Wer bist du?

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„Komm schon", sagte ich seufzend zu Luïs und ging langsam die Treppen zu dem Care Home nach oben.

Es war ein großes Gebäude aus hellen Steinen mit breiten in Holz gerahmten Glastüren. Viele Fenster mit Gardinen zierten die Wände und rechts vor dem Eingang stand ein kleines Schild, auf dem Shady Acres und darunter Care Home in goldenen Buchstaben stand.

Hier würde Odin sein. Bald würde ich ihn treffen. Ob er sich freuen würde?

Ich sollte wirklich aufhören, mich das ständig zu fragen. Seine Antwort würde sich eh nicht ändern, egal wie viel ich darüber nachdachte.

Ein Mann, vielleicht um die 40, in Jogginghose und T-Shirt kam gerade aus dem Altersheim und tippte auf seinem Handy. Ich sah ihn zu spät und er mich gar nicht, weshalb er ziemlich heftig gegen meine Schulter lief.

„Au!", entwich es mir und reflexartig fasst ich mir an meine pochende Schulter.

„Pass doch auf", murmelte der Mann nur und drehte sich nicht einmal zu mir um.

Arsch, dachte ich.

Wie aus dem nichts und bevor ich hätte reagieren können, tauchte plötzlich Luïs vor dem Mann auf, schlug ihm in den Bauch, woraufhin dieser sich krümmte und aufstöhnte. Blitzschnell hatte der Soldat die Haare des Mannes gegriffen, sein Schwert gezogen und hielt es ihm nun an die Kehle. Mit funkelnden Augen blickte er wütend nach unten in das schmerz- und vor allem angsterfüllte Gesicht des Mannes. Er hatte sein Handy fallen gelassen und starrte Luïs mit geweiteten Augen an. Ein kleines Wimmern entwich seiner Kehle und er hob abwehrend die Hände.

„Bitte", wimmerte er nur, doch Luïs schien es kaum zu hören. Er riss den Kopf des Mannes nur noch weiter zurück, damit dieser ihn ansehen musste.

Für einen kurzen Moment war ich einfach nur geschockt und hatte auch ein wenig Angst vor meinem Soldaten. Ich fing mich aber schnell wieder.

„Was wolltest du von der Prinzessin? Bist du ein Spion? Ein Auftragsmörder vielleicht? Sag, für wen arbeitest du?!", knurrte Luïs den armen Mann wutentbrannt an.

Schnell schloss ich meinen offenen Mund und ging auf die beiden zu. Ich musste das beenden. Nachher landeten Luïs und ich noch in einer Gefängniszelle.

So viel zu keine Aufmerksamkeit erregen. Was dachte der sich nur?

Mit wenigen Schritten stand ich bei dem Soldaten. Er wand seinen Blick keine Sekunde von dem Mann und schien nicht einmal mehr zu blinzeln. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter und fixierte seine Augen von der Seite.

„Luïs, lass ihn los", sagte ich ruhig und ernst.

„Es war nur ein Versehen. Nichts ist passiert. Dieser Mann wollte mir nichts tun, lass ihn los", fuhr ich eindringlich fort. Der Soldat schien sich immer noch nicht weg bewegen zu wollen und blickte weiterhin starr auf den Mann, der kniend vor uns saß.

Jetzt wand ich meinen Blick dem Mann zu und er sah mich angsterfüllt an. Tränen rannen seine Wangen hinunter. Er hatte wirklich Todesangst.

„Es tut mir leid. Ich wollte das nicht, bitte. Ich habe eine Familie, eine Tochter. Ich bitte euch, es tut mir leid", brachte er weinend hervor und schaute mir flehend in die Augen. Dieser Anblick tat mir im Herzen weh. Dieser Mann war unhöflich gewesen, doch nun tat er mir einfach nur leid. Solche Angst, die sich gerade in seinen Augen spiegelte, hatte niemand verdient zu fühlen.

„Luïs", sagte ich erneut und schaute ihn an. Er blickte starr auf den Mann.

Behutsam legte ich meine Hand auf seine, die sein Schwert umfasste. Er ließ es zu.

Daughter of a GodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt