Kapitel 95

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POV Toni:

„Sockship!" „Was?" „Die Socke braucht ihren Partner. Und den findet sie über Sockship.", er schaute mich verwirrt an. „Bist du krank? Fieber?", er legte seine Hand auf meine Stirn. „Nein. Bin ich nicht." „Ich meins ernst.", seine Hand fand meine Karotis. Ich trat einen Schritt zurück. „Schatz ich meins ernst. Gehts dir gut?", Schatz sagt er nie. Niemals. „Ja, Alexander. Mir gehts gut.", ich seufzte genervt. Darf man nicht Mal mehr seine Gedanken aussprechen. „Aber irgendwas ist doch mit dir!", nein! Verdammt noch mal! „Nein! Was ist dein Problem? Es war doch nur ein flüchtiger Gedanke!", schrie ich ihn an. „Aber-" „Nichts aber, Alex!", ich war wütend. Enttäuscht. Ich steigerte mich darin rein. Warum kann er es nicht einfach sein lassen? „Toni irgendwas muss doch sein!", was? Er schrie genauso wie ich. Der hält mich für total durchgeknallt! „Bitte?! Mit mir ist nichts falsch!", schrie ich ihn weiter an. „Hast du was genommen? Ich sehe dich fast jeden Tag, wie du Tabletten nimmst!", oh wow. Seine Stimme hatte etwas Verachtendes. Stell dir vor ja. Ich nehme Tabletten. Ja. Die Pille, manchmal Schmerzpillen. Was hat er eigentlich für Probleme?! „Willst du mich verarschen?!! Was unterstellst du mir hier? Tablettenmissbrauch! Sag Mal hackts??" „Ach und was nimmst du dann? Irgendwas nimmst du doch!" „Gut okay, ja! Bist du jetzt zufrieden?", ich sah ihn wütend an, während er mindestens genauso wütend war. Zum Glück ist noch keiner hochgekommen. Auf einmal sah ich Enttäuschung in seinen Augen. Ich lief aus dem Raum nach unten und nahm da meine Schuhe in die Hand. Ich rannte raus und die Tür knallte hinter mir ins Schloss. Nach hundert Metern blieb ich stehen und zog meine Schuhe an. Dann lief ich weiter.

POV Dustin:

Wir hörten einen Streit, von oben. Zuerst dachte ich, sie sind sich nicht einig wegen den Sachen. Immerhin ist so ein Umzug auch nicht leicht. Und von zwei Zimmer die Sachen alle in eins zu räumen auch nicht. Doch der Streit wurde mehr. Lauter. Heftiger. Ich hörte, wie sie schrien. Lauter und lauter. Wortfetzen drangen nach unten durch. Niemand sagte etwas. Niemand ging hoch. Das sollte man auch nicht. „Tabletten-" hörte ich Alex schreien. In diesem Wort hörte man Verachtung. Sogar bis hier unten. Sie waren wirklich laut. „Tablettenmissbrauch-" war das Nächste, was man klar und deutlich verstehen konnte. Tablettenmissbrauch? Er oder sie? Wer unterstellt hier wem was? Toni? Alex?

Wobei wenn man so drüber nachdenkt, hab ich Toni Mal was nehmen sehen. Aber so was macht sie doch nicht! Ist bestimmt irgendwas Normales, harmlos. Oder nicht? Was wenn eben nicht? Nein, das kann eigentlich nicht sein. Sie würde doch keine illegalen Pillen schlucken. Wofür denn überhaupt? Nein. Eigentlich nicht. Eigentlich. Man hörte jemanden- schnell die Treppen runter hasten- und die Tür knallte ins Schloss. Die Person ist dann wohl weg. Rufe von oben, sagten mir, dass es Toni war, die weg ist. Mitten im Streit. Das verheißt nichts Gutes. Wenn er ihr wirklich Tablettenmissbrauch unterstellt hat, würde ich auch ausrasten. So richtig. Ich meine wie kann er nur? Hat er es ernst gemeint? Oder ist ihm das raus gerutscht? Raus rutschen kann einem das nicht! Er muss es schon länger in seinem Kopf gehabt haben! Er muss länger drüber nachgedacht haben! Wie kann er? Und wie kann er so über sie denken! So! Er rief ihr hinterher. Aber sie ist weg. Und das bleibt sie auch. Jacky lief raus auf den Flur. „Alex, lass sie.", sie sprach ruhig. Doch er war alles andere als ruhig. „Wie soll ich da ruhig bleiben?!", schrie er sie an. Aber nicht sie, sie hat nichts damit zu tun und wollte nur helfen! „Alex komm runter.", er schaute mich an. Die Wut war in seinem Gesicht genauso präsent wie Sorge und Enttäuschung. „Alex-", ich legte eine Hand auf seine Schulter. „Sie ist weg!", ich nickte. „Ich muss sie suchen!", oh nein. „Alex lass sie. Sie braucht Zeit.", versuchte es Jacky. Alex schüttelte den Kopf. Er wollte aus der Tür raus. Doch ich stellte mich ihm in den Weg. „Alex. Lass ihr Zeit. Wirklich.", langsam wurde sein Gesicht weicher. Und die Traurigkeit, Enttäuschung und Sorge stand nun in diesem. „Alex?", Phil kam von hinten. Er lehnte sich an die Wand. „Ich hab scheiße gebaut, oder?", das hat er erfasst. Und zwar so richtig. „Ja, trotzdem musst du ihr die Zeit geben, die sie braucht.", Jacky legte eine Hand auf seine Schulter. Er rutschte nun die Wand herunter und seufzte. „Ich wollte nicht-" „Sag das nicht uns, sondern ihr.", Alex seufzte. „Ich muss sie anrufen." „Alex, lass ihr Zeit!", seufzte Jacky. Er schüttelte den Kopf und war schneller oben, als das jemand hätte reagieren können. Höchstens eine Minute später hörte ich Flüche von oben. Sie geht wohl nicht dran. Er stürmte runter. „Sie hat ihr Handy nicht bei! Ich muss sie suchen gehen!", er wollte durch die Tür. „Alex-", er unterbrach Phil. „Nix Alex. Sie ist wegen mir weg.", er war unglaublich aufgeregt und durch den Wind. Und zwar so richtig. Eigentlich wollte ich ihn anmeckern, aber der Typ ist so fertig, dass ich das nicht kann.

POV Toni:

Ich lief ohne Plan durch die Straßen. Ein paar Stunden denke ich. Ich dachte nach. Über den Streit. Über unsere Beziehung. Über mein Leben. Über einfach alles. Es war wohl alles ein Fehler. Mein Umzug, hier hin schon. Vielleicht hätte ich woanders hinziehen sollen. Vielleicht hätte ich niemals hier einziehen sollen. Was wäre dann passiert? Hätte ich auf dem Bahnhof gelogen, hätte ich gesagt, ich hab ne Wohnung. Was wäre dann passiert? Ich hätte Alex niemals so gut kennengelernt. Wir wären wahrscheinlich nur Kollegen. Freunde, wahrscheinlich. Aber mehr nicht? Oder? Wäre ich nie nach Köln gekommen, in eine andere Stadt. Eine Stadt wo ich niemanden kenne. Was wäre dann passiert? Neue Stadt, neues Glück?

Weglaufen. Immer wenn es zu viel wird, laufe ich weg. Wie immer. So bin ich. Das wird sich auch nicht ändern. Ich hab es doch eigentlich schon vorher gewusst. Gewusst, dass ich diese Beziehung zerstören werde. Ich hab es gesagt. Und es ist passiert. Wie immer. Was anderes kann ich ja auch nicht. Zu was anderem bin ich nicht fähig. Alle werden verletzt um mich herum, alle sterben um mich herum. Oder ich zerstöre die Beziehungen zu allen um mich herum. Ich flüchte dann, wenn ich mit der Situation nicht mehr klar komme. Wenn ich nicht mehr kann, nicht mehr will. Einfach immer, wenn etwas neu ist. Wenn eine neue Situation ist. Wenn ich diese nicht berechnen kann. So wie diesen Streit. So wie jetzt. Wie hier. Wie diese Situation eben ist. Ich lief und lief. Und merkte wie der Weg immer steiniger, der Boden immer unebener und die Umgebung immer leerer wurde. Wie der Weg zu einem Trampelpfad wurde. Und der Trampelpfad immer mehr verschwand. Unterholz. Herzlich willkommen im Wald. Bäume zogen rechts und links von mir auf. Sie kamen näher. Es wurde dichter. Und irgendwo wusste ich, dass ich definitiv nicht wieder hier raus finden würde. Doch diese Erkenntnis poppte in meinem Kopf nicht auf. Sie blieb aus. Und ich lief weiter. In den Wald. Durch den Wald. An Bäumen vorbei, über Baumstämme. Über Moos, an Pilzen vorbei. Giftige, ungiftige. Einfach gerade aus.


New Life - Ein Neuanfang (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt