nein, sag jetzt nicht, dass es nicht funktioniert! «  » Du verstehst das nicht. Ich bin nicht dein Typ, ich bin nicht die Richtige. Irgendwann würde es sowieso aus sein, weil du irgendwann eine Familie gründen wirst und dazu gehöre ich nun einmal nicht. « Ich konnte nicht genau sagen, ob sich seine Miene verhärtete, weil ich ihm weh tat, oder ob es ihn einfach nicht genug interessierte. » Weißt du, ich kann nicht einfach immer daneben stehen und zusehen… « Ich wurde wieder unterbrochen, doch diesmal nicht von Vincent sondern von Mrs Morgan. Was tat sie hier? » Mr Jane. Bitte, ich brauche Ihre Hilfe «, sagte sie aufgelöst. Was war passiert? Ohne lange zu zögern ging Vincent auf sie zu und fragte sie, was los sei. » Mrs Blake… sie bedroht Ted. « Als ich verstand, was das bedeutete, erstarrte ich, doch Vincent ging sofort aus der Küche. Ich blieb zurück. Lane bedrohte also den Pförtner? Was war mit dieser Frau so falsch gelaufen? Als ich mich aus meiner Starre löste, rannte auch ich auf den Aufzug zu und fuhr nach unten. Ich wusste zwar nicht, wo sie waren, aber ich würde sie schon finden. Ich suchte hecktisch den Eingangsbereich und fand letztendlich eine Türe auf der „Privat“ stand und als ich diese Türe öffnete, erstarrte ich wieder, denn das, was ich dort sah, erschreckte mich zutiefst.

» Lane, ganz ruhig. Nimm die Waffe herunter «, forderte Vincent sie in einem gefährlich ruhigen Ton auf. » Nein! «, schrie sie, » du hast mich fallen lassen. Ich habe dich geliebt Vincent und du… du hast mich einfach weggeworfen. Das was wir hatten, hast du das alles schon vergessen? « Ihre Worte trafen mich, aber nicht vor Eifersucht. Nein, es war eher, wie sie es sagte und wie sie dort stand, mit der Pistole in der Hand und auf Mr Garrett gerichtet. Ihre Haltung strahlte etwas so kaltes aus, dass ich keine Sekunde zögerte, zu glauben, sie würde wirklich schießen. Alles an ihr, ihre zerrissenen Klamotten, ihre ungemachten Haare, dass alles passte nicht zu ihr und machte alles noch bedrohlicher. Ich hatte niemals erwartet, dass sie soweit gehen würde und jemanden Bedrohen würde. Weder Lane, noch Mrs Morgan und Vincent hatten mich bemerkt. Ich stand einfach da und wusste nicht, was ich tun sollte. » Lane, wir beide hatten nichts. Es war niemals etwas zwischen uns, noch wird jemals etwas zwischen uns sein. Aber das wusstest du schon, als wir uns kennengelernt hatten. Ich habe dir nie etwas vorgemacht. Ich habe dir nie falsche Hoffnungen gemacht und jetzt nimm die Waffe herunter und lass uns darüber reden «, versuchte er es wieder. Ich wusste, ich sollte mich nicht bemerkbar machen, sonst würde Lane noch wütender werden, als sie es schon war, also schlich ich auf den kleinen Spalt in der Wand zu und versteckte mich dort. Ich konnte einfach nicht gehen. Nicht wenn eine Waffe im Spiel und Vincent dort war. Genauso wenig wollte ich Mrs Morgan, noch Mr Garrett alleine lassen, auch wenn ich nichts tun konnte. » Mich wolltest du nicht, aber meine Schwester das Miststück schon. «, auch wenn sie es nicht als Frage gesagt hatte, so konnte ich doch das versteckte Fragezeichen hören. » Sie ist nicht deine Schwester du das weißt du! « Wie bitte? Von was redete er da? Auch Lane sah ihn verwirrt an. » Ja, du weißt genau, was ich meine. Ich habe es vor kurzem herausgefunden durch Ronald Tylor. Und du wusstest es nicht erst seit ein paar Tagen. « Was sollte das alles bedeuten? Lane war nicht meine Schwester. » Wie hat er es herausgefunden? « » Ich habe ihm den Auftrag geben, genauer Nachzuforschen, weil ihr beide, du und Katherine so gar nichts gemeinsam habt. Außerdem konnte ich nicht verstehen, warum du sie für den Unfall eurer Eltern, nein, ihrer Eltern, schuldig gemacht hast. Selbst wenn sie daran schuld gewesen wäre, was sie sicher nicht ist, hätte sich eine ´richtige´ Schwester niemals abgewandt. Du bist adoptiert Lane. « Das war jetzt nicht wahr? Ich hatte mich also immer umsonst noch mehr schuldig gefühlt, weil ich auch Lane die Eltern weggenommen hatte, obwohl es gar nicht ihre richtigen Eltern waren? Wie oft hatte sie mir gesagt, ich hatte ihre Eltern ermordet? Dabei hatte ich nur meine Eltern ermordet. Das war zwar nicht weniger schlimm, aber dennoch wahr. Auch wenn sie adoptiert worden war, waren es zwar ihre Eltern, aber sie hatte mir immer zu verstehen gegeben, dass ich nur ihre Eltern getötet hatte. Ich konnte sehen, dass Lane immer wütender wurde. » Sie waren meine Eltern. Sie hat sie umgebracht «, schrie sie schon fast und hielt die Pistole wieder etwas gerader, da sie sie kurzzeitig ein wenig gesenkt hatte. » Verdammt Lane, nimm die Waffe runter. Ich werde dir helfen «, versuchte es Vincent wieder. Jetzt konnte ich den Blick in Lane‘ Augen wieder sehen und war mir sicher, sie meinte es Todernst. Sie wollte schießen. Noch bevor ich genau wusste, was ich tat, war es schon geschehen. Ich rannte auf Ted zu und schmiss mich vor ihn. Der Schuss ertönte. » Neeeeeiiiinnnnn! «, hörte ich Vincent noch schreien, bevor ein Schmerz mich durchzuckte.

Es war ein schöner Sommertag. Die Sonne schien heiß und ich hatte eine Hotpants und ein kurzes Top an, dass mir gerade ein bisschen über den Nabel ging. Auch Christopher hatte kurze Sachen an. Wir lagen an einem See auf einer Decke im Gras, mit unseren Sonnenbrillen im Gesicht. Wir genossen den heutigen Tag. Auch wenn wir an einem so schönen Tag nicht an einem Strand lagen, so machte es ihn nicht weniger schön. Dieses Jahr mussten wir auf den Urlaub verzichten, da mein Dad gerade viel arbeiten musste. Aber wir lagen hier und hörten über Christopher‘ Ipod Musik. Ich musste grinsen, bei dem was ich gleich vorhaben würde. Ich schnappte mir die leere Wasserflasche und lief nach unten zum Wasser. Christopher hatte durch die Musik nicht bemerkt, dass ich weg war, was auch gut war. Ich füllte die Wasserflasche bis obenhin und lief wieder zurück zu unserer Decke. Noch bevor er bemerkte, was ich tat, landete das Wasser auf ihm und er schreckte hoch. » Was zum Teufel…? «, rief er, doch als er bemerkte, was ich getan hatte, stand er auf, hob mich auf seine Schultern und trug mich zum Wasser. » Du wirst schon noch sehen, was du davon hast «, meinte Christopher grinsend. » Nein, es tut mir leid «, versuchte ich beschwichtigend zu sagen, doch er ließ mich natürlich nicht los. » Ich hab es dir doch gesagt «, sagte er weiterhin lachend. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich nass machen würde, aber nicht dass er mich ganz ins Wasser werfen würde. Doch das geschah gerade. Ich prustete. Das Wasser war doch kalt, obwohl es heute sehr warm war. » Hey, das war gemein «, wollte ich so schmollend wie möglich rüber bringen, doch ich musste lachen. » Na dann, lass dich mal umarmen, Bruderherz. « » Nein «, rief er und rannte davon. Doch ich war schon immer schneller als er gewesen, deshalb holte ich ihn in Sekunden ein und umarmte ihn von hinten. Meine Klamotten waren nass, wieso sollten seine dann nicht nass werden? Klar hatte ich darunter einen Bikini an, aber meine Klamotten würden nun erst einmal trocknen müssen. Jetzt war auch Christopher nass, natürlich nicht so nass wie ich, aber das reichte für jetzt. Plötzlich zog er sein T-Shirt aus, hob mich wieder hoch und lief mit mir auf den Steg. Er nahm Anlauf und ich schrie. Als wir wieder nach oben kamen, holte ich erst einmal tief Luft. Durch das ganze Lachen, hatte ich das vergessen. Plötzlich veränderte sich die Erinnerung. Ich versuchte Luft zu bekommen, doch ich schaffte es nicht. Nein, das war falsch, so war das nicht. Ich versuchte nach Christopher zu rufen, doch ich merkte, dass er nicht mehr da war. Ich brauche Luft. Ich brauche Luft. Ich brauche Luft.

 » Komm schon, mein Engel, atme. Atme. « Ich nahm nicht wirklich etwas war, doch immer wieder spürte ich eine Hand an meiner Wange.» Wann kommt denn der beschissene Krankenwagen? «,schrie Vincent Mrs Morgan an. Ich nahm nichts mehr war. Ich hatte nur ein Gefühl. Das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben. Und doch erinnerte mich die Scene an etwas anderes. Doch in meinem Zustand war ich bald nicht mehr zu einem klaren Gedanken imstande. » Nein, Katherine, Atme weiter und sieh mich an. Hör nicht damit auf. « Ich versuchte ihm den Gefallen zu tun, doch ich scheiterte. 

The memories I lost in the fireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt