Lorenzo war das erste mal in seinem Leben sprachlos.
Diese Frau.
Er hatte sie bereits gesehen, als sie durch das Tor getreten war.
Sie hatte eine dunkle, geheimnisvolle Ausstrahlung, die die Blicke vieler Männer angezogen hatte.
Zunächst hatte er sich gefragt, wer sie wohl war. Dann hatte er den Mann neben ihr erkannt.
Antonio degli Angeli. Der Verräter, der Feind.
Sie musste also Valentina, die zukünftige Erbin sein.
Er stand an einer Säule des oberen Geschosses als er sie erblickte und war zu weit weg um sie wirklich zu betrachten. Als dann die Auktion begonnen hatte, wollte er eigentlich nicht teilnehmen, doch als er sie gesehen hatte, wie sie im Rampenlicht stand und er ihre Stimme hörte, da erkannte er sie.
Ombra oscura.
Diese dunkle Stimme, die er diese Nacht gehört hatte und über die er sich die letzten Tage den Kopf zerbrochen hatte. Sie war es also gewesen, die ihn bewusstlos geschlagen hatte.
Er hatte zwar den Drang sie zu foltern und ihr einen qualvollen Tod zu bereiten, doch er war auch neugierig und wollte diese Frau kennenlernen.
Nach ihrer Rede konnte er kaum noch aufhören zu grinsen und als er gehört hatte, wie ein Spanier sie nur für 5.000 haben wollte, hatte er nicht widerstehen können und hatte mitgeboten.
Und dann, als er langsam auf sie zuschritt und sie mitten auf der Tanzfläche sah, wie sie in ihrem dunkelgrünen Kleid erhobenen Kopfes dort stand, wusste er, dass sie keine gewöhnliche Frau war.
Und dann kam sie auf ihn zu.
Allein das Bild, wie sie mit schwingenden Hüften auf ihn zukam reichte aus um ihn in Ekstase zu versetzen.
Und dann kam der Tanz.
Er war schon mit vielen Frauen zusammen gewesen. Doch ihre Berührungen, ihre Art sich zu bewegen und ihn anzuschauen.
Es fesselte ihn, machte ihn aber auch wütend.
Sie war der Feind.
Er schob es auf die körperliche Anziehung und hasste sich dafür.
Doch auch nachdem sie ohne ein einziges Wort in der Menge verschwunden war konnte er seinen Blick nicht von der Stelle lösen an der sie gestanden hatte.
Wie ihre dunklen Locken über ihrern schmalen Rücken fielen und das Kleid ihre wunderbaren Kurven umschmeichelte.
Ein schwerer Schlag auf seiner Schulter holte ihn aus seiner Trance zurück.
„Amico (Freund), das war aber ein Tanz. Die kleine scheint dir richtig den Kopf verdreht zu haben" spottete sein Freund Marco.
„Stai zitto (sei leise)! Sie ist der verdammte Feind", spie er zurück.
„Jaja. Egal, ich habe auf jeden Fall jemanden kennengelernt", sagte er schmunzelnd.
„Wieder ne neue?"
„Nein, ist irgendwie anders. Keine Ahnung , sie ist nicht wie die anderen irgendwie, capisci (verstehst du)?" fragte er etwas unsicher.
Lorenzo war einen kurzen Moment lang mit den Gedanken bei Valentina, schüttelte aber seinen Kopf und sagte dann ehrlich „Viel Glück mit ihr, amico mio (mein Freund)."
Dann drehte er sich um und entfernte sich von der Tanzfläche.
Er irrte völlig in Gedanken versunken durch die Burg.
Schließlich kam er in einen großen Raum mit vielen Wandgemälden. Es war dunkel, da das einzige Licht von einem Balkon am anderen Ende des Raumes stammt. Langsam schritt er auf den Balkon zu, ging nach draußen und lehnte sich an eine Säule. Der Mondschein bestrahlte die Landschaft und er hatte einen wunderbaren Ausblick auf den See vor sich.
„Ich sage es dir ein letztes Mal. Wenn du deine dreckigen Finger nicht von mir wegnimmst, schneide ich sie dir alle nacheinander ab. Dann deine nicht vorhandenen Eier und schließlich deinen Kopf!" drohte eine dunkle Stimme rechts von ihm.
Als er sich umschaute erkannte er einen weiteren Balkon einige Meter von ihm entfernt, auf dem sich Valentina und ein anderer Mann befanden.
Sie lehnte sich gegen die Wand, während er sie am Arm packte.
„Was sollte ein kleines Mädchen wie du schon gegen mich ausrichten? Und du tust jetzt besser daran, mir zu gefallen, ansonsten bezahle ich deinem Vater ein hübsches Sümmchen für dich!" sagte der Mann mit einem schweren spanischen Akzent.
Lorenzo erkannte ihn sofort.
Er war Alejandro Rodriguez. Zukünftiger Erbe der mexikanischen Mafia, eine ihrer größten Feinde nach den degli Angeli.
Er erkannte auch, dass es er war, der mit ihm um Valentina geboten hatte.
Faccia da culo. (Arschgesicht)
Nach diesen Worten sah Lorenzo, wie Valentina sich zu Alejandro drehte und ihm einen Schlag ins Gesicht verpasste, der ihn zu Boden warf.
Lorenzo prustete los, sodass sich Valentina ruckartig zu ihm umdrehte.
„Spionierst du mir etwa nach, Lorenzo?" fragte sie.
Diese Sticheleien, sein Name aus ihrem Mund.
Er fing sich und antwortete „Ich dir? Nur um dich zu töten, Valentina. Wie ich sehe, gab es einige Schwierigkeiten, aber das Kätzchen kann sich verteidigen."
Valentina, die sich zu ihm gedreht hatte, ging einige Schritte zurück, ohne den am Boden liegenden Alejandro eines weiteren Blickes zu würdigen, nahm dann Anlauf und sprang auf seinen Balkon.
Wegen der hohen Schuhen rutschte sie etwas von der Kante ab, doch Lorenzo zog sie in seine starken Arme.
Langsam schaute sie zu ihm hoch.
Seine Hände die noch auf ihrer Taille gelegen hatten, hob er und löste die Schnüre ihrer Maske.
Er erkannte vor ihm eine der schönsten Frauen die er jemals gesehen hatte.
Auch wenn ihr Gesicht nur vom Mondschein beleuchtet wurde, konnte er dennoch ihre feinen Gesichtszüge erkennen. Ihre vollen Lippen hatte er schon während des Tanzes betrachtet, doch nun sah er ihr Gesicht in dessen Vollkommenheit.
Am meisten stachen ihre Augen heraus.
Wo sie beim Tanz noch so dunkel und geheimnisvoll gewirkt hatten, wurden sie vom hellen Licht des Mondes beschienen und hatten eine graue Farbe angenommen. Sie wirkten so, als könnte sie bis in die hinterste Ecke seiner Seele blicken, was zugleich einschüchternd und bewundernswert war.
Langsam hob auch Valentina die Maske von seinem Gesicht und so standen sie da.
Betrachteten sich gegenseitig.
„Ich wusste es! Ich hab dir einen blauen Fleck verpasst!" sagte sie mit kehliger Stimme und berührte mit federleichten Finger die Stelle an der sie ihn geschlagen hatte.
Er erstarrte unter ihrer Berührung. „Ich sagte auch, dass niemand mich schlägt und ohne eine Bestrafung davonkommt."
„Das werden wir ja sehen" sagte sie mit gehobener Augenbraue.
Sie wandte sich ab und setzte sich auf das Geländer des Balkons, das aus gemeißeltem Stein bestand und holte sich eine Zigarette raus.
Lorenzo betrachtete sie kurz, setzte sich aber neben sie, holte sich selbst eine raus und zündete zuerst ihre, dann seine an.

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Mafia Queen
AçãoValentina degli Angeli und Lorenzo Rossi. Zwei Erben der mächtigsten Mafias Italiens. Jahrelanger Hass zwischen den Familien. Was wird geschehen, wenn sie dazu gezwungen sind, zusammenzuarbeiten?