Kapitel 21 - Azog
Lillys Sicht
Kühle Luft schlug mir angenehm ins Gesicht, als ich die letzten Meter aus dem finsteren Tunnel, welcher uns nach draußen führte, überwunden hatte. Angenehm frische Luft.
Wir liefen noch ein Stück weiter, bevor wir im Schutz ein paar Bäume Deckung suchten und uns ausruhten. Sobald Thorin das Signal für eine kleine Pause gab, lag ich auch schon auf der Erde. Die Übelkeit drückte unangenehm in meinem Rachen, was sich eindeutig auf eine Überanstrengung zurückführen ließ. Meine Kehle brannte und ich wünschte mir eigentlich nur etwas zu trinken, doch der drang liegen zu bleiben war stärker. Ich schloss die Augen und versuchte den Drehschwindel abzuschütteln, der zusammen mit dem schmerzenden Rücken eine unangenehme Mischung erzeugte.
„Ist sie eigentlich bewusstlos oder schläft sie nur?", drang Mias besorgte Stimme zu mir durch. Ich öffnete einen kleinen Spaltbreit die Augen und erkannte, dass sie mit Sam neben mir stand.
„Schwer zu sagen", meinte Sam und beäugte mich etwas genauer.
„Sie ist wach", murrte ich genervt und schlug Sams Finger weg, mit dem er mich gerade anstupsen wollte.
„Meine Güte Lilly. Vielleicht schonst du lieber deine Stimme schonen", meinte Mia und verzog das Gesicht. „Du hörst dich echt nicht gut an"
Sam ließ sich neben mir nieder und begutachtete kritisch meinen Hals. „Das wird schon wieder", erklärte er beruhigend, nachdem er einen prüfenden Blick darauf geworfen hatte. „Du kannst ja schon wieder reden, also wird der Kehlkopf nicht geschädigt sein"
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, ich machte mir weniger Sorgen um mich, als um meine Freunde. Die beiden sahen auch ziemlich fertig aus und über Sams Wange verlief eine tiefe Schnittwunde. Außerdem war Sarah vermutlich noch immer in diesem verdammten Berg.
„Wie geht es euch?", fragte ich besorgt und hob die Hand um Sams Schnittwunde anzusehen. „Das scheint tief zu sein, du solltest zu Óin gehen"
„Genauso wie du, hm?" Mia hatte die Arme verschränkt und sah mich herausfordernd an. „Dieses Mal drückst du dich nicht. Ihr geht beide, dass das klar ist"
Ich sah zu Sam, der leicht die Augen verdrehte und sich wieder erhob. „Ich werde mir etwas zu trinken besorgen", verkündete er, ehe er auch schon wegging. Genervt seufzte Mia auf, ehe sie ihm hinterhereilte.
Ich versuchte ebenfalls aufzusetzen, was mir aber nur dröhnende Kopfschmerzen brachte und als ich sah, dass Óin sowieso zu mir herüberkam, blieb ich lieber sitzen.
„Wie geht es Euch?", fragte er und ich setzte mich nun doch schwerfällig auf.
„Ganz gut", log ich und ignorierte den brennenden Schmerz.
„Meine Liebe, wenn Ihr Lügen wollt, dann bitte ich Euch, gebt Euch beim nächsten Mal ein bisschen mehr Mühe" Óin sah mich ernst an, ehe er aufstand und seine Tasche näher zu sich heranzog. „Also zeigt mir Eure Verletzungen, dann kann ich sie behandeln"
Geschlagen seufzend drehte ich mich um und zog das Shirt hoch, sodass der ganze Bereich des unteren Rückens frei lag.
„Wie lautet Eure Diagnose?", fragte Óin und fuhr sacht mit den Fingern über die geschädigten Stellen um sie genauer zu untersuchen. Ich sagte nichts, sondern warf dem Zwerg über die Schulter einen prüfenden Blick zu. Óin war erfahren genug um seinen Patienten nicht zu zeigen ob er sich Sorgen machte oder nicht.
„Ich weiß nicht", fing ich zögerlich an und beobachtete ihn weiter aus dem Augenwinkel. „Nichts allzu Schlimmes nehme ich an, da ich keine tiefen Wunden oder Knochenbrüche fühle. Ich glaube auch nicht, dass die Nerven geschädigt sind. Ich tippe auf eine Oberflächliche Schürfwunde und etwas schwerere Prellungen und eventuell Verstauchungen"
Óin brummte zustimmend. „Ich stimme Euch vollkommen zu, dennoch ist der Anblick nicht der Schönste"
„Das wird verheilen, wahrscheinlich sieht es schlimmer aus, als es wirklich ist"
„Nun, Ihr müsst wahrscheinlich ein paar Nächte auf dem Bauch verbringen. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte ich Euch auch geraten unnötige Anstrengungen bleiben zu lassen, doch in unserer Lage ist das nicht der beste Rat, den ich auf Lager habe" Er griff in seine Tasche und holte einen kleinen Behälter mit einer angenehm kühlen Salbe hervor. „Dennoch achtet ein bisschen auf Euch und fordert Eure Gegner nicht unnötig heraus. Euer ganzer Rücken ist geschwollen und blau"
„Ihr meint ich habe mich lächerlich gemacht", hakte ich nach.
„Das habe ich nicht gesagt", wiedersprach der alte Zwerg. „Es war eine törichte Aktion, ja, aber Ihr habt Eure Treue bewiesen"
Darauf schwieg ich und wartete geduldig bis Óin mit seiner Behandlung fertig war. Die Salbe betäubte angenehm die Schmerzen und als der alte Zwerg aufstand fühlte ich mich schon viel besser.
„Danke", sagte ich und richtete mein Oberteil wieder.
„Keine Ursache" Óin drückte mir den Behälter mit der Salbe in die Hand. „Die werdet Ihr brauchen, wenn Euer Rücken wieder zu schmerzen anfängt"
Dankend nickte ich und verstaute die Salbe in meiner Tasche. „Ich muss doch dieses Mal keine Nebenwirkungen fürchten, oder?", fragte ich und erinnerte mich daran, was das letzte Mal passiert war.
Óin schüttelte beruhigend den Kopf. „Nein, wenn Ihr sie nicht zu oft anwendet, dann kann sie Gewebeschädigend wirken. Ansonsten habt Ihr aber nichts zu befürchten" Er deutete eine kleine Verbeugung an, bevor er zu Sam eilte, um seine Schnittwunde an der Wange zu untersuchen.
Vorsichtig erhob ich mich und erwartete sogleich mit Übelkeit oder Schwindel rechnen zu müssen, doch beides blieb aus. Die Salbe wirkte mehr als nur gut. Gerade wollte ich mir nun ebenfalls etwas zu trinken holen, als Gandalfs Stimme laut zu mir herüber schallte.
„Wo ist unser Hobbit? Wo ist Bilbo...und Sarah?!"
Ich runzelte verwirrt die Stirn. Hatte der Zauberer das Fehlen der beiden wirklich nicht mitbekommen? Das war ja schon eine reife Leistung, nachdem Kíli einen solchen Aufstand wegen Sarah verursacht hatte.
„Was ist genau passiert? Wo habt ihr die beiden zuletzt gesehen?"
„Ich sage dir was passiert ist", ergriff Thorin mit lauter Stimme das Wort. „Meister Beutlin hat die Gelegenheit erkannt und hat sie ergriffen. Er ist geflohen und Sarah mit ihm. Seit er aus seiner Tür hinaus ist, hat er doch nur an sein warmes Bett und an sein gemütliches Feuer gedacht. Und auch Sarah wollte von Anfang an nicht mit. Sie und Bilbo wurden beide überredet. Wir werden diese Halblinge nicht wieder sehen"
„Sag mal, was redest du denn da?", fragte ich erzürnt und sah fassungslos zu Thorin, der einen verbissenen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. „Meinst du etwa, sie hätten uns im Stich gelassen?"
„Sie sind fort, schon längst", wiedersprach ihm Thorin und verschränkte die Arme.
„Nein, sind sie nicht", kam es plötzlich von hinten. Alle drehten sich um und ich reckte den Kopf. Bilbo und Sarah standen Schulter an Schulter. Niemand hatte bemerkt wie sie zu uns herangekommen waren. Ein erfreutes Gemurmel ging durch die Zwerge und ich seufzte erleichtert auf. Ihnen ging es gut
„Wir hatten euch schon aufgegeben", meinte Fíli und grinste. „Wie seid ihr denn an den Orks vorbeigekommen?"
Glóin verengte die Augen zu Schlitzen „Gute Frage", knurrte er argwöhnisch und setzte einen mürrischen Gesichtsausdruck auf. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn Sarah und Bilbo nicht wieder gekommen wären.
„Och, wir haben einen anderen Weg genommen", grinste Sarah Bilbo zu und lächelte breit in die Runde.
„Ach ja und welchen?", fragte Dwalin misstrauisch und verschränkte seine Arme vor der Brust, während auch die anderen Zwerge alle neugierig ihre Lauscher aufsperrten.
„Was spielt dass für eine Rolle? Sie sind wieder hier", unterbrach Gandalf das unangenehme Schweigen. Ich warf einen Blick zu Sarah und erkannte, dass sie ebenfalls wusste, dass der Zauberer ihnen gerade den Hals gerettet hatte.
Die anderen Zwerge stimmten murmelnd bei, doch Thorin ließ nicht locker „Es spielt eine Rolle", rief er aufgebracht. „Ich will es wissen, wieso seid ihr wieder hier?"
Manchmal konnte dieser Zwerg schon ziemlich schwer von Begriff sein „Sie wollen einfach helfen eure Heimat wieder zurückzubekommen", sagte ich so nachdrücklich ich konnte. „Was denkst du, warum auch Mia, Sam und ich dabei sind? Weil wir gerne von Orks gejagt werden? Gerne in kalten Höhlen und auf dem harten Boden schlafen? Wenig zum Essen haben und keine saubere Kleidung? Nein, ganz bestimmt nicht. Wie sind dabei, weil wir an deine Mission glauben"
Bilbo sah mich dankend an, bevor er mir zustimmte. „Du hast Recht Thorin. Ich denke oft an Beutelsend. An meinen Sessel und an den Garten, denn das ist Heimat...und genau das ist auch der Grund warum ich euch helfen will. Weil ihr das nicht habt, ihr habt keine Heimat und ich will euch helfen eine zu finden"
Ich lächelte, als ich die Worte des Hobbits vernahm, als ein langgezogenes Heulen ertönte. Warge! Also waren auch die Orks nicht weit. Sie waren uns auf den Fersen, wir mussten sofort weiter. Die anderen schienen gleich zu denken, denn alle hasteten los um das wenige zu holen, was sie hatten liegen lassen.
Ich packte meine Tasche und hievte sie auf meine Schulter, möglichst so, dass sie nicht die Wunde stelle berührte, als plötzlich Thorin vor mir stand. „Geht es dir gut genug um zu rennen?", fragte er und musterte mich knapp.
„Es wird schon gehen"
Thorin zog ungläubig eine Augenbraue nach oben. „Bist du dir sicher, dein Rücken sieht nicht sehr gut aus"
„Hast du etwa zugesehen?", fragte ich teils sauer, teils beschämt.
„Ich muss wissen wie es meinen Leuten geht um einschätzen zu können, was wir im Notfall für Chancen haben", erklärte Thorin geduldig.
„Dann frag halt nach", platzte ich unverhohlen heraus. „Aber schau nicht einfach zu"
Thorin holte tief Luft, bevor er wieder zu sprechen begann. „Ich frage dich jetzt noch einmal: Schaffst du das?"
„Ja ich denke schon", sagte ich leicht zerknirscht. „Óin hat mir eine Salbe gegeben, die die Schmerzen eine Weile unterdrückt"
Immer noch nicht wirklich überzeugt nickte Thorin schließlich und ließ mich allein. Verschämt drehte ich mich um und schlug peinlich berührt die Hände vor das Gesicht. Warum hatte ich mich denn so aufgeregt. Es war ein Rücken von dem ich sprach. Keine intime oder peinliche Stelle. Alles was er gesehen hatte war mein Rücken gewesen, nichts Weiteres. Und noch nicht einmal den Ganzen, also warum hatte ich dann so ein Problem damit?
Vielleicht, weil er dadurch gesehen hatte, dass ich verletzlich war. Aber das war auch vollkommener Schwachsinn, immerhin hatte ich auf dieser Reise schon viel Schlimmeres abgekriegt.
Ein weiteres Heulen ließ mich aufschrecken. „Lauft", brüllte Gandalf. Als das Heulen immer näher kam.
Nun, das brauchte er mir nicht zweimal sagen. Ich nahm die Beine in die Hand uns sprintete hinter den anderen her, die sich schon daran machten den flachen Abhang hinunterzurennen.
„Was ist denn jetzt eigentlich mit dir passiert?", fragte ich Sarah, die gerade zu mir aufgeschlossen hatte.
Sie schmunzelte nur. „Dasselbe könnte ich dich fragen. Mia hat mir gerade schon von deinem losen Mundwerkerzählt", meinte sie, was mich die Augen verdrehen ließ. Typisch Mia. Wer hatte denn hier bitte das lose Mundwerk? „Aber wenn du es wissen willst...ich habe mit Gollum Bekanntschaft gemacht"
„Schön, ich mit dem Boden", erwiderte ich und sah wie Sarah etwas Lachen musste. „Des Öfteren"
„Ist nicht zu übersehen"
Danach blieb uns nicht mehr viel Zeit zum Reden, denn wie so oft in dieser Zeit rannten wir um unser Leben. Ich wusste, dass sich das mehr als nur Paradox anhörte, doch so war es nun mal. Schon nach ein paar Minuten war die Kraft, die ich während unseres kurzen Stopps gesammelt hatte aufgebraucht. Was folgten waren die üblichen Symptome: Atemnot, Seitenstechen, brennende Lungen, Übelkeit und auch die Schmerzen im Rücken kamen zurück. Tja, ich wollte mich nicht selbst bemitleiden, doch so dramatisch es auch klang, ich könnte es nicht ändern. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis wir uns endlich verlangsamten, aber nicht weil wir unseren Verfolgern entflohen waren, sondern, weil es nicht mehr weiterging. Wir stürmten aus einem Kiefernwald heraus und standen nun auf einer Klippe, an deren Ende sich drei einzelne Kiefern befanden.
Sackgasse!
„Schnell auf die Bäume" Gandalf deutete auf die Kiefern.
Eine andere Möglichkeit blieb uns auch nicht und so sprangen die Zwerge in die Höhe und versuchten an die unteren Äste zu kommen, wobei Mia und Sam nun deutlich in ihrem Element waren, da sie mit ihrer Größe fast überall hinkamen. Flink und elegant hatten sie sich nach oben geschwungen und halfen nun den Zwergen sich nach oben zu ziehen. Ich nahm Anlauf, bevor ich absprang und mich an den untersten Ast, der mittleren Kiefer klammerte. Der Versuch mich nach oben zu ziehen, schlug fehl. Ich war bei weitem nicht schwach, doch mit einem Klimmzug war ich mehr als nur überfordert. Warum hatte ich mir auch den Baum aussuchen müssen auf dem keine hilfsbereite Mia oder kein hilfsbereiter Sam saß.
„Geh zur Seite" Ich erkannte Thorins raue Stimme, bevor er mich von dem Ast wegzog und sich selbst hinauf schwang. Bei ihm sah es so mühelos aus, dass ich mich schämte es nicht selbst geschafft zu haben. Er beugte sich zu mir hinab und packte mich bei den Schultern, ehe er mich zu sich hinauf zog.
„Klettere nach oben zur Spitze", sagte Thorin und sah mich eindringlich an. „Dort werden sie nicht an dich herankommen"
Ich nickte und griff nach dem nächsten Ast, bevor ich meinen Fuß ebenfalls auf den Nächsthöheren stellte und mich nach oben zog. Als ich endlich weit genug oben war lehnte ich mich erschöpft gegen den dünnen Baumstamm und atmete tief durch. Gerade jetzt hätte ich nichts dagegen in meine Welt zurückkatapultiert zu werden und mir eine Wellness-Behandlung zu unterziehen.
„Sie kommen", brüllte Thorin warnend, der einen Ast links von mir saß.
Mit einem mulmigen Gefühl sah ich in die Richtung, in der die Geräusche von unseren Verfolgern immer lauter wurden, als sie auch schon zwischen den Bäumen hervorstürzten. Und es waren viele. Die Warge umkreisten unsere Bäume und sprangen an den Stämmen nach oben um an uns heranzukommen. Jetzt verstand ich auch was Thorin damit meinte, als er sagte ganz oben würden sie mich nicht erreichen. Das war zumindest ein kleiner Trost, da der ganze Baum durch die Warge erzitterte.
„Azog", flüsterte Thorin neben mir hasserfüllt. Ich folgte seinem Blick und sah den bleichen Ork auf seinem weißen Warg. Er musterte ihn ungläubig, als könnte er seinen eignen Augen nicht trauen und ich merkte wie er sich anspannte.
„Thorin?", fragte ich vorsichtig, doch der Zwerg schien mich nicht zu hören. Ein grimmiger Ausdruck trat auf sein Gesicht. Er hatte seinen Widersacher ganz und gar ins Visier genommen.
„Also ich finde ja, Azog sieht aus wie eine Leiche, die ein bisschen zu lange im Wasser gelegen ist. So bleich wie der ist, kann man fast meinen, der wäre ersoffen", schallte Sams Stimme zu mir hinüber, der auf dem Baum hinter mir saß.
„Tja, es interessiert nur niemanden, was du findest", erklärte ihm Mia scharf, welche ein bisschen blass um die Nase war.
Ich schmunzelte, als ein erneuter Schlag den ganzen Baum erzittern ließ. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, oder hinunterzufallen, klammerte ich mich an ein paar der Äste und hoffte, dass unser Baum den Angriffen der Warge standhielt. Es kamen immer mehr und sprangen und bissen so wild um sich, dass ich mich wunderte, dass sie keinen ihrer eigenen Artgenossen erwischten. Doch je mehr von ihnen sich gegen die Stämme warfen, desto schwieriger wurde es, sich auf den Bäumen zu halten. Die Kiefern knarzten beängstigend und ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der erste Baum fallen würde. Kontinuierlich wurden wir durchgeschüttelt und hatten Mühe uns auf den Bäumen zu halten um nicht zu der jaulenden Meute hinunter zu fallen. Ein heftiges Krachen schallte durch die Luft und wie erstarrt schaute ich die Kiefer vor uns an, die sich erst langsam, aber immer schneller werdend auf uns zubewegte. Wie bei einem Domino krachte der erste Baum auf unseren, den zweiten, welcher nun den dritten Richtung Erde riss.
„Spring", hörte ich Thorin schreien und auch wenn mir das Herz bis zum Halse schlug, erkannte ich, dass er es ernst meinte. Ich kniff die Augen zusammen und während die Kiefer immer weiter in Richtung Boden sauste, holte ich tief Luft, bevor ich mich entschlossen von meinem Ast abdrückte. Ich streckte die Hände aus und versuchte in den ganzen Ästen halt zu finden, welche mir Gesicht und Arme verkratzten. Schwer atmend bekam ich einen dünneren Ast zu fassen, der mein Gewicht jedoch halten sollte. Ich spürte, wie mir etwas über die Stirn lief und tastete danach. Meine Finger berührten einen brennenden Kratzer, der seitlich am Haaransatz verlief.
„Autsch", murmelte ich und wischte meine Finger notdürftig an meinem sowieso schon dreckigen Oberteil ab. Denn es war egal, ob jetzt zu Dreck, Erde, Orkschleim, Orkmist und Grasflecken auch noch Blut dazukam.
Ein erneutes Beben warf mich fast von meinem Ast und ich klammerte mich wieder an der Kiefer fest.
Das spöttische Lächeln des weißen Orks, über die Verzweiflung, die in unserer Gemeinschaft herrschte, ließ eine unbekannte Wut in mir aufsteigen. Wütend erhob ich mich von meinem Ast, als mich eine Hand an der Schulter packte und mich energisch wieder zurückdrückte.
„Du rennst dabei in den sicheren Tod", knurrte Thorin und sah mich eindringlich an.
„Lasst mich los", ich befreite mich von seiner Hand. „Lass mich sein elendes Grinsen von seinem Gesicht brennen"
Thorin schmunzelte leicht und nickte mit dem Kopf in Richtung Gandalf. „Dann mach es so wie er"
Irritiert blickte ich ebenfalls zu dem Zauberer und sah, wie er Kiefernzapfen in Brand steckte und sie weiter warf. Die Zwerge entflammten ebenfalls Zapfen, die es reichlich an den Ästen der Kiefern gab, und schleuderten sie auf unsere Angreifer. Die Dinger schlugen ein wie Bomben, explodierten mit einer großen Stichflamme.
„Na gut" Zustimmend nickte ich und ballte die Hand. Das letzte Mal, als ich versucht hatte meine Kraft zu nutzen, kam mir schon wie eine Ewigkeit vor und trotz der Erschöpfung genoss ich die Energie, die damit verbunden war. Lächelnd ließ ich drei der Flammen um meine Hand tanzen, ehe ich mir ein Opfer ausgesucht hatte. Mit einem kleinen Winken meiner Hand schossen die Flammen wie züngelnde Speere auf den Warg zu. Das verbrannte Fell qualmte und das Tier fing an sich auf dem Boden zu wälzen um die Flammen zu ersticken, bevor es den Schwanz einzog und jaulend davon raste. Mit einer erneuten Handbewegung schwirrten sie durch die Luft, bis sie den nächsten erreichten. Es war beeindruckend, wie man da auf einem Baum saß und auf das Flammenmeer unter sich starrte. Die Warge hatten anscheinend Angst vor dem Feuer, oder zumindest wollten sie ihm nicht zu nahe kommen. Sie zogen laut jaulend ab und die Zwerge feierten siegesgewiss auf ihren Ästen. Die Gefahr war jedoch noch nicht gebannt. Azog und eine Menge seiner Orks warteten noch unter uns, außer Reichweite des Feuers. Ich bewegte leicht die Hand und wollte meine Flammen in Richtung des weißen Orks lenken, als ich merkte, dass es immer schwieriger wurde, die Energie, die das Feuer verbrauchte aufrecht zu erhalten. Schweiß trat mir auf die Stirn, als die Flammen auf Azog zu sausten. Der weiße Ork fletschte die Zähne und beugte sich auf seinem Warg nach vorne um mir hasserfüllt in die Augen zu sehen. Siegessicher sah ich zu, wie meine Flammen ihm immer näher kamen, als mir auffiel, dass sie immer kleiner wurden. Ein spöttisches Lächeln erschien auf Azogs Gesicht, als die Flammen einige Meter vor ihm verpufften. Schwer atmend ballte ich die Hände zu Fäusten, bevor ich mich noch einmal zusammenriss und eine Stichflamme aus meiner Handfläche hervorschießen ließ. Trotzig starrte ich den Ork an, er sollte wissen, dass auch wenn ich gescheitert war, es noch immer konnte. Die Kraft würde schnell zurückkehren. Schneller, als er vielleicht dachte.
Ein lautes Krachen ließ mich zusammen zucken, als der Baum sich plötzlich in Richtung Abgrund hinunter bewegte. Das Feuer hatte dem Stamm wohl ziemlich zugesetzt. Der ganze Baum kippte und hing nun horizontal, nur noch von ein paar Wurzeln gehalten, an der Klippe. Ich hörte es laut kreischen und sah wie sich Sarah verzweifelt an Kílis Arm festklammerte und ansonsten völlig frei über dem Abgrund hing. Kíli selbst hing auch nur noch mit seinen beiden Beinen an dem Ast, aber wollte sie auf keinen Fall loslassen.
„Kíli", schrie Sarah angsterfüllt auf, als ihre Hände immer weiter abrutschten.
„Nein!" Kíli brüllte am lautesten von uns allen, als Sarah mit einem lauten Aufschrei in der Tiefe verschwand.
Mit vor entsetzten geweiteten Augen starrte ich auf die Stelle, an der sie gerade eben noch war. Mein Atem beschleunigte sich und irgendetwas fiel tief in meine Magengrube. Schmerzerfüllt schloss ich die Augen, bevor ich sie ungläubig wieder öffnete. Das war nicht wahr. Um meine Fassung ringend lugte ich vorsichtig in den Abgrund und was ich da sah, ließ mein Herz vor Erleichterung die Hose rutschen. Bilbo hatte sie abgefangen. Sie hing zwar über dem Abgrund und hielt den Hobbit nur an einer Hand fest, doch sie war nicht...Bei diesem Gedanken lief mir ein kalter Schauder über den Rücken.
Ich sah zur Seite und bemerkte, wie auch Thorin, Sarahs Fall beobachtet hatte. Er musterte die verzweifelte Lage seiner Gefährten, bevor er seinen Blick wieder Azog zuwandte.
Auf sein Gesicht trat ein entschlossener Ausdruck, während sie sich hasserfüllt in die Augen sahen. Gelb in Blau!
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Eine Reise Zum Erebor
Fiksyen PeminatEine unerwartete Reise nach Mittelerde, Neue Kräfte, Gefahren, Kämpfe und Abenteuer, Bla Bla Bla... Von solchen Klapptexten hast du sicher schon Tausende gelesen und wahrscheinlich gibt es auch schon tausende Storys, die meiner sehr ähnlich sind. Do...