3. Neue Kräfte

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Kapitel 3 - Neue Kräfte

Lillys Sicht

Was zu Hölle? Konzentriert die Fassung zu behalten starrte ich ungläubig auf die Kerze und pustete sie schließlich aus. Heute war genug merkwürdiges Zeug passiert, um mir den Verstand zu verwirren. Kopfschüttelnd drehte ich mich um, um in meiner Tasche nach meiner Haarbürste zu kramen. Wenn mein Verstand schon mit dem heutigen Tag so überfordert war, dass ich mir schon Dinge einbildete, dann konnte ich mich ja getrost auf morgen freuen. Vielleicht war es das Beste, wenn ich so schnell es ging ins Bett kam, damit sich mein Geist zur ruhe setzten und am nächsten Morgen zwischen Wahrheit und Trugschein unterscheiden konnte.

Ich fand die Bürste und als ich mich wiederaufrichtete, blieb ich erneut, wie erstarrt stehen. Ich brauchte mich gar nicht erst umzudrehen, der flackernde Schein, den die Kerze im Dunkeln verbreitete, war hell genug, um mich an mir selbst zweifeln zu lassen.
„Ok, jetzt ist es langsam nicht mehr lustig", murmelte ich. Meine Stimme zitterte leicht und auch wenn es mein Verstand nicht begreifen konnte, so hatte ich dennoch das instinktive Gefühl, dass es kein Scherz gewesen war.
Ich schluckte und führte einen Finger ganz nah an die kleine Flamme. Wenn ich dies wirklich gewesen war...aber das war doch Schwachsinn...oder? Wäre ich zuhause, in meiner altbekannten Welt, in meinem Zimmer gestanden, dann hätte ich kaum Zweifel daran gehabt. Aber die Tatsache, dass ich hier in Mittelerde war, bei Bilbo im Haus, in Beutelsend...diese Tatsache ließ in mir eine Ahnung aufkeimen, dass diese Idee, eingestrickt in diese Vorkommnisse, verglichen mit allem, was ich davor gekannt hatte, gar nicht so absurd war, wie ich es mir ausdachte.
Mein Zeigefinger, der noch immer ganz nah vor der Flamme schwebte, zitterte leicht, ehe ich tief Luft holte und ihn genau über den Docht schob. Ich hatte erwartet, dass es sofort schmerzen würde, dass meine Haut verbrennen und schwarz werden würde und beinahe hätte ich mich für meine unbesonnene Tat gescholten...doch meine Hand tat nicht weh. Nicht einmal ansatzweise.
Verblüfft zog ich den Finger zurück. Er war erwärmt, aber das war es auch schon gewesen.
„Ich glaub mir geht gerade einer ab", murmelte ich perplex und drehte den Finger vor meinen Augen noch einmal hin und her. Doch er sah so unversehrt aus, wie schon zuvor.
„Ok, dann wollen wir mal sehen ob ich nun langsam anfange zu spinnen, oder ich nur eine sehr lebhafte Fantasie habe" Ich beugte mich nach vorne und pustete die Kerze erneut auf. Dieses Mal drehte ich mich nicht um, sondern hielt den Blick starr auf den Docht gerichtet. Ich musste es mit eigenen Augen sehen, denn wenn ich wirklich aus dem nichts ein Feuer entstehen lassen konnte, dann...dann...Tatsächlich überforderte mich diese Frage in diesem Zeitpunkt und pure Neugierde ließ mich alles andere aus meinen Gedanken drängen.
„Geh an", flüsterte ich leise eindringlich. Doch nichts passierte. Vielleicht hatte ich mir wirklich alles nur eingebildet. „Geh an", sagte ich nun ein bisschen lauter und schnippte energisch mit meinen Fingern vor dem Docht herum, der dunkel und leblos nicht einmal einen Funken zeigen wollte. Seufzend nahm ich die Kerze in die Hand und drehte sie hin und her, um sie im fahlen Mondlicht zu betrachten. Konzentriert schloss ich die Augen. Noch einen Versuch, nur noch einen Versuch. Ich stellte mir vor, wie die Kerze hell in meiner Hand brannte und das ganze Zimmer mit einem warmen, hellen Schein erleuchtete. Fast fürchtete ich mich davor die Augen wieder aufzumachen, doch als ich sie dann aufschlug flackerte tatsächlich eine winzige Flamme am Docht der Kerze, die zuckende Schatten an die Wände warf. Sie war klein und spärlich und kurz davor auszugehen, doch sie war da. Immer noch ungläubig kniff ich die Augen zusammen und öffnete sie wieder, doch das kleine Flämmchen kämpfte noch immer damit nicht auszugehen.
Wow...ich wusste nicht ob ich mich nun freuen oder für verrückt erklären sollte. Es war ja nun auch nicht gerade normal, dass man durch Gedanken Dinge zum Brennen bringen konnte. Hibbelig und kurz vorm Ausrasten, in positiver oder negativer Weise – da war ich mir noch nicht so ganz sicher – ließ ich mich rücklings auf mein Bett fallen. Erschöpft rieb ich mir mit den Händen über mein Gesicht. Diese Entdeckung war dann doch etwas zu viel für mich.
Ein Klopfen ertönte und Sams Stimme drang zu mir ins Zimmer. „Hey Lils. Lässt du mich rein?"
Ich nickte stumm, bis mir auffiel, dass er mich ja gar nicht sehen konnte und so hastete ich zur Tür, vor der Sam schon ungeduldig wartete.
„Was ist?", fragte er mit belustigter Miene, als ich ihm öffnete. „Hast du einen Geist gesehen?"
Ich schüttelte nur den Kopf, packte ihn am Kragen und zog ihn zu mir ins Zimmer, bevor ich die Tür wieder zuknallte.
„Ok...?", Sam sah mich leicht schief an. „Du weißt schon, dass du gerade etwas gruselig bist?"
„Ja, ja", ganz durcheinander sah ich ihn an und begann vor ihm auf und ab zu laufen.
Sam zuckte nur mit den Schultern über mein Verhalten, doch bevor er den Mund aufmachen konnte unterbrach ich ihn auch schon. „Ich muss dir was sagen", platzte ich heraus, denn irgendjemand musste mir sagen ob ich komplett durchdrehte, oder ob es einfach komplett abgedreht war.
Sam starrte mit einem ausdruckslosen Gesicht zurück. „Na gut, obwohl ich das für keine gute Idee halte. Wenn du den beiden Tratschtanten aka Mia und Sarah etwas erzählst, dann ist das deren Ding, aber ich möchte mich nicht mit unnötigem Mädchengequatsche zulabern lassen", meinte er ernst und verschränkte die Arme, während ich nur eine Augenbraue nach oben zog.
„Unnötiges Mädchengequatsche?", wiederholte ich eingeschnappt. „Du weißt doch nicht einmal um was es geht."
„Nein, aber so wie ich dich kenne wirst du mir das Thema nun ganz schön um die Ohren schlagen" Gelangweilt ließ er sich auf mein Bett plumpsen. „Also wo brennt es? Passt der Nagellack nicht farblich zu deiner neuen Kleidung?"
„Ich trage nicht einmal Nagellack du Obergenie.", erwiderte ich protestierend und die Tatsache ignorierend, dass das Wortspiel 'Wo brennt es' tatsächlich passte. „Aber du hast Recht."
„Natürlich habe ich Recht. Ich habe immer Recht", meinte Sam selbstgefällig und verschränkte wohlwollend seine Hände hinter dem Kopf.
Ich setzte ein zuckersüßes Lächeln auf und nickte. „Ja du hast Recht, denn ich werde dir das Thema nun ganz schön um die Ohren schlagen"
Sam sah mich nur an und formte seinen Mund zu einem stillen 'Oh'. Ich verdrehte die Augen und für einen kurzen Moment herrschte Stille, in der ich meine Gedanken zu sortieren versuchte.
„Also bitte dreh nicht durch. Aber das was ich dir gleich zeige ist etwas verrückt und du musst mir sagen, ob ich vollkommen durchdrehe, oder ob das normal ist. Naja, normal ist es sicher nicht, aber ich habe es auch erst gerade eben entdeckt und es ist eigentlich richtig gruselig, denn ich weiß einfach nicht, wie ich jetzt damit umgehen soll und-"
„Lilly!", wurde mein endloses Geplapper harsch von Sam unterbrochen. „Jetzt hol mal wieder Luft. Wie wäre es, wenn du mir dein was-auch-immer einfach zeigst?"
Ich schluckte nickte und streckte die Hand aus. Konzentriert kniff ich die Augen zusammen und versuchte das gleiche, wie nur ein paar Minuten zuvor.
„Lilly?", Sam sagte meinen Namen ganz leise, beinahe sanft. „Ich weiß nicht was du gerade versuchst, aber das ist nicht sehr beeindruckend.
Ich ignorierte ihn und machte einfach nur „Pscht"
„Pscht-mich nicht", fauchte Sam erbost.
Wütend blitzte ich ihn an. „Ich versuch dir gerade was zu zeigen, also hör auf mich zu unterbrechen"
Sam verdrehte die Augen und die Tatsache, dass er nichts sagte, ließ mich erahnen, dass er entweder begann, sich um mich zu sorgen, oder er tatsächlich glaubte, es würde noch etwas kommen.
Ein kleines triumphierendes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als ich plötzlich spürte, dass es funktioniert hatte.
„Sieh genau her", sagte ich und sah ihn eindringend an, ehe ich die Hand öffnete.
Es war, als würde mit dem Öffnen meiner Hand, ein Licht im Zimmer angehen. Denn auf der breiten Fläche, direkt auf der bloßen Haut züngelte ein kleiner Ball. Er schien aus purem Feuer und sah aus, wie eine kleine Sonne.
Sam stand mit offenem Mund da und starrte nur auf meine Hand.
Ich schloss sie wieder und spürte, wie die Energie, die das Feuer aufrechterhalten hatte, erlosch.
Sam tat plötzlich einen Schritt nach vorne und pustete die Kerze aus, bevor er nur sagte: „Mach das noch mal"
Ich ließ die Kerze zum zweiten Mal auflodern und ein kleines entzücktes Lächeln erschien auf Sams Gesicht. „Und was meinst du?", fragte ich ihn vorsichtig und Sam grinste mich an.
„Extrem cool"

(2 399 Wörter)

Eine Reise Zum Erebor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt