An diesem Tag

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Mit einem verwirrten Blick starrte er mich an. Als ich seine geröteten Augen sah, fragte ich mich sofort, ob es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, her zu kommen. Ich drang damit in seine Privatsphäre ein. Was war, wenn er das gar nicht mochte? Jetzt fühlte ich mich ziemlich unwohl in meiner Haut. 

„Ich – äh", begann ich und spielte nervös an meinem Jackenärmel. Dabei wich ich seinem Blick immer wieder aus. 

„Also – ich wollte nur mal nachsehen, ob – na ja – also ob alles in Ordnung soweit ist. Also natürlich ist nicht alles gut, aber ich meinte einfach -", fuhr ich fort und fühlte mich von Wort zu Wort immer unbehaglicher und auch dümmer. 

Wieso war ich nur her gekommen? 

Doch dann unterbrach Diama mein peinliches Stottern, in dem er seine Hand an mein Kinn legte und meinen Kopf zu sich drehte. Nun musste ich in seine kastanienbraunen Augen schauen, die noch die Rückstände von Tränen aufwiesen. 

Er lächelte, auch wenn es nicht sein Innerstes erreichte, so versuchte er trotzdem, mir ein Lächeln zu schenken. Dann zog er mich an sich und wir umarmten uns. 

Unweigerlich sog ich seinen Geruch tief ein. Diama roch nach Wald im Herbst und Morgentau. Zudem strahlte er eine Wärme aus, in der man sich einfach nur geborgen fühlte. Wie die ersten Sonnenstrahlen, die einen auf der Haut kitzeln nach einem langen Winter.  

Wir standen dort nur wenige Minuten, bis eine Frauenstimme uns auseinander fahren ließ. 

„Diama Schatz, wer ist denn an der Tür?", rief jemand und kurz darauf hörte man Schritte. Der Soldat drehte sich um, gerade als eine Frau hinter ihm erschien. Sie war etwas kleiner als ich, hatte die selben braunen Haare wie Diama, wobei ihre ihr bis an die Hüfte reichten. Ihre Augen hatten ein mattes dunkelbraun und viele Falten hinterließen schon ihre Spuren auf dem Gesicht der Frau. Auch ihre Augen waren von Tränen gerötet und ihre Unterlippe bebte noch leicht. 

Das musste Diamas und Livias Mutter sein, dachte ich. 

Die Frau lächelte nicht und ihrer Trauer war Verwirrung und auch Abneigung gefolgt, als sie mich sah. Sie musterte mich eindringlich von Kopf bis Fuß. Dabei verzog sie abschätzig die Lippen.

Verübeln konnte – und wollte – ich es ihr aber nicht, denn schließlich hatte ich immer noch meine Klamotten an, die ich von Midgard hatte. Hier wirkte dieses Outfit wirklich fehl am Platz und ein wenig so als wäre ich eine Irre. Also konnte ich schon verstehen, warum sie mich so ansah. Trotzdem war es kein schönes Gefühl. 

Wenn sie nur wüsste, ging es mir durch den Kopf. 

„Diama, wer ist das?", fragte sie erneut und blickte nun etwas wütend zu ihrem Sohn. 

„Mutter, also ähm – das ist -", hilfesuchend schaute Diama zu mir, während er das sagte. Ich nahm ihm die Entscheidung ab, wie er mich vorstellen sollte und antwortete stattdessen selbst auf die Frage seiner Mutter. 

„Lilliania, freut mich sehr", sagte ich und lächelte die Frau herzlich an. Ihr Blick jedoch glitt nur noch einmal über mich und diese Verachtung in ihren Augen versetzte mir einen Stich. 

„Und wie können wir Ihnen helfen?", fragte sie dann abschätzig.

Gerade als ich zu einer Antwort ansetzten wollte, da kam mir Diama zuvor.

„Also sie ist eine Freundin von – ähm – der Arbeit und sie wollte vorbei kommen, um – ähm – etwas zu besprechen. Wegen der Arbeit, du weißt schon"

Diamas Mutter musterte ihn nun kritisch. Dann jedoch wandte sie sich ab, murmelte etwas und ging zurück ins Haus. 

Mein Blick huschte zu dem Soldaten, der mich ebenfalls ansah. 

Daughter of a GodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt