Kapitel 4: Glassplitter

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Die Schmerzen, die mich durchzuckten, fühlten sich wie eine  Milliarden Nadelstiche an. Doch meine Gedanken kreisten nur um Sie. Die Leute, die auch hier waren. Hier draußen. Doch ich hörte nur noch, wie Glas splitterte. Dann wurde alles schwarz

» Sch sch « versuchte er mich zu beruhigen, als er den nächsten Splitter heraus zog. Wieder schrie ich auf. Ein weiterer folgte. Mein Gesicht war nun schon tränenüberströmt. Wäre ich in einer anderen Lage gewesen, hätte mich dies wahrscheinlich gestört. Doch gerade störte es mich wenig. » Nur noch einer, dann sind die schlimmsten Splitter weg «, hörte ich ihn noch sagen, bevor er ihn heraus zog. Jetzt war es zu viel. Ich merkte, wie alles um mich herum schwarz wurde.» Hey, hey, hey, wach auf. « Seine Stimme war sehr leise. Meine Sicht wurde wieder etwas klarer. Ich sah in seine eisblauen Augen, doch ich merkte, dass meine Sicht sofort wieder etwas schwächer wurde. » Nein, lass deine Augen offen. Lass sie offen. « Ich bemerkte, dass er seine Arme um mich legte, mich hoch hob und die Treppen hinauf ging. Aber er ging nicht in mein Zimmer, sondern in ein anderes und legte mich auf ein Bett. » Bin sofort wieder da «, hörte ich ihn sagen. Keine Minute später war er auch schon wieder da. Mit einem Mann. Mit Dr. Brown. Er setzte sich neben mich auf das Bett, hob meine Hand zu sich und sah sie an. » Wir müssen die restlichen Splitter entfernen und dann nähen. Die Splitter sind ziemlich tief in die Haut geschnitten. Danach werde ich ihr ein Schmerzmittel geben, das die Schmerzen in der Hand lindern wird«, hörte ich ihn sagen. Als ich erwachte, lag ich noch immer in diesem Bett. Ich sah mich im Zimmer um. Es hatte aber keinen Kleiderschrank. Es standen hier nur dieses Bett, das auch ein Himmelbett war, eine Couch und zwei Nachttische drin. Mir fiel ein, warum ich eigentlich hier drin war und sah auf meine Hand. Ein Verband war darum gewickelt und man sah schon ein bisschen Blut durch. Scheiße. Ich stand auf, lief durch eine Türe und war froh, dass dies ein Badezimmer war. Ich rannte auf die Toilette zu und übergab mich. Es liefen Bilder vor meinem inneren Auge ab, bei denen sehr viel Blut im Spiel war. Zu viel Blut. Und es war alles meine Schuld. Wahrscheinlich musste ich mich deshalb übergeben, als ich mein Blut gesehen hatte. Ich spürte wie mir jemand eine Hand auf die Schulter legte und mit der anderen meine Haare zurück hielt. » Nein, bitte… «, sagte ich verzweifelt. » Sch sch sch «, sagte er wieder. Als ich das Gefühl hatte, mich nicht mehr übergeben zu müssen, spülte ich und ging zum Waschbecken. Vincent löste nicht einen Moment seine Finger aus meinen Haaren. Ich spülte meinen Mund aus und es ging mir besser. Ich ließ mich auf den Boden sinken. » Es tut mir so leid. « Ich bemerkte, wie mir schon wieder die Tränen kamen, doch ich zwinkerte sie weg. Er musste mich nicht auch noch Rotz und Wasser heulen sehen. Zu meiner Überraschung drückte er mich an seine Brust. So saßen wir eine Weile. » Ich… es tut mir so leid «, meinte ich. » Hör auf, dich immer für alles zu entschuldigen oder zu bedanken. « » Ich kann nicht anders «, sagte ich nur. Ich putzte mir meine Zähne und zog die Klamotten aus, die ich gestern Abend angezogen hatte. Ich hatte diese Nacht durchgeschlafen. Eine ganze Nacht. Okay, mit Schmerzmittel und einer Hand, die schmerzte, aber das war es wert. Als ich vorhin aus Vincents Zimmer, wie ich erfahren hatte, gegangen war, hatte er mir gesagt, dass er mich gleich in seinem Büro antreffen wolle. Ich zog mir meine alte Jeans, mein altes T-Shirt und ein paar Socken an und machte mich dann auf den Weg. Ich klopfte an die Türe und er zog sie keine Sekunde später auf. Ich trat ein und er schloss die Türe wieder. » Du hast mir das Geld zurück geben. « Wie bitte? Geld? Oh, achso ja. » Ja, das war noch übrig, also habe ich es zurück gelegt. « » Behalte es. « »Nein.« » Warum nicht? Ich habe es dir gegeben, damit du dir damit kaufen kannst was du willst. «, meinte er. » Ja und das habe ich getan. Alles, was ich haben wollte, habe ich gekauft und das ist übrig geblieben. « » Dann behalte es trotzdem «, meinte er. » Nein, ich will ihr Geld nicht. Es war sehr nett von Ihnen Vincent, mir das Geld zu geben. Dafür bedanke ich mich, aber ich will nicht mehr. Ich will nicht mehr als nötig von Ihnen haben. « » Glaube mir Katherine, ich kann es mir leisten. « » Ich weiß, aber ich will Ihr Geld nicht. « Einen Augenblick sah er wütend aus, doch er fing sich schnell wieder. » Du wirst lernen müssen, von mir Geld anzunehmen, denn dies wird nicht das letzte Mal sein. Ich habe mit Mr Garrett gesprochen. Er hat mir berichtet, du hättest ihn nach einem Telefon gefragt. Warum benutzt du nicht eines der Telefone von hier? «, fragte er mich. » Ähm… «, fing ich an, » ich… ich weiß nicht, wo hier ein Telefon ist und ich wollte es nicht einfach ohne zu Fragen benutzen. « Er schüttelte den Kopf. » Es tut mir leid, dass dir das scheinbar nicht von Anfang an klar war, aber du wohnst jetzt hier. In meiner Wohnung. Das heißt, sie gehört nun auch dir und du darfst hier alles benutzen, was du möchtest. « Ich sah ihn an und er redete weiter. » Ich habe hier etwas für dich. « Er zeigte auf eine schwarze Schachtel. Fragend sah ich ihn an. » Öffne es. « Ich öffnete also die Schachtel und fand darin ein I phone. Ich legte es wieder zurück in die Schachtel und stellte es auf seinen Schreibtisch. » Du wirst dieses Handy annehmen. Ich habe meine Nummern darin eingespeichert, damit du mich jeder Zeit anrufen kannst, solltest du etwas brauchen. « » Ich kann das nicht annehmen. Hätte es nicht wenigstens irgendein billigeres Handy sein können? «, fragte ich ihn. » Dieses Handy ist gut. Und doch du wirst es annehmen. « Er drückte mir das I phone wieder in die Hand und starrte mich an. Ich kannte diesen Blick gut, also wiedersprach ich  nicht und nahm es an. » Danke. « » Keine Ursache. Ach ja, und ich habe veranlasst, dein Zimmer mit einem Flachbildfernseher, sowie einem Tablett PC und einem Mac Book auszustatten. Morgen sollte alles da sein. « Ich starrte ihn fassungslos an. Doch er bedacht mich wieder mit diesem Blick, sodass meine Worte im Hals stecken blieben. » Wenn es noch etwas gibt, das du dir wünscht, scheue dich nicht, mich zu fragen «, sagte er noch und sah mich an, darauf wartend, dass ich noch irgendetwas fragte. » Nun ja, also ehrlich gesagt, wäre da eine Sache. « Er sah mich an. Er hatte nicht erwartet, dass ich ihn um etwas bitten würde. Aber ich würde ihn um etwas bitten, dass ihn nichts kostete. » Also ich habe im Starbucks jemanden kennengelernt. Sie heißt Ally. Ally White. Sie hat mich gefragt, ob ich Freitagabend mit ihr auf eine Party gehen will und ich wusste nicht, also ich… darf ich dort hingehen? « Wie ich hier stand und ihn, wie ein kleines Mädchen seine Mutter fragte, ob es Gummibärchen naschen durfte. » Wo ist diese Party? «, fragte er mich. » Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht. « » Na dann, solltest du das mal herausfinden und dann sehen wir weiter. « » Okay. « Ich drehte mich zur Türe um. » Ach Vincent, was ist mit Lane? «, fragte ich noch, bevor ich zur Tür hinaus ging. » Sie wird dir nicht mehr über den Weg laufen. Mach dir darüber keine Gedanken. « Verwirrt verließ ich das Büro. Was sollte das heißen, sie würde mir nicht mehr über den Weg laufen? Ich wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau.

Auch heute schmerzte meine Hand noch, was für mich aber kein Grund war, nochmals bei der Arbeit zu fehlen. Scheinbar sah Vincent dies aber anders, denn als ich in die Küche kam, sagte er mir: » Also wenn du vor hast, zu Arbeit zu gehe, dann solltest du vielleicht wissen, dass ich dich bis Montag krank gemeldet habe. « »Aber…«, wollte ich wiedersprechen, doch er winkte ab. » Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Du wirst dich heute ausruhen. Ach ja, Mrs Morgan ist den Tag über heute nicht da. Sie besucht ihre Familie. « Bei dem Gedanken alleine hier zu sein, durchlief mich ein Frostschauer. Es machte mir Angst. Schon immer hatte ich mich gefürchtet, alleine zu Hause zu sein. Aus diesem Grund war meistens Christopher da, oder aber ich ging mit Freunden aus. » Ähm… ich… ich würde wirklich gerne zur Arbeit gehen «, versuchte ich es noch einmal.  » Nein und wenn ich dich dazu zwingen muss «, sagte er drohend. » Ich… Aber… « » Was ist los? «, fragte er mich und er runzelte die Stirn. Doch dann schien ihm ein Gedanke zu kommen. » Du willst also nicht alleine hier bleiben? « Darauf sagte ich nichts. Soweit wollte ich mich nun wirklich nicht herablassen. Ich drehte mich einfach um und wollte aus der Küche gehen, doch er rief mich zurück: » Stehen geblieben junge Dame. « Oh nein. Ich drehte mich wieder um. » Ich gehe ja nicht zur Arbeit «, sagte ich. » Da du mir nicht auf meine Frage geantwortet hast, nehme ich an, dass ich richtig lag. « Oh mein Gott, wie peinlich. Ich stehe hier rum und machte mir fast in die Hose, nur weil ich alleine hier in dieser tollen Wohnung bleiben sollte. Er musste sich doch innerlich kaputt lachen. » Also dann, mach dich fertig. « » Wie bitte? «, fragte ich. » Naja, da du nicht zur Arbeit gehen kannst, aber auch offensichtlich nicht hier bleiben willst, wirst du eben mit mir kommen. « » Mit Ihnen kommen? « Jetzt war ich mal wieder verwirrt. Das war ich dauernd in der Nähe dieses Mannes. » Da ich selbst arbeiten muss und im Moment schlecht zu Hause bleiben kann, wirst du einfach mit dorthin kommen. « Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. » Nein, dass… « » Oh doch. « unterbrach er mich mit einem funkeln in den Augen, dass ich nicht deuten konnte. Dieser Mann nahm einem wirklich seinen Willen. » Also, mach dich fertig « befahl er wieder und fügte noch hinzu: » Ach ja, ich habe vorhin gerade einen Anruf bekommen. Deine Sachen sind da. Thomas müsste sie auf dein Bett gelegt haben. « » D… danke. « Ich ging aus seinem Arbeitszimmer und in mein Zimmer zurück. Dort zog ich mir mein Starbucks T-Shirt wieder aus. Auch meine Jeans zog ich wieder aus. Es war eine der alten gewesen, da ich ja nur arbeiten musste. Da ich aber mit Vincent zu seinem Unternehmen fahren würde, musste ich besser aussehen. Dort würden bestimmt nur Frauen in Hosenanzug oder Bleistiftrockt und Bluse herum laufen und die Männer mit schicken Anzügen. Aber niemand würde so heiß wie Vincent in einem Anzug aussehen. Man Katherine, reiß dich zusammen. Vincent findet dich nämlich nicht heiß! Ich zog mir also meine schwarze, durchsichtige Strumpfhose an und ein schwarzes Oberteil, das über meine Ellenbogen reichte und ein paar schöne goldene Aufstecker an der Schulter hatte. Darüber zog ich mir den mintgrünen Rock, der von meiner Taille bis kurz oberhalb meines Knies ging. Ally hatte einen wirklich guten, aber teuren Geschmack. Ich zog mir noch meine Strickjacke, zog meine Schnürstiefel an und ging so nach unten. Dort wartete Vincent schon auf mich mit der Jacke seines Anzugs in der Hand. Er hatte nur seine Weste und natürlich sein ein Hemd und eine Krawatte an und das sah einfach heiß aus. Ich musste wirklich aufhören darüber nachzudenken. Ohne etwas zu sagen hielt er mir die Tür auf und ich drückte auf den Knopf, der den Fahrstuhl nach oben holen würde. Kurze Zeit später kam er auch schon und wir stiegen ein. Wieder stellte er sich in die linke hintere Ecke und er zog mich zu meiner Überraschung mit sich. Es stiegen Leute ein. Genau wie vorgestern waren es nun wieder so viele Leute, dass ich zum wiederholten Male an Vincents Brust gedrückt wurde, mit dem Unterschied, dass er diesmal seine Hand um meine Taille legte. Sofort fing meine Haut genau dort, wo er seine Hand hatte, zu kribbeln an. Er schien es nicht zu bemerken, denn als ich zu ihm aufsah, sah seine Miene ganz normal aus. Etwas, dass auch nicht anders war als beim letzten Mal war, dass die Frauen ihn wieder regelrecht angafften. Eine Frau, die neben mir stand und bemerkt hatte, dass Vincents Hand auf meiner Taille lag, schoss mir sogar böse Blicke zu. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ihr Blick mich verletzte. Leider war ich immer darüber besorgt gewesen, was andere Leute von mir dachten und es verletzte mich stehst schnell, wenn mich jemand nicht mochte und man mir, wie diese Frau, solche Blicke zuwarf. Bei Lane war es mir sogar schon egal gewesen, denn ich hatte es von ihr nicht mehr anders gekannt. Doch der Blick dieser Frau verletzte mich.

The memories I lost in the fireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt