Noch ist nichts passiert

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„Eine Vision?", hackte ich nach und konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

„Also das es Götter gibt, das weiß ich ja, aber Visionen? Das ist doch ein schlechter Scherz. Als nächstes erzählst du mir von den Vampiren neben an und den Werwölfen im Keller?", fügte ich hinzu und musterte ihn spöttisch mit einem Lachen im Gesicht. Ich mein, das konnte ja nicht wirklich sein ernst sein, dachte ich.

Lokis Miene veränderte sich nicht. Er schien mein Lachen nicht teilen zu wollen und wirkte angespannt. Nicht sauer, aber er dachte angestrengt nach. Als er mir wieder in die Augen sah, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Er sah nicht so aus als würde er Witze machen.

Verwirrt und auch etwas nervös veränderte sich mein Blick und heftete sich eindringlich an seine Augen.

„Visionen gibt es nicht", sagte ich mehr zu mir selbst, als zu ihm. Wieder antwortete er nicht. Sah mich nur ratlos an. Als würde er nicht genau wissen, wie er mir das erklären sollte.

Panik kam in mir hoch. Visionen? Das war nicht möglich. Davon hatte ich noch nie gehört. In Ordnung, das war ein schwaches Argument, schließlich hatte ich noch nie mit einem Asen – vor Thor, meiner Mum und Loki – über solche Themen gesprochen.

Meine Stimme war nur noch ein Flüstern.

„Oder?"

Hilfesuchend schaute ich in die Augen meines Vaters. Er seufzte laut und stand auf.

Ich befürchtete schon, er würde gehen und mich alleine zurück lassen, aber er ging nur auf und ab vor der Couch. Dabei strich er sich in Gedanken übers Gesicht und raufte sich die Haare.

„Oder?", fragte ich mit etwas mehr Nachdruck, nachdem ich meine Stimme und meinen Mut wieder gefunden hatte.

Ich wusste doch gar nichts über Visionen. Vielleicht waren sie ja gar nicht so schlimm, wie ich mir das alles vorstellte. In Filmen war das mal ein gutes, mal ein schlechtes Zeichen, wenn jemand solche Träume hatte, die eben wahr wurden. Warte. Wahr wurden?

Heilige Scheiße. Das – das durfte nicht. Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende bringen ohne fast zu heulen. Meine Mum. Sie – Sie war in den Träumen gewesen. Sie – Ihr ging es nicht gut.

Das durften keine Visionen gewesen sein. Nein, das ging einfach nicht.

Meine Nackenhaare sträubten sich und ich spürte eine erneute Gänsehaut, die sich über meinen Körper zog. Sie machte mir Angst, hüllte mich ein, nahm mir die klaren Gedanken.

„Hey, Kleines". Lokis Stimme ließ mich aufschauen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sich neben mich gesetzt hatte und mir nun behutsam die Tränen von der Wange strich.

Tränen? Wann war das wieder passiert?

Verwirrt und vor allem angsterfüllt schaute ich zu ihm.

In diesem Moment wirkte er so freundlich, gutherzig, aufrichtig und ich fühlte mich wohl.

Mein viel zu schneller Puls beruhigte sich augenblicklich, als ich seine grünen Augen beobachtete.

Es war still und abgesehen von meinem lauten Atem, war kein Geräusch zu hören.

Er setzte an etwas zu sagen. Schloss den Mund dann wieder, nur um ihn wenige Sekunden später erneut zu öffnen.

„Ich habe davon schon mal gelesen. In den alten Aufzeichnungen von und über Asgard. Damals hat es eine Familie gegeben. Sie waren Asen und standen in engem Kontakt mit dem damaligen König, dem Vater deines Großvaters. Die Geschichten erzählen von einem jungen Mädchen, welches schon in ihren frühen Jahren den König beriet. Das hatte für großes Aufsehen gesorgt, aber der Allvater vertraute ihr. Es hieß, sie hätte ihm die Zukunft gezeigt. Man erzählt sich, sie sei in der Lage gewesen in ihren Träumen, das Schicksal des Planeten zu sehen. Durch ihre Hilfe gelang es dem König, unzählige Schlachten für sich zu gewinnen, wenn man der Geschichte Glauben schenkt. Sie ereilte jedoch ein früher Tod und ihre Neugeborenen-Zwillinge kamen in ein Waisenhaus. Jahre später hat mein Vater, Odin, die nun Erwachsenen Asen ausfindig gemacht, doch keiner von den beiden verfügte über eine solche Gabe. So wurde die Geschichte, nichts weiter als eine Geschichte".

Daughter of a GodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt