Kapitel 102

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POV Alex:

Ich schaute sie an. Hörte ihr aufmerksam zu und beobachtete ihre wunderschönen Lippen wie sie sich beim Sprechen bewegten. Ich beobachtete sie wie sie sich ein wenig dabei bewegte. Immerhin lag sie auf dem Bett. Direkt neben mir. Ich war so unglaublich froh, dass es wieder besser zwischen uns war. Ich starrte sie an und grinste vor mich her. „Deswegen danke. Ich fühle mich endlich angekommen, endlich zuhause. Und ich bin glücklich, von ganz weit innen glücklich und zufrieden. Da hast du einen sehr großen Teil zu beigetragen.", erklärte sie alles. Und ich- ich lag hier. Ich drehte mich ganz zu ihr um und schaute ihr tief in die Augen. Ich rutschte noch ein wenig mehr an sie heran und zog sie zu mir. Und ich schwieg. Worte waren in diesem Moment überflüssig. Sie hatte schon so viel gesagt. Und ich wusste nicht was ich nach dem hier sagen soll. Ich möchte sie nicht verletzen. Ich möchte ihr zeigen was sie für mich bedeutet. Jetzt wo ich sie wieder habe, will ich sie nicht gleich wieder verlieren. Will ihr nicht noch Mal wehtun. Sie so beschützen wie ich es hätte schon früher tun müssen. Wie sie es verdient hätte.

Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit zog sich durch meinen Körper als ich sie so strahlen sah. Die berühmt-berüchtigten Schmetterlinge machten eine Rundreise durch meinen Körper. Allein wenn ich sie ansah stahl sich ein Grinsen in mein Gesicht und ich war sofort wieder glücklich. „Du weißt nicht wie glücklich du mich jeden Tag aufs Neue machst. Mit einem Lächeln, allein mit deiner Anwesenheit.", setze ich an. Ich merke wie sie sich noch näher an meine Brust drückte. Ich sah ihr Grinsen welches immer weiter wuchs und sie strahlte eine tiefe Zufriedenheit aus. Wie sie gesagt hatte. Sie schien wirklich angekommen zu sein. Endlich und vollkommen. Sie drehte sich um und schaute mich direkt an. Wir beide grinsten und ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Es fühlte sich unglaublich gut an. Sie legte ihren Kopf zurück. Ich merke nach einer Weile wie ihr immer wieder die Augen zu fielen, bis sie letztendlich einschlief.

POV Toni:

Ein paar Tage waren vergangen, nachdem Phil und Olli uns beide für gesund erklärt hatten durften wir auch endlich wieder arbeiten. Für mich ging es an die Planung der Operation für meinen Hirntumor Patienten. Ich hatte meinen Mentor angerufen und ihn gefragt ob er sich solch eine Operation entgehen lassen würde. Er war wie immer Feuer und Flamme wenn es um große Hirntumore ging. Und diesen musste man mit mindestens zwei erfahrenen Chirurgen entfernen. Und er war solch einer. Genauso brilliant wie arrogant.

Wir trafen uns in der Uniklinik. Dort gab es eine bessere Ausrüstung. Ein Testlabor und eine tolle Radiologie Abteilung.
Ich stand früh auf, machte mir Kaffee und machte mich dann auf den Weg zur Uniklinik. Dort traf ich schon unten am Haupteingang auf Finn. „Da sind Sie ja." „Ich bin doch nicht zu spät oder etwa doch?", ich warf einen Blick auf die Uhr. Der Zeiger stand kurz vor zwölf. Nein ich war nicht zu spät, noch nicht. Er zeigte auf die Aufzüge und drückte Nummer sieben. Dort stiegen wir aus und liefen zur Umkleide. Innen zog ich mich um und bekam draußen von ihm einen Kittel. Zusammen fuhren wir in den zehnten Stock und dort öffnete er eine weitere Tür. Innen fand ich den Traum eines jeden Radiologen oder eben auch eines Chirurgen wenn sie eine Operation planen. „Es ist sehr schön hier." „Schön, Ihren Augen nach zu urteilen fallen Sie gleich vom Stuhl.", ich grinste und schaute mich um. Eine große Bildschirmfront hing an der einen Seite. Davor stand ein großer Schreibtisch mit zwei Computern darauf. In einer Ecke standen ein paar Klappstühle die das Ambiente minimal runter zogen. Aber sie sind hier. Entweder weil es keinen anderen Platz gab oder weil sie hier gebraucht wurden. Ich nahm auf dem Schreibtischstuhl Platz und bewegte die Maus. Der Computer gab ein Pling von sich und es erschien das Logo des Krankenhauses. Finn nahm die Tastatur an sich und tippte seine Account Daten ein. Dass er hier einen hatte wunderte mich zwar, aber ich würde behaupten er hatte sich bereits im Vorfeld darum gekümmert das er hier Zugriff hatte. Prompt hatte er die Akte geöffnet und die Bilder erschienen groß auf den Bildschirmen.
„Wie kommt es das er zu Ihnen gekommen ist, nicht zu mir?", er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und schaute auf den Bildschirm vor ihm. Er erfüllte das Klischee von einem eingebildeten Chirurgen. Doch er war verdammt gut und er war relativ nett. „Liegt wohl daran, dass ich sehr gut bin in dem was ich tue.", grinste ich und trank einen Schluck meines Kaffees. „Sie haben vom besten gelernt. Ich erwarte nichts anderes.", ach ja immer wieder ein Traum mit ihm zu arbeiten. „Gucken wir uns das MRT an.", er begann sich die Bilder erneut anzusehen. Er kennt sie. Alle in und auswendig, so hatte er es immer getan. Und so gingen wir auch hier vor. So ging auch ich bei solch großen Projekten vor. Es war die sicherste Möglichkeit. Die bei der man alles gut planen kann. Jeden Schritt durch gehen kann. Die Gefahren abwägen. Die Methode die sehr sehr ausführlich war. Und diese war hier definitiv von Nöten.

Als nächstes kamen die Kontrast CT Aufnahmen an die Reihe. Und wieder starrten wir auf die Bildschirme. Mit jedem Bild gewann der Tumor vor meinem inneren Auge an Plastizität. Er nahm seine Form an und mit jeder Aufnahme wurde dieses Bild präzisiert. Die Details bildeten sich von ganz allein und schon bald schwebte ein Tumor in meinen Gedanken umher. Die 3D Ansicht des Tumors festigte mein Bild. Es war nahezu perfekt.

Finn war aufgestanden um den Tumor an der großen Wand zu betrachten. Ich stellte mich neben ihn- den Kittel hatte ich schon vor etwa zwei Stunden ausgezogen- zusammen standen wir hier vor dem großen Bildschirm und starrten eine 3D Applikation von unserem Tumor an. Einen Schmetterlings Tumor. So schön und so gefährlich in einem. Es war ein Spiel um Leben und Tod. Es würde anfangen sobald unser Patient den Operationstrakt betrat. Von dort an würde es ein Tanz werden, ja sogar ein Spiel mit dem Tod. Ein sehr ausdauerndes Spiel. Es würde so weit gehen bis eine Seite gewonnen hat. Und das endgültig. Das entscheidet sich am Ende. Mitten drin. Oder am Anfang. Jede Seite wird lange kämpfen. Wie bei einem guten Spiel üblich. Niemand möchte verlieren. Jeder möchte gewinnen. So auch wir. So auch der Tod, der alte Bekannte. Wir trafen ihn in unserem Job schon so oft und doch kommt er immer wieder. Das ist Teil unserer Arbeit.

Es wird nicht einfacher zu verlieren, als ich anfing habe ich mir das erhofft. Habe gehofft, dass es leichter wird. Als ich meinen ersten Patienten verloren habe und der Mutter Bescheid sagen musste- es war schrecklich. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Wie ich es sagen sollte. Wie sagt man schon einer Mutter, dass ihr Kind gestorben ist? Ich wusste es nicht. Wir haben es in der Theorie einmal ganz kurz gehabt. Doch mehr Vorbereitung gibt es nicht. Du wirst ins kalte Wasser geworfen und du musst schwimmen. Als Anfänger war es noch schlimmer als es jetzt ist. Der Tod begleitet mich seit je her ständig. Ich hatte zwar vorher schon Begegnungen mit ihm, doch nie musste ich jemandem sagen, dass jemand gestorben ist. Es wurde mir gesagt. Und ich hatte in diesem Moment wo ich die Mutter gesehen hatte, bevor ich mit ihr sprach, gewusst wie sich der Arzt damals gefühlt hatte. Ich hatte verstanden warum es ihm so schwer gefallen war. Und ich wusste, es hatte ihm genauso davor gegraust wie mir in diesem Moment. Doch ich musste zu der Mutter gehen. Es ihr sagen. Mich ihr stellen. Es war ein schreckliches Gefühl sie zu einem ruhigeren Ort mitzunehmen. Mich zu ihr zu setzen und ihr zu erklären, dass ihr Kind tot war. Das wir alles versucht hatten und es trotzdem gestorben war. Als ich damit fertig war hatte ich mich in einen leeren Raum Gesetzt und vor mich hin gestarrt. Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Ich wusste nicht wie ich mich fühlen sollte. Es war einfach nur schrecklich. Und dort verstand ich, dass das Spiel mit dem Tod unberechenbar war. Und das wir es immer weiter führen mussten.

New Life - Ein Neuanfang (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt