53. Der Krieg Beginnt

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53. Der Krieg Beginnt

Lillys Sicht

„Lilly, Lilly?" Sam rüttelte mich sanft an der Schulter und sah mich besorgt an. „Geht es dir gut?"
Verwirrt runzelte ich die Stirn, während ich versuchte all das zu ordnen, was sich abgespielt hatte. Wie in einem Traum war alles an mir vorbeigeglitten. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich von der Mauer hinuntergekommen war, nur dass ich von Mia und Sam in Empfang genommen wurde und an Thorins Blick, den er mir zugeworfen hatte, als Sarah mich von ihm weggezogen hatte. Langsam hob ich die Hand zu meiner Wange und blinzelte...es kam mir alles vor wie ein Albtraum, wie ein schlechter Witz und das jetzt ohne klischeehaft klingen zu wollen.
„Wie sehe ich aus?", fragte ich anstatt einer Antwort und fuhr noch einmal über meine Wange. Dass er mich geschlagen hatte schmerzte mich immer mehr, je länger ich mit seinem Mal im Gesicht herumlaufen musste. Es war nicht die Schwellung, die mich so quälte, sondern die Demütigung, die sich dahinter verbarg und mein Scheitern aller Welt zeigte.
Mia kniete sich vor mir nieder und sah mich behutsam an. „Willst du das wirklich sehen?"
Ich nickte und starrte an ihr vorbei, die Mauer an. Ich konnte Thorin sehen, wie er mit Gandalf sprach, undeutliche Worte, die ich nicht verstand, nicht verstehen wollte. Mein Blut rauschte mir noch viel zu sehr in den Ohren und erneut traten mir die Tränen in die Augen. Was hatte ich nicht alles getan, dass er sich besann, hatte ich es wirklich verdient, dass ich mich zum Schluss selbst erniedrigte?
„Lilly?", zog Mia sanft meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Sie hielt mir ihr Schwert mit der Breitseite entgegen und ich konnte auf dem glänzenden Metall einen kleinen Ausschnitt meines Spiegelbildes entdecken. Das erste, was mir entgegenblickten waren meine Augen, sie starrten mich leer und leblos an, dunkel überschattet und mit tiefen Rändern. 'Fast so wie die Thorins', schoss es mir blitzschnell durch den Kopf und ich sah mir selbst zu, wie ich schmerzvoll die Augen aufriss. Schnell schüttelte ich den Kopf um den Gedanken loszuwerden und drehte die Klinge so, dass ich die Unterseite meines Gesichts betrachten konnte. Es war nicht zu leugnen, dass es nicht schön aussah. Schon nach dieser kurzen Zeit, hatte sich ein unschöner blauer Bluterguss gebildet, der leuchtend an meinem Kiefer prangte und zusammen mit der geplatzten Lippe ein gehärmtes Bild abgab.
„Danke", sagte ich tonlos und reichte Mia ihr Schwert ohne sie anzusehen. Ich wollte das Mitleid, mit dem sie mich betrachteten nicht sehen. Sie meinten es alle gut, das wusste ich, doch fühlte ich mich schon so gebrandmarkt, dass ich ihre Blicke nicht ertrug.
„Lilly, das bedeutet nicht den Weltuntergang", Mia legte mir sanft ihre Hand auf die Schulter und begann beruhigende Kreise mit dem Daumen zu ziehen.
„Doch tut es", murmelte ich und starrte weiterhin mit leerem Blick zum Berg. „Genau das tut es"
„Ich will damit doch nur sagen", fing Mia erneut an. „dass es vorbei geht. Es wird alles wie-"
Ich unterbrach sie und funkelte sie zornig an. „Wenn du mir jetzt sagen willst, dass alles wieder gut wird, dann erklär mir mal wie das laufen soll"
„Lilly, ich...wir wollen-"
„Ich will Krieg" Der laute donnernde Schrei, der Mias Worte übertönt hatte, war unverkennbar der Thorins gewesen.
Zitternd wanderte mein Blick zum Berg. „Ja, erklär mir, wie du dir das vorstellst"
„Lilly", setzte Mia abermals an, doch sie brach abrupt ab. „Was zum Teufel?"
Verwirrt sah ich sie an. „Was?" Ich folgte ihrem Blick und sah zu Boden. Kleine Kiesel hüpften und zitterten über der gefrorenen Erde und langsam konnte auch ich das Beben der Erde spüren. „Was ist das?"
„Besser gesagt, wer kommt da?" Sam deutete zum Horizont. Zuerst konnte ich vor dem grauen Hintergrund nichts erkennen, doch langsam sah ich wie sich auf der Erhöhung tausende von spitzen Speerspitzen abbildeten.
„Sind das...sind das Zwerge?" Mia sah so aus als würde sie ihren Augen nicht trauen. „Tatsächlich"
„Oh nein" Ich biss mir auf die Lippe. Nun war mir bewusst, warum Thorin so streitlustig war. Er hatte gewusst, dass ein Zwergenheer ihm den Rücken stärken würde. Er war nicht auf den Deal eingegangen, weil er die Möglichkeit hatte sich durchzusetzen. Und sei es selbst mit dem Blut seiner Brüder und Landsmänner.
Thranduil brüllte irgendwelche elbische Befehle, während er selbst mit seinem Hirsch durch das Heer preschte um sich wieder an die Spitze seiner Streitmacht zu stellen. Die Elben wandten sich vom Berg ab und marschierten nun auf den Feind zu. Reihe um Reihe kleiner, jedoch zäher Zwerge kam den Hügelkamm herab.
„Das sind ja ganz schön viele", murmelte Sam und wandte sich an Mia. „Vielleicht wäre es besser wenn wir Lilly nach Thal bringen würden"
„Nein", fauchte ich und stemmte mir die Hände in die Hüften. „Sprich nie wieder so mit mir, als ob ich nicht da wäre und dass das allemal klar ist", ich machte eine Pause und holte tief Luft. „Ich lasse niemanden für mich entscheiden" Entschlossen sah ich meine Freunde an. „Wir werden uns aus diesem Gefecht nicht heraushalten und nun...kann mir einer von euch sagen, wer dieser Hornochse ist?" 
„Das ist Dáin Eisenfuß, der Herr der Eisenberge und Thorins Vetter" Ich wirbelte herum. Gandalf, gefolgt von Bilbo kam im Eilschritt auf uns zu und auf seinem Gesicht war sein nur allzu bekannter ernster Ausdruck verankert. Der graue Zauberer ließ seinen Blick kurz über mein Gesicht wandern, ehe er auch schon höflicher Weise den Blick abwandte.
„Sind sie sich ähnlich?", fragte der Hobbit nach, der genauso schlecht aussah, wie ich mich fühlte.
„Naja, für mich war Thorin immer der Vernünftigere von beiden"
Betrübt dachte ich darüber nach ob das Präteritum in seinem Satz gewollt war. Ich musterte den rothaarigen Zwerg und musste sogar leicht über sein Reittier schmunzeln. Das Schweinchen grunzte und hielt den gepanzerten Kopf hoch erhoben, während sein „Herrchen" den schweren Hammer fest in Händen hielt und seinen Truppen vorneweg dem Elbenheer entgegen ritt. Auf einer kleinen, felsigen Anhöhe machte er halt und wie auf Kommando hielt das Zwergenheer an.
„Guten Morgen, wie geht's uns allerseits?", fing der Dáin an und ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Die Worte des Zwerges, passten überhaupt nicht zu seiner aggressiven Haltung.
„Warum ist er denn so freundlich", sprach Mia meine Frage aus, doch Sam schüttelte nur den Kopf.
„Ist er nicht"
„Ich hätte einen kleinen Vorschlag zu machen, wenn ihr mir einen Augenblick eurer Zeit schenken würdet", fuhr Dáin fort und lehnte sich in seinem Sattel weit nach vorne. „Wärt ihr so freundlich", er holte tief Luft und erhob die Stimme. „und verschwindet von hier. Ihr alle und zwar sofort!"
Reflexartig stolperten die Menschen aufgrund des heftigen und vor allem lauten Ausbruchs ein paar Schritte zurück. Ich wusste nicht ob Dáin aus Wahnsinn oder Eifer und Treue zu Thorin und seinem Volk sprach, doch eines wusste ich mit Sicherheit. Wenn es jemals zuvor eine Chance auf eine friedliche Lösung gegeben hatte, so war diese nun völlig zunichte gemacht worden.
„Aber nicht doch, Fürst Dáin" Gandalf hatte sich unbemerkt von uns entfernt und trat nun vor dem ganzen Zwergenheer aus dem Schatten des Elbenheeres, während er unter seinem Hut zu dem Zwerg hinauf schielte.
„Gandalf der Graue", stellte Dáin fest. „Sagt diesem Gesindel es soll verschwinden. Sonst tränke ich den Boden mit ihrem Blut!"
„Ein Krieg zwischen Zwergen, Menschen und Elben ist unnötig. Ein Heer von Orks hält auf den Berg zu. Haltet Eure Streitmacht zurück", versuchte Gandalf diplomatisch zu vermitteln, doch ich wusste es besser. Mit Diplomatie kam man hier nicht weiter. Hier ging es nicht nur um einen Krieg, dessen belanglose Ursachen irgendwo in der Vergangenheit aufzufinden waren. Hier ging es um zwei zutiefst in Ehre und Stolz gekränkte Völker, deren Hass Generationen überdauert hatte und noch weitere überstehen wird.
Daíns Augen waren nun zu Schlitzen verengt und sein grimmiger Blick wanderte von Gandalf weiter zu Thranduil. „Vor Elben halte ich überhaupt nichts zurück und schon gar nicht vor diesem ehrlosen Waldlandkobold" Er deutete mit seinem Hammer auf den Elbenkönig. „Er wünscht sich nur das Schlechteste für mein Volk und sollte er sich zwischen mich und meine Sippe stellen, dann spalte ich ihm seinen hübschen Schädel. Mal sehen ob er dann immer noch so fein lächelt"
„Er ist ebenso irrsinnig wie sein Fetter" Unter Thranduils kühler Maske und seiner monotonen Stimme konnte ich einen Hauch von Ärger entdecken.
Ich hatte es gewusst. Die beiden gingen lieber ihren Streitereien nach, anstatt dem wahren Feind ins Auge zu blicken, doch ich hatte es schon gesagt. Mit Diplomatie kam man hier nicht weiter.
„Hört, hört. Es geht los. Verpassen wir den Kerlen eine ordentliche Abreibung" Dáin gab seinem Schwein die Sporen und mir einem Grunzen setzte es sich in Bewegung. Er galoppierte die Reihen seiner Kämpfer entlang und das Geheul, das die Zwerge anstimmten ließ sogar den Boden beben.
Ich schluckte und stellte entsetzt fest das nicht einmal der Boden sosehr bebte wie ich. „Naja, sehen wir's mal positiv. Schlimmer kann's nun auch nicht mehr werden", murmelte ich niedergeschlagen und sah Dáins Heer zu, wie es die Anhöhe hinabrannte.
„Das du das Schicksal auch noch herausfordern musst" Mia war weiß geworden.
Ich runzelte verwirrt die Stirn „Was...?", mir blieben die Worte im Hals stecken, als die Erde erneut erschüttert wurde. Ein Krachen ertönte und mit einem Knall brach etwas Riesiges aus den steinernen Hängen gegenüber dem Berg. Etwas, das so ähnlich aussah wie ein übergroßer Wurm kreischte markerschütternd und Felsbrocken, so groß wie ein Kleinwagen wurden durch die Luft geschleudert. Ich spannte die Muskeln an, bereit mich dem Angriff dieser Viecher zu stellen, als sie wieder in die Erde abtauchten. Einen Moment lang herrschte eine bedrückende Stimme, bevor ein lautes Geheul anhob.
„Ach du..."
„...Scheiße", beendete Sam meinen Satz und starrte geschockt auf tausende Orks, die mit gezückten Waffen auf uns zugestürmt kamen.
„Die Affen der Finsternis greifen an. In die Schlacht, in die Schlacht Söhne Durins!" Dáin raste brüllend an der Spitze seines Heeres den Orks entgegen, die mit einer unglaublichen Geschwindigkeit näher kamen.
„Ok, jetzt geht's also los" Mia immer noch ganz bleich drehte sich zu Sam und mir um. Sie zog ein entschlossenes Gesicht, doch ich konnte sehen, wie sich ihre Finger um ihr Langschwert verkrampft hatten und ihre Hand zitterte.
„Werden sie nicht kämpfen?" Sam sah fassungslos zu Thorin hinauf. Ich schüttelte tonlos den Kopf und sah nun ebenfalls zum Berg. Die Zwerge standen immer noch an der Brüstung und sahen dem Spektakel zu. Tatsächlich hatte ich nicht erwartet, dass Thorin in die Schlacht ziehen würde. Doch nicht nur Thorin und seine Männer bewegten sich nicht vom Fleck, auch Thranduil ließ sein Heer nicht vorrücken.
„Aber er wird doch die Zwerge nicht alleine kämpfen lassen, oder?", fragte Mia, der dies nun ebenfalls aufgefallen war.
„Ich hoffe nicht", murmelte ich und sah besorgt zu den Zwerge, die gerade eine Mauer aus ihren eigenen Schilden bauten und Spitze Lanzen durch die engen Lücken steckten. Der Aufprall würde heftig werden und ich war mir nicht sicher ob es gut ausgehen würde. Wenn man mit einem Auto gegen einen Baum fährt, bliebt der Baum stehen und nicht das Auto. Ganz wie es aussah würden die Zwerge an dem Orkheer zerschellen. Ihre Zahl war einfach zu gering. Ich sah mich nach Gandalf um, der irgendwie schon wieder verschwinden schien, doch bevor ich ihn entdecken konnte rauschten in golden gekleidete Krieger an mir vorbei und kaum das ich das realisiert hatte brach ein ohrenbetäubender Tumult auf. Die Schlacht hatte begonnen und wir standen mittendrin.
„Lilly, komm jetzt" Mia packte mich fest am Arm und sah zu Sam. „Wir schauen, dass wir uns irgendwo in Sicherheit bringen" Sie zerrte mich hinter den Elben her. Geschlagen ließ ich mich mit ihr ziehen, doch als ich mich umwandte und noch eine Blick zum Berg warf schüttelte ich den Kopf und mit einer schnellen Bewegung riss ich mich los.
„Nein"
Mia sah mich ungläubig an. „Lilly, das kann jetzt nicht dein Ernst sein"
„Ich kann hier nicht weg"
„Du weißt, dass dieser blaue Fleck an deiner Wange Thorins Schuld ist, oder? Dir ist bewusst, dass du ihm nichts, aber auch gar nichts schuldest"
„Ja, ja, das ist mir alles bewusst aber es geht hier nicht um ihn...na gut vielleicht zum Teil schon, aber-"
„Nein, nichts aber", unterbrach mich Mia hart. „Dieser Depp behandelt dich wie einen auswechselbaren Gegenstand und du willst jetzt dein Leben riskieren?"
Ich atmete tief durch. Ihre Worte schmerzten, weil sie zum Teil die Wahrheit sagte, doch mir ging es im Moment nicht darum Throins Fehler abzustreiten. „Ja du hast Recht. Er hat mich schlecht behandelt, doch du übertreibst es und erstens riskiere ich im Moment noch gar nichts, zweitens ist es meine Sache was ich tu und lasse, also hör auf mir Befehle zu erteilen und drittens will ich dir die ganze Zeit sagen, dass Sarah dort oben festsitzt", ich deutete demonstrativ auf den Berg. „Und wenn du sie da nicht wegteleportieren kannst sollten wir sie da rausholen"

(2 150 Wörter)

Eine Reise Zum Erebor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt