Kapitel 30 - Eine Heikle Angelegenheit
Lillys Sicht
Das nächste Mal, als ich es wieder wagte über den Rand des Fasses zu sehen, waren wir schon längst aus der Gefahrenzone hinausgekommen. Die Orks hatten wir vorerst abgehängt, doch dafür war die Kälte zu unserem größten Feind geworden. Unsere Fässer schwammen nun in seichterem Gewässer und die Strömung trieb uns, wenn sie auch nicht mehr so stark war, trotzdem voran. Ich war patsch nass und fror so stark dass, meine Zähne laut klappernd aufeinander schlugen. Doch nicht nur ich war an der Grenze des Erfrierens. Bilbo neben mir war kreidebleich und hatte blaue Lippen, die heftig hin und her zitterten. Wenn wir nur nicht bis zur Hüfte im kalten Wasser sitzen würden wäre es vielleicht ein Bisschen erträglicher.
„Ist jemand hinter uns?", brüllte einer der Zwerge von vorne.
Ich drehte mich in dem Fass um. Da Bilbo und ich die letzten in der langen Fässerschlange waren ließ meinen Blick über die Ufer rechts und links des Flusses gleiten, doch es schien alles ruhig. Nichts bewegte sich im Schatten der Bäume.
„Soweit ich sehe nicht", rief ich so laut es mir möglich war zurück, denn das Klappern meiner Zähne dämpfte die Worte.
„Alle zum Ufer", ertönte kurz darauf Thorins Befehl.
Erleichtert seufzte ich auf und half Bilbo unser Fass auf das felsige Ufer zuzusteuern. Es war wie ein Segen, als ich meine tauben Glieder aus dem eisigen Wasser zog und über die Felsen ins Trockene stolperte.
„Oh man", murmelte ich erschöpft und pustete mir stark in die Hände. „Noch ein bisschen länger und wir hätten ernsthafte Schäden davon getragen"
Wankend ließ ich mich auf einem hohen Stein nieder und drehte meinen Körper der schwachen Herbstsonne entgegen, die mir nun trotzdem wie eine Heizung vorkam. Besorgt musterte ich meine nasse Kleidung. Ich war unterkühlt und erschöpft, was zusammen keine gute Kombination war. In dieser Kälte würde ich mir noch den Tod holen. Bibbernd legte ich mir die Arme um den Oberkörper und versuchte trotz Müdigkeit und Erschöpfung meine Körpertemperatur hochzutreiben. Ich hörte wie das Wasser zischend verdampfte, aber auch wie mein geringes Kraftreservoir sich immer mehr dem Ende zuneigte.
„Noch ein bisschen", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus und spürte immer mehr wie meine Kleidung trocken wurde. Nun vollkommen ausgelaugt legt ich den Kopf in den Nacken und atmete tief durch, doch es hatte sich gelohnt. Wenn ich mich jetzt noch ein bisschen ausruhen könnte, wäre ich wieder halbwegs fit und-
„Steht auf, wir müssen weiter" Thorins strenge Stimme zerschnitt die Luft. Er hatte sich als einziger nicht hingesetzt um sich auszuruhen, sondern musterte nur mit einem grimmigen Blick seine Männer. Entsetzt sah ich ihn an. Ich war viel zu erschöpft um jetzt meine strapazierten Gliedmaßen anzustrengen.
„Wir können nicht weiter. Kíli ist verletzt, sein Bein muss verbunden werden", ertönte Fílis Stimme. Ich sah zu dem Braunhaarigen, der versuchte sein vor Schmerzen angespanntes Gesicht, gelassen wirken zu lassen.
„Eine Orkmeute verfolgt uns, ihr habt zwei Minuten", gewährte Thorin ihnen mit finsterem aber besorgtem Blick auf seinen Neffen.
Ich sah zu Sarah, die sich von ihrem Stein erhob und auf Kíli zuging, als sich ein großer Körper neben mich plumpsen ließ.
„Alles in Ordnung bei dir?", fragte ich Mia und musterte sie leicht.
Sie nickte langsam. „Ja, ja", murmelte sie müde und machte eine lange Pause. „Abgesehen davon, dass ich mir den Arsch abfriere"
„Na dann pass mal auf", meinte ich grinsend und legte ihr die Hand auf die Schulter. Ein leises Zischen kündigte das verdampfende Wasser an, während ich nur hoffte, dass meine Kraft dafür reichen würde.
„Cool, seit wann kannst du denn sowas?" Fasziniert sah sie zu wie ihre Kleidung nach und nach trocken wurde.
Ich zuckte leicht keuchend mit den Schultern. Außer an mir selbst hatte ich es aber noch nie an einem anderen Menschen ausprobiert, als auch schon-
„Au", schrie Mia auf. Erschrocken zog ich die Hand von ihrem Arm. „Du hast mich verbrannt", erklärte sie mir und rieb über die gerötete Stelle
„Sorry", entschuldigte ich mich zerknirscht und sah sie verzeihend an, doch Mia hob nur die Hand.
„Ist doch nicht so schlimm", meinte sie und zwinkerte mir gutmütig zu, während sie an ihrer Kleidung zupfte. „Immerhin bin ich jetzt trocken"
„Ok", murmelte ich immer noch entschuldigend und lies mich rücklings auf dem Boden nieder. Es war abartig wie müde ich war und wenn es nach mir ginge könnte ich jetzt hier sofort auf der Stelle einschlafen.
„Du Lil?", fragte Mia plötzlich und stupste mich unangenehm in die Seite.
„Hm?", machte ich schläfrig und sah sie müde an, als mir ihr breites, schalkhaftes Grinsen auffiel. „Was?", fragte ich nun argwöhnisch und setzte mich auf. Dieses Grinsen gefiel mir ganz und gar nicht.
„Thorin sieht dich die ganze Zeit an", murmelte sie leise und wie von selbst schoss mein Kopf nach oben, doch als ich den Zwergenprinzen entdeckte, war er in ein Gespräch mit Dwalin vertieft. Verwirrt zog ich die Stirn kraus und als ich wieder auf Mias Blick traf grinste sie sogar noch breiter.
„Ich hab's gewusst", jauchzte sie. „Du stehst auf ihn"
Perplex sah ich sie an, klappte den Mund auf um ihr zu sagen, dass es nicht stimmte, dass sie mal besser den Mund halten sollte, bevor sie irgendwelche unwillkürlichen Theorien aufstellte, doch ich brachte keinen Ton heraus und so schloss ich ihn wieder.
„Siehst du", frohlockte Mia. „Du kannst es nicht einmal abstreiten"
„Ach und was ist mit dir", fuhr ich sie wütend an. „Bevor du mir romantische Gefühle vorwirfst, klär erst einmal deine eigenen ab"
Sogleich fühlte ich mich schuldig, dass ich sie so stark angefahren hatte. Tatsächlich war meine Reaktion leicht überspitzt gewesen und ich wusste auch warum ich mich so hatte provozieren lassen.
„Tut mir leid", entschuldigte ich mich nun schon zum zweiten Mal bei ihr. Mia nickte nur knapp, doch ihre Lippen waren ein dünner Strich. Sie war verletzt. „Ich meine, vielleicht hast du ja zu einem kleinen Teil recht", murmelte ich kleinlaut und als ich wieder zu Mia schaute hatte sie wieder dieses breite Grinsen im Gesicht. „Grins nicht so", grummelte ich verstimmt, als flehentliche Schreie unsere Unterhaltung unterbrachen.
Mein Blick schnellte zu Sarah, die keine zehn Meter weiter bei Kíli kniete und versuchte ihn davon abzuhalten aufzustehen. Der Braunhaarige jedoch ignorierte ihre Bitten und stand mit einem verbissenen Gesichtsausdruck auf.
„Mir geht es gut", knurrte er Sarah barsch an und schüttelte ihren Arm ab, der ihn stützen wollte. „Das ist nur eine kleine Wunde, die wieder heilen wird. Lass es einfach und hör auf dich um mich zu sorgen. Ich komme sehr gut alleine klar und brauche deine Hilfe nicht"
Sarah senkte verletzt den Kopf und ich sah Kíli empört hinter her.
„So kann er doch nicht mit ihr reden", fauchte ich und ging entschlossen auf Sarah zu, die so geknickt aussah, dass ich fast mitlitt.
„Hey", meinte ich sanft und legte ihr von hinten sachte den Arm auf die Schulter. „Du wirst sehe-"
„Sei ruhig", unterbrach mich Sarah barsch, bevor sie sich vor Wut schäumend zu mir umdrehte. „Das ist alles nur deine Schuld"
Verwirrt sah ich sie an. „Wie jetzt...aber warum?"
Sarah schien meine Frage zu überhören, denn in ihre Augen traten Zornestränen. „Du hattest kein Recht mich zurückzuhalten. Wie kannst du es wagen zu bestimmen was ich mache. Wie kannst du mich aufhalten, wenn ich es hätte verhindern können"
Langsam begriff ich worauf sie hinauswollte und ein schuldiges Gefühl machte sich in mir breit. „Es tut mir leid, ich wollte dich damit nicht kränken, sondern dich lediglich beschützen", versuchte ich ihr zu erklären und machte eine hilflose Geste mit der Hand.
„Mich beschützen", schnaubte Sarah verächtlich. „Damit rechtfertigst du wohl alles. Du kannst mir nicht befehlen was ich zu tun habe, das lasse ich mir von dir nicht mehr gefallen", sie schluchzte erschüttert auf. „Du kannst nicht einfach über mich bestimmen"
„Das möchte ich doch gar nicht", sagte ich behutsam, in dem Wissen, dass wir durch unsere Szene fast die gesamte Aufmerksamkeit der Truppe hatten.
„Doch genau das willst du. Du dominierst uns und kommandierst uns alle herum ohne jegliches Recht", schrie sie nun fast. „Hättest du mich gelassen, so wäre Kíli nicht angeschossen worden"
Jetzt ging sie mir aber entschieden zu weit. „Ich wollte dich schützen", sagte ich nun ebenfalls mit laut erhobener Stimme. „Du hättest nichts tun können, außer dich stark zu verletzen. Das wäre eine törichte, gefährliche und vor allem dumme Aktion gewesen"
Sarah sah mich nun trotzig an. „Ach ja? Wer ist den Thorin Hals über Kopf nachgestürzt um sein Leben zu retten, als er zwischen den Zähnen eines Orks hing? Oder wer hat sich über die Klippe geworfen um ihn vor dem tödlichen Absturz zu bewahren?" Ich spürte wie sich meine Wangen rosa färbten und sah aus dem Augenwinkel, wie sich Thorin beim Klang seines Namens zu uns umdrehte und begann der Situation zu folgen, doch Sarah hatte sich in Rage geredet. „Also du darfst deinen Liebsten retten, aber ich nicht?" Sie drehte auf dem Absatz um und rauschte von dannen.
Überfordert und ein wenig verloren stand ich nun da. „Was hatte sie denn?", fragte eine bekannte tiefe Stimme und Thorin trat in mein Blickfeld.
„Ich...nicht so wichtig", wehrte ich schnell ab und stürzte an ihm vorbei. Vor Scham hatte ich ihm einfach nicht in die Augen sehen können. Hoffentlich hatte er nicht das ganze Gespräch gehört. Ich stapfte in die entgegengesetzte Richtung von Sarah und ignorierte die hämischen Blicke von Dwalin und Glóin.
Frustriert ließ ich mich neben Sam plumpsen, der verärgert einen Riss in seiner Kleidung beäugte. Kurz sah er auf und musterte mich, bevor er seinen Blick wieder abwandte. „Das klang heftig gerade"
Ich nickte und sah zu, wie er einen losen Faden aus dem ausgefranstem Stoff zog. „Ja, kann man so sagen"
„Willst du reden?"
Ich schüttelte den Kopf. „Ach lass mal", murmelte ich müde. „Ich weiß, dass ihre Worte durch Frustration und Sorge geleitet wurden. Sie fängt sich schon wieder" Ich sah zu Sarah hinüber, die still neben Mia saß und auf ihre eindringlichen Worte nicht reagierte. „Hoffe ich zumindest", fügte ich noch in Gedanken hinzu. Sie hatte mich mehr verletzt als ich mir eingestehen wollte, denn ihre Vorwürfe taten mir weh.
Sam sah auf und machte den Mund auf, doch bevor er etwas sagen konnte erstarrte seine Miene. Verwirrt runzelte ich die Stirn, als plötzlich ein langer Schatten über mich fiel. Erschrocken drehte ich mich um. Eine große Gestalt verdeckte die wärmende Sonne und hielt einen großen Bogen auf Sam und mich gerichtet. Mit einem Hechtsprung war Sam auf den Beinen und zog mich gleichzeitig am Ärmel mit, als der Pfeil aus der Sehne des Bogens schnellte. Doch der Mann hatte nicht auf uns gezielt, sondern Thorin einen Stock aus der Hand geschossen. Mit einer schnellen, flüssigen Bewegung lag auch schon ein zweiter Pfeil in der Sehne, der sein Ziel in Kílis Hand fand. Der Stein krachte laut zu Boden und mit einer verblüfften Mine sah ich zu dem Schützen. Sein Auge und vor allem die Schnelligkeit seiner Reaktionen war überragend.(1 827 Wörter)
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Eine Reise Zum Erebor
FanfictionEine unerwartete Reise nach Mittelerde, Neue Kräfte, Gefahren, Kämpfe und Abenteuer, Bla Bla Bla... Von solchen Klapptexten hast du sicher schon Tausende gelesen und wahrscheinlich gibt es auch schon tausende Storys, die meiner sehr ähnlich sind. Do...