10. Nass

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Kapitel 10 - Nass

Lillys Sicht

Die Tage vergingen und ob man es glaubte oder nicht, aber wir waren nun schon beinahe vier Wochen unterwegs. Die Zwerge schienen sich nicht großartig um uns zu scheren, blieben in ihrer Gemeinschaft, während wir meistens ebenfalls unter uns waren. Es war nicht so, als würden wir uns extra abschotten, aber wenn man einmal mit Zwergen umherreist, dann bemerkt man schnell, dass sie ein munteres, aber eigenartiges Volk waren. Es war halt nun einmal so, dass wir und auch Bilbo die Außenseiter und Neulinge der Gruppe waren. Es war nicht einfach sich in eine schon bestehende Gemeinschaft hinein zu integrieren, vor allem wenn wir von der Hälfte nicht akzeptiert wurden. Die andere Hälfte war immerhin bereitwillig mit uns zu reden oder ließ uns einfach in Ruhe. Nur wenige waren freundlich und ließen sich auf ein richtiges Gespräch mit uns ein. Lange Rede, kurzer Sinn, es war nicht einfach. Ganz und gar nicht einfach.
„Ich glaube ich habe mir einen Schnupfen geholt" Sarah tauchte bibbernd unter ihrer Decke auf und riss mich aus meinen Gedanken, während sie fröstelnd ihre Arme um sich legte. Sie zog lautstark die Nase nach oben. „Ist auch kein Wunder, auf dem eisigen Boden. Am Tag ist es wunderbar warm, doch in der Nacht weiß ich nicht wie ich es überleben soll, wenn es mal richtig kalt wird"
„Da sind wir immerhin zu zweit", Mia war ebenfalls aufgewacht und rieb die kalten Finger aneinander. „Da heißt es Elben seien gegenüber Kälte resistent. Das ich nicht lache. So starre Knochen hatte ich meine Lebzeiten noch nie" Weiter vor sich hin schimpfend schlug sie ihre Decke zurück und stand steif auf. „Ich werde mal schauen ob ich mich ein bisschen wärmer bekomme", teilte sie uns mit und stapfte über die mit Tau bedeckte Wiese in Richtung Feuerstelle. Von dem Feuer, welches gestern Abend entfacht worden war, war nichts mehr übrig, außer ein bisschen der rot glühenden Glut.
Ich stand ebenfalls auf und machte mich daran meine Decken zusammen zu packen. Meiner Meinung nach übertreiben die beiden ein bisschen. Gut es war sicherlich nicht bequem auf dem harten Boden zu schlafen und sich auf großen Wurzeln hin und her zu wälzen, doch im Moment war es noch Ende Frühling Anfang Sommer und es war warm. Zumindest so warm, dass ich keine Angst zu haben brauchte, dass ich mir in der nächsten Zeit irgendetwas abfror. Ich derweilen hatte ein anderes Problem. Ich wusste, dass wir auf unserer Reise in keinen Luxushotels untergebracht wären, doch vermisste ich ein Bad. Ich hasste das Gefühl mich dreckig zu fühlen und dieses Mal fühlte ich mich nicht nur so. Ich war dreckig. Schmutz auf der Kleidung und auf der Haut und alles roch nach Pferd. Gut und schön ich konnte mich damit abfinden, doch wenn sich eine Gelegenheit erbat würde ich wohl die erste sein, welche sich in einen nahegelegenen See warf. Und diese Gelegenheit packte ich heute beim Schopf. Prüfend ließ ich meinen Blick über das ganze Lager schweifen und stellte fest, dass es vollkommen ruhig dalag. Es schien als würden alle noch schlafen, naja bis auf Sarah, Mia und ich. Leise schnappte ich mir meine Tasche und stand auf. Auf Zehenspitzen schlich ich aus dem Lager und beschleunigte meine Schritte, als ich in dem angrenzenden Wäldchen angelangt war. Wenn ich mich nicht täuschte waren wir gestern an einem kleinem See, fast schon einem Tümpel vorbeigeritten, doch es würde reichen. Hoffnungsvoll stapfte ich durch den Stillen Wald und nach fünf Minuten hatte ich tatsächlich mein Ziel erreicht.

***

Eine Stunde später stand ich frisch und in anderer Kleidung am Rand des Sees. Bei der Gelegenheit hatte ich auch noch gleich meine Kleidung gewaschen, so dass die ganzen Schlamm- und Dreckflecken, die ich während der letzten Tage gesammelt hatte, alle weg waren. Das nasse Haar hatte ich mir ordentlich zurückgeflochten, es würde im Laufe des Tages schon noch trocknen.
Als ich den Weg durch den Wald zurücknahm, war der Tau verschwunden und die warme Sonne stieg am Himmel empor. Ich sah das Lager schon von weitem, als mir Mia entgegen gesprungen kam. „Man Lilly. Wo warst du?"
„Beim Baden"
Mia zog verwundert eine Augenbraue nach oben. „Baden? Wie auch immer, du solltest schnell kommen. Thorin ist extrem sauer"
„Sauer?", hakte ich nach und befreite mich aus Mias Griff, mit dem sie mich an der Hand hinter sich herzog.
„Ja sauer", Mia wedelte ungeduldig mit der Hand vor meiner Nase herum. „Du warst ewig lang verschwunden und er wollte schon vor einer halben Stunde aufbrechen. Alle warten nur auf dich"
War ich wirklich so lange fortgewesen? Das war mir gar nicht aufgefallen. Ich öffnete den Mund, aber alles was ich herausbrachte war ein dünnes „Oh".
„Ja, du wirst nachher noch oft genug 'Oh' sagen können wenn er dich erst einmal in den Fingern hatte.", energisch schob mich Mia vor sich her aus dem kleinen Wäldchen. „Jetzt geh, wegen dir habe ich vorher schon ärger mit ihm bekommen und das ist kein Spaß sich mit dem zu streiten."
Mit einem mulmigen Gefühl sah ich sie an „Wem sagst du das?"
Ich trat auf die Lichtung auf der wir unser Lager aufgeschlagen hatten, als auch schon Gandalf vor mir stand. „Lilly, wo seid Ihr gewesen. Alle waren schon in Sorge."
Ich ließ den Blick über die Zwerge gleiten und bezweifelte, dass sich irgendjemand von ihnen um mich gesorgt hatte, doch ich lächelte Gandalf höflich an und antwortete: „Das ist zu Gütig von Euch, doch ich war nur im angrenzenden See für ein kurzes Bad"
„Ein Bad?", höhnte Glóin und verengte die Augen mit tiefer Abneigung.
Ich kniff die Lippen ärgerlich zusammen. „Ja ein Bad, das würde dir auch ab und an gut tun", fauchte ich drehte mich schwungvoll um. „Auch wenn ich mit euch allen reise, muss ich noch lange nicht wie einer von euch riechen"
Ich ignorierte einfach Thorin, der mir entgegenkam und vermutlich auch schon eine Strafpredigt für mich auf Lager hatte, und stapfte weiter auf mein Pony zu, das dankenswerterweise schon von jemandem gesattelt worden war. Doch die Hoffnung, dass Thorin mich in Ruhe lassen würde verflog sich schnell, als er mein Pferd am Halfter packte. „Hatte ich Euch nicht gesagt, dass Ihr meine Männer zufrieden lassen sollt" Thorins scharfe Stimme ließ mich einfach nie kalt. Jedes Mal hatte ich das Gefühl ich müsse um mein Leben bangen, doch ich schüttelte verbissen den Kopf und versuchte zwanghaft seinem stechenden Blick standzuhalten. Nicht wegschauen, bloß nicht wegschauen.
„Nein", sagte ich ruhig und rief mir ins Gedächtnis, dass ich bis jetzt immer mit heiler Haut davongekommen war. Ich hatte ihn in dieser kurzen Zeit, in der wir uns kannten, schon oft genug gereizt und ein Blick in sein Gesicht sagte mir schon, dass es wieder eine hitzige Diskussion geben würde. „Ihr hattet mir befohlen mich unter Kontrolle zu halten und das habe ich getan."
„So habt Ihr das?"
„Oh ja", schnaubte ich und sah mich verächtlich nach Dwalin und Glóin um. „Ich habe mich lange zusammengerissen, doch wie steht es mit Euch? Habt Ihr mit Euren Männern geredet, ich verhalten mir gegenüber zu ändern"
Thorin verengte die Augen, doch seine Miene blieb starr. „Ich habe ihnen befohlen sich Euch gegenüber angemessen zu verhalten"
„Oh das habt Ihr?", fragte ich und konnte mir das kleine höhnische Lachen nicht verkneifen. „Ach jetzt kommt schon. Denkt Ihr ich wüsste nicht, dass Ihr diesen Hohlköpfen befohlen habt ein Auge auf uns zu haben. Hört auf damit", fauchte ich und deutete auf Dwalin und Glóin. „Seit zwei Wochen folgen sie mir auf Schritt und Tritt. Denkt Ihr wirklich ich sei so blöd, dass ich nicht merken würde, wenn jemand mich die ganze Zeit überwacht?" Ich holte tief Atem und blies leise die Luft aus meinen Lungen. Warum fühlte ich mich bloß jedes Mal, nach einem Gespräch mit ihm, so ausgelaugt?
Thorin antwortete mir nicht, sondern ließ nur mein Pferd los um zu seinem eigenem zu stapfen. „Wir reiten weiter!", bellte er harsch und die anderen saßen nach und nach auf. Sam kam wankend zu mir herübergeritten. Wir beide waren auf den Vierbeinern noch immer nicht die größten Helden, doch so langsam gewöhnten wir uns daran.
„Was grinst du denn so?", fragte ich und versuchte mich irgendwie bequem in den Sattel zu setzten, denn nach zwei Wochen auf einem Pferd, tat der Hintern schon ganz schön weh.
Sam zuckte nur mit den Schultern. „Mit dir als Begleitung braucht man sich wirklich keine Gedanken darüber zu machen, dass man irgendwie Freunde finden könnte, denn du vergeigst es sowieso mit jedem", sagte er und zog herausfordernd die Augenbrauen nach oben.
„Ja so langsam glaube ich das auch. Wahrscheinlich wäre die Hälfte froh wenn ich plötzlich vom Pferd stürzen und mir den Hals brechen würde"
„Bestimmt hätte das einen angenehmen Nebeneffekt", meinte Sam und nickte bedenklich vor sich hin. „Zum Beispiel würde das endlose Geplapper von dir aufhören"
„Na vielen Dank auch", murrte ich gespielt mit einem leichten Lächeln im Gesicht.
Sam grinste nur noch breiter. „Gern geschehen", grinste er und lehnte sich von seinem Pferd zu mir hinüber um mir fest in die Seite zu pieken. Mit einem erschrockenem Schrei ließ ich die Zügel los und plumpste Seitlich vom Pferd, als Sam mich noch einmal in die Seite stupste. Und jetzt saß der Mistkerl lauthals lachend auf seinem Pferd und starrte zu mir hinunter.
„Mensch Sam, du weißt doch wie kitzelig ich bin. Musste das jetzt wirklich sein?" Jammernd stemmte ich mich vom Boden hoch und hoffte, dass es niemand mitbekommen hatte. Falsch gelegen, als ich mich umsah, konnte ich das hämische Grinsen auf Dwalins Gesicht entdecken, der sich zu Glóin hinüberlehnte und anfing mit ihm zu reden.
„Das wirst du mir bezahlen", sagte ich als ich den Rücken meines Pferdes erklomm und sah Sam dabei finster an. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber mach dich-" Ein lautes Donnergrollen übertönte meine weiteren Worte und ich sah besorgt zum Himmel hinauf, als es auch schon anfing in Strömen zu regnen.
„Echt jetzt?", rief Sam verdrießlich über ein erneutes Donnergrollen hinweg und starrte ebenfalls in den Himmel, der dunkel und grau war. „Wir sind kaum eine Stunde unterwegs und dann dass!?"
„Tja mein Bad hätte ich mir schenken können", murmelte ich und zog den Kopf ein um mich ein bisschen vor den großen Regentropfen zu schützen, die unablässig auf uns nieder prasselten. Sam neben mir fing an ein paar ziemlich wüste Flüche auszustoßen, als ihm das Wasser schon nach wenigen Minuten von der Nasenspitze tropfte.
„He Sam", rief Mia ihm zu und verzog schelmisch das Gesicht. „Sieh es einfach positiv, so wirst du endlich wieder einmal sauber. War sowieso längst überfällig"
Sam zog es vor auf diesen Kommentar nichts zu antworten und starrte stur geradeaus, während ich probierte nicht vor Lachen vom Pferd zu fallen
Je länger wir durch diesen elenden Regen ritten, desto schlechter wurde die Stimmung „Könnt ihr nicht etwas gegen diese Überschwemmung tun?", fragte Nori nach einer Weile an Gandalf gewandt, der den Kopf eingezogen und seinen Spitzhut tief ins Gesicht gestreift hatte.
„Wenn ihr das Wetter auf der Welt ändern wollt müsst ihr euch einen anderen Zauberer suchen", erklärte Gandalf.
„Gibt es denn noch welche?", fragte Bilbo neugierig und wischte sich das Wasser aus den Augen.
„Was?", kam es forsch von Gandalf, der heute anscheinend keine gute Laune hatte, was ich ihm bei diesem Sauwetter auch nicht verübeln konnte.
„Andere Zauberer"
„Es gibt fünf von uns. Der höchste unseres Ordens ist Saruman der weiße. Dann gibt es noch zwei blaue Zauberer. Deren Namen ich aber vergessen habe."
„Und der fünfte?", fragte Bilbo nun offensichtlich neugierig und ohne sich von Gandalfs schlechter Laune anstecken zu lassen
„Das ist natürlich Radagast. Der Braune."
„Ist er ein großer Zauberer oder eher so wie du?"
Ouh. Das war mies, Bilbo legte es heute ja wirklich darauf an. Gandalf verzog kaum merklich das Gesicht, doch konnte man ihm sein Missfallen über diese Frage deutlich. „Ich finde er ist ein sehr großer Zauberer. Auf seine Art und Weise."
Sam wischte sich neben mir das Regenwasser von der Stirn und zog ein griesgrämiges Gesicht, als es nichts brachte und seine Stirn genauso nass war wie davor schon auch. „Es regnet trotzdem noch", quakte er missmutig.
„Das weiß ich, mein lieber Sam. Aber wenn es nicht von selbst aufhört zu regnen, wird es wohl so bleiben"
Tja, das war dann wohl Pech, doch zugegebener Maßen hätte ich auch nichts gegen eine trockene Umgebung. Ich sah den Regentropfen zu, wie sie auf meiner Hand aufschlugen und ein winziges bisschen zurückprallte. Wie bei einem Regenschirm, nur nicht so intensiv. Ich schniefte ein bisschen und bemerkte wie meine Finger klamm wurden, na toll.
„Also ich muss schon sagen, du wirst von Tag zu Tag durchgeknallter", sagte Sam plötzlich und starrte mich an. „Wie machst du das?"
Verwirrt sah ich ihn an. „Was?"
Perplex starrte Sam zurück. „Na hör mal. Du wirst ja wohl noch mitkriegen, dass dich kein einziger Regentropfen mehr trifft. Alle prallen wie von einem unsichtbaren Schutzschild von dir ab"
Ungläubig sah ich auf meine Hände. Er hatte Recht, ich wurde nicht mehr getroffen. „Wie hab ich denn dass hinbekommen?", fragte ich fasziniert und drehte meine Hände hin und her bevor ich sie vor meine Augen hob um es besser zu betrachten.
„Das fragst du mich?", Sam sah mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. „Hör mal, du bist hier der Freak, wenn jemand weiß wie du dass hinbekommen hast, dann doch wohl nur du selbst, oder?"
Unwissend schüttelte ich den Kopf. „Nein, denn ich habe absolut keine Ahnung"
„Nicht mal eine winzig kleine Vermutung?"
„Naja, ich glaube, wenn ich mir das was geschehen soll in Bildern vorstelle, dass es darauf Einfluss nimmt", ratlos zuckte ich mit den Schultern. „Aber mehr kann ich auch nicht sagen"
„Kannst du machen, dass es auch über mir aufhört zu regnen?", fragte Sam hoffnungsvoll.
Ich schüttelte unbarmherzig den Kopf. „Auch wenn ich es könnte, ich würde es nicht. Das ist die Rache dafür, dass du mich vom Pferd geschubst hast"

(2 328 Wörter)

Eine Reise Zum Erebor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt