Eine Leere, die mich förmlich erdrückte

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Ich hörte die Stimmen. Ich wusste, dass ich aufgeflogen war, doch ich konnte mich nicht wehren. Ich war einfach am Ende.

Jemand hob mich hoch. Ich wollte mich aus den Armen der Person befreien, wollte aufschreien, wollte um mich treten, aber ich schaffte es nicht. Selbst meine Augenlider waren so schwer, dass ich sie nicht einmal öffnen konnte, um zu sehen, was vor sich ging.

Da war sie wieder. Die schwarze Dunkelheit. Sie wollte wieder die Oberhand ergreifen, mich mit sich ziehen.

Erst versuchte ich, sie abzuschütteln, wach zu bleiben, doch sie war einfach viel stärker als ich und so fiel ich. Fiel zurück in die Dunkelheit, zurück in meine Träume. Zurück dorthin, wo ich seltsamerweise Angst verspürte.

Lilliania,

kleine Asin"

Oh nein, da war sie wieder. Die Stimme. Oder sollte ich besser sagen, da war ich wieder. Wieder in der schwarzen Leere. Ich wollte hier nicht sein, wollte wieder an die Oberfläche, doch je mehr ich mich dagegen wehrte, desto tiefer fiel ich.

Hab keine Angst kleines Mädchen"

Das ist wohl leichter gesagt als getan. Ich schloss die Augen, da ich ja eh nichts sehen konnte und atmete tief durch.

Lizzy?", fragte eine Frauenstimme und ohne zu zögern, riss ich meine Augen auf und sah sie.

Mum?"

Hallo Liebes", antwortete sie mir. Plötzlich verspürte ich keine Angst mehr. Ich fühlte mich sicher, geborgen, während ich meiner Mutter in die Augen blickte.

Oh Mama", seufzte ich und umarmte sie. Ihre Wärme ließ mich mich zu Hause fühlen, wieder willkommen und so so sicher.

Ich hab dich vermisst, auch wenn ich nicht lange weg war. Was ich alles erlebt hab. Du würdest mir niemals glauben", nuschelte ich in ihre Haare. Ich spürte wie sie über meinen Kopf strich und ich hätte niemals mehr diese Umarmung verlassen wollen, wenn da nicht diese eine ungeklärte Sache zwischen uns stände. Mein Vater. Oder besser gesagt, mein vermeintlicher Vater, von dem ich hoffte, er sei es nicht wirklich und es würde nur ein Missverständnis sein.

Ich befreite mich also aus der Umklammerung und schaute meiner Mutter in die Augen. Sie wirkten freundlich und gütig wie immer, doch etwas war anders. Ich konnte nicht beschreiben was, aber es fühlte sich nicht echt an.

Mum, wegen meinem Vater -", begann ich, bis ich etwas bemerkte. Ich schaute an mir herunter bis mein Blick bei meinen Händen und meinem Bauch inne hielt.

Blut.

Alles war voller Blut. Erst dachte ich es wäre meins, doch das war es nicht. Geschockt blickte ich zurück zu meiner Mutter. Mein Atem stockte. In ihren Augen sah ich Schmerz, Angst, Verzweiflung. Überfordert blickte ich umher.

Da, an ihrer Taille, ihr ganzes weißes Kleid hatte von dort aus eine rote Färbung angenommen, die sich immer weiter ausbreitete.

Mum?", fragte ich zitternd. Was war passiert?

Im nächsten Moment schwankte sie und ich konnte sie mit Mühe stützen. Vorsichtig legte ich ihren Körper auf den Boden und kniete mich neben sie.

Tränen stiegen mir in die Augen und rannten kurze Zeit später in Massen über mein Gesicht.

Angespannt, verzweifelt drückte ich meine Hände auf ihre Wunde und schluchzte.

Mami?"

Sie antwortete mir nicht mehr. Ich sah wie das Leben langsam aus ihren Augen schwand und begann noch heftiger zu schluchzen.

Sie lächelte. Sie lächelte mich einfach nur an. Langsam hob sie ihre Hand und legte mir diese an die Wange.

Tränen liefen und liefen über mein Gesicht, während ich dieses an sie schmiegte.

Mami, alles wird gut", sagte ich, doch ich wusste, dass es nicht so sein würde. Ich rief erst gar nicht um Hilfe, weil ich wusste auch, dass niemand anderes hier war.

Oh Gott Mami", schrie ich hysterisch auf und nahm ihre Hand in meine.

Sie durfte nicht gehen. Nein, sie durfte mich nicht verlassen! Was sollte ich denn ohne sie? Dann war ich ganz allein, hatte niemanden mehr.

Ich durfte sie nicht verlieren! Um keinen erdenklichen Preis! Niemals!

Bitte bleib bei mir", schluchzte und flehte ich sie an.

Ganz vorsichtig legte ich meinen Kopf auf ihre Brust und drückte ihre Hand ganz fest. Sie durfte jetzt einfach nicht aufgeben. Gleich würde Hilfe kommen. Ganz sicher. Es musste einfach so sein.

Die Tränen liefen immer noch und ich hätte vermutlich ein ganzes Fass mit ihnen füllen können.

Ich wollte nicht, dass sie ging. Ich konnte es nicht zulassen.

Plötzlich hob und senkte sich ihr Körper nicht mehr. Ich hörte sofort auf zu schluchzen und es war still. So eine Stille hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Ja, gefühlt, denn sie erdrückte mich förmlich. Nahm mir die Luft zum Atmen, presste meine Lungenflügel zusammen. Ließ mich nicht mehr los.

Vorsichtig setzte ich mich auf und schaute in pure Leere.

Ja, Leere.

Leere in den einst so gütigen, freundlichen Augen, die nun verblasst waren.

Jeder, der schon mal einen Toten gesehen hat, weiß, wie wahre Leere und Ausdruckslosigkeit aussieht.

Als wäre nie etwas Anderes da gewesen.

Glasig und kalt.

Ausdruckslos und leer.

Dieser Anblick zerstörte meine ganze Welt und zerstörte mich gleich mit.

Ich saß da, regungslos. Tränen rannen nun weiter über mein Gesicht, aber ich gab keinen Ton von mir. Zu geschockt, um zu schluchzen.

Ich saß nur da und schaute auf den leblosen, toten Körper von meinem Ein und Alles, meinem Leben, dem was immer da gewesen war, nur um zu sehen, dass es nun für immer weg sein würde.

Jemand packte mich von hinten.

Ich schrie, ich trat, ich wehrte mich.

Ich durfte nicht gehen, konnte sie nicht alleine hier zurück lassen, durfte nicht aufbrechen.

Aber die Person war zu stark. Sie umklammerte mich und trug mich weg.

Ich schrie sie an, schrie was das Zeug hielt, in der Hoffnung sie würde mich herunter lassen, zurück zu meiner Mum gehen lassen. Meiner Mum, die nun tot war, was nicht sein konnte, was nicht sein durfte.

Ich schrie so laut, wie es mir meine Stimme ermöglichte, rief nach meiner Mutter und genau dieses Geräusch brachte mich schweißgebadet und zitternd zum Aufwachen.





Ein weiteres Kapitel ist fertig und es tut mir leid, aber Lizzy hat wohl ihren Onkel immer noch nicht kennenlernen dürfen, dafür aber im nächsten Part auf jeden Fall.

Nach diesem schrecklichen Traum ist sie natürlich froh endlich aufgewacht zu sein, denn es war ja nur ein Traum oder nicht?

Zu viele Fragen, die sich aber bald klären werden.

Ich werde wie immer versuchen so oft zu schreiben wie es geht.

(Zudem vielen lieben Dank an Ninjo27 (liebe Nina) für die süßen Kommentare. Ich kann leider irgendwie nicht darauf antworten, aber sie machen mich glücklich und motivieren sehr. Danke dir von Herzen :))

Daughter of a GodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt