14. Translator Needed

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»Eine Sekunde ... Excusez-nous une seconde«, sprach ich lächelnd in Richtung des Mannes und packte Silver unsanft am Ärmel seines Anzugs. Dann zog ich ihn hinter eine Säule, welche uns vor den Blicken des Mannes abschirmte.

»Was soll das?«, fragte ich harsch.

»Jetzt reg dich nicht so auf. Du hast heute eh nichts vor.«

Überrascht, dass er anscheinend meinen Kalender kannte, erwiderte ich: »Ich spiele aber an meinem freien Tag nicht deine Übersetzerin. Außerdem ist mein Französisch viel zu schlecht dafür. Wieso musst du mich da reinziehen?«

Silver lehnte sich gegen die steinerne Säule und verschränkte seine Arme.

»Der Typ folgt mir jedes Mal, wenn ich in Paris bin. Er ist vermutlich von irgendeinem Klatschblatt und will unser Team in einen Skandal verwickeln, weil wir nächste Woche gegen Paris spielen.«

Ich hatte keine Ahnung, wen er meinte.

»Das ist zwar nervig aber noch einmal. Warum ziehst du mich damit rein?«, fragte ich erneut.

»Nun ja«, Silver strich sich mit seiner linken Hand unsicher durch die Haare. »Er hat Fotos gemacht, wie ich dir die Zimmerkarte zugeschoben habe und jetzt will er es so hindrehen, als ob wir ... Du weißt schon.«

Ich zog eine Augenbraue hoch. »Er will dich als Perversling darstellen?«

Silver schloss seine Augen und klatschte sich mit der Hand auf seine Stirn. Anscheinend hatte er gehofft, dass ich es nicht aussprechen würde.

»Sag das nicht so laut, aber ja. Er hat mich konfrontiert, als ich aus dem Speisesaal kam und dann bist auch schon du reingestolpert.«

»Na gut«, begann ich, »aber was soll ich jetzt tun?«

»Wenn die Öffentlichkeit weiß, dass wir zusammenarbeiten, dann kann er mich nicht als oberflächlich Fußballer darstellen, der schönen Frauen seine Zimmerkarte zuschiebt«, antwortete Silver.

Wow, ich befürchtete, dass dieser Plan nicht so aufgehen würde, wie er es sich erhoffte. Warte. Hatte er mich gerade schön genannt?

»Ich habe heute Vormittag Termine mit möglichen Sponsoren und heute Abend gehe ich auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Wenn du mich heute begleitest, dann sind seine Fotos wertlos, weil es seriöse Fotos von uns geben wird.«

Ich zog unerfreut eine Augenbraue hoch. Er tat gerade so, als wäre ich scharf darauf mit ihm fotografiert zu werden. »Um ehrlich zu sein jedes Foto, in dem ich mit dir zu sehen bin, ist eines zu viel.«

»Okay, na gut«, begann er sarkastisch, »also ist es dir lieber, dass dein Gesicht auf den Titelblättern der Klatschzeitschriften dieser Welt zu sehen ist?«

Für wen hielt er sich eigentlich?

»Jetzt komm Mal runter. Du bist weder Ronaldo noch Messi. Sorry, aber wahrscheinlich landen wir auf irgendeiner Seite mit anderen D-Promis. Niemand liest und nimmt diese Artikel ernst.«

Silver blinzelte und sah mich an, als hätte ich gerade gefragt, ob eins plus ein Zwei wäre.

»Evans ...«, er nahm einen tiefen Atemzug, »Ich treffe gleich Vertreter von Rolex, die mich als global Brand Ambassador anfragen. Danach gehe ich zu der Pressekonferenz für den Sneaker, den ich in Kooperation mit Nike entworfen habe. Zum Schluss gehe ich zu einem Interview bei der Vogue.« Er legte eine kurze Pause ein. »Ich weiß nicht, ob du das begreifst, aber ich bin der Kapitän der Toronto J Kings. Das Team, das es in ihrer ersten Profi-Liga-Saison gleich ins Cup-Finale geschafft hat. Wenn ich nächste Woche gut spiele, kann es sein, dass mir Paris-Saint-Germain ein offizielles Angebot macht.«

Okay, nun schien das Ganze schon eine größere Sache zu werden. Vielleicht hätte ich mich über Silver und die J Kings im Voraus etwas informieren sollen.

»Na gut, ich muss zugeben, das hört sich wichtig an ...«, stimmte ich ihm halbherzig zu. Wenn seine Ausführungen stimmten, dann könnten die Fotos auch den Vertrag mit Philippe Vinci und meiner Anstellung als Rookie Director schaden.

»Aber was soll ich als deine Übersetzerin? Selbst, wenn ich im Ansatz verstehe, was die sagen, kann ich niemals für dich auf Französisch antworten.«

»Mach dir keine Sorgen. Wenn heute irgendein Termin auf französisch wäre, dann hätte ich einen Übersetzter zur Verfügung gestellt bekommen. Hab ich aber nicht«, versuchte Silver, mich zu beruhigen. »Also bist du dabei?«

Überzeugt war ich nicht.

»Was habe ich denn für eine Wahl?«

Silver war sichtlich erleichtert. »Danke, Sophie. Du rettest mir echt meinen Arsch.« Er lachte, doch ich behielt meinen genervten Blick.

»Nichts zu danken. Ich mach's ja nicht für dich. Das war's dann wohl mit meinem einzigen freien Tag in Paris. Au revoir Louvre ...« Ich hatte mich auf meinen Besuch im Museum echt gefreut.

»Na gut, was machen wir heute alles?«, frage ich.

Silver schaute auf seine Uhr. »Das Taxi für die Pressekonferenz kommt in fünf Minuten. Danach Interview, anschließend das Treffen mit Rolex, irgendwann etwas essen und dann gegen Abend Styling für die Gala, welche bis Mitternacht andauert«, ratterte er monoton hinunter.

»Du willst mich verarschen, oder?«

Silver schüttelte den Kopf.

»Schau mich an!« Ich zeigte an mir hoch und runter. »Wie soll ich in fünf Minuten für eine Pressekonferenz passend angezogen sein? Außerdem habe ich nichts für eine Gala in meinem Koffer.«

Silvers Plan, mich den ganzen Tag an ihn zu binden, schien nicht aufzugehen.

»Jetzt denk nicht so viel drüber nach. Ich muss eh noch meinen Anzug für heute Abend abholen. Da finden wir auch etwas Schönes für dich.«

Silvers unverbesserlicher Optimismus brach ihm hoffentlich irgendwann das Genick.

»Das geht niemals gut, Silver«, jammerte ich leise. Ich hasste diese Ungewissheit. Immerhin machte ich mir schon genug Sorgen. Noch mehr auf den Haufen der Ungewissheit hinzuzufügen, erschien mir äußerst dumm.

»Jetzt vertrau mir Mal!« Er nahm meine Hände in seine. »Was soll schlimmes passieren?« Ich lächelte ihn als Antwort spöttisch an und zog meine Hände aus seinen. Er blickte mich erwartungsvoll an und wartete auf meine finale Antwort.

»Na gut. Ich mach es!« Mir war nicht wohl bei der Sache, doch Silver war sichtlich erleichtert.

»Du wirst es nicht bereuen, Evans! Das verspreche ich!«

Ob Silver das sagte, um mich oder sich selbst zu beruhigen, wusste ich nicht. Allerdings konnte ich rückblickend sagen, dass dieser Plan von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.


Sweet Revenge in Paris | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt