Philippe sah meinen verwirrten Blick und fügte schnell hinzu: »Oh, ich meinte das nicht so. Ich dachte nur, dass du nicht zurückwillst, wenn du gerade Stress mit Silver hast.« Er lächelte peinlich berührt. »Hier hast du ein eigenes Zimmer.«
Philippe hatte Recht. Ich könnte mir wirklich schönere Dinge vorstellen, als mich mit Silver im gleichen Raum aufzuhalten. Abstand zur Situation würde mir guttun.
»Das Angebot ist wirklich großzügig, aber ich will keine Umstände machen ...«, antwortete ich, doch Philippe winkte sofort ab. »Das macht keine Probleme. Ich habe fünf Gästezimmer und morgen früh setze ich dich einfach auf dem Weg zur Arbeit beim Hotel ab.«
»Danke, du bist der Beste! Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.« Ein Stein fiel mir vom Herzen.
»Das ist doch nichts.« Er lächelte auch, doch sah er mich nicht direkt an. »Du weißt ... also ich fände ich es schön, wenn wir Freunde sein könnten. Ich verbringe gerne Zeit mit dir. Ich hab jetzt nicht viele Leute, von denen ich das behaupten kann.«
Philippe wirkte fast schüchtern. Ich konnte wenig vom selbstbewussten Mann erkennen, der sich vorhin an mich geschmiegt hatte.
Ich lächelte zufrieden, denn ich war froh, dass er mir die Abfuhr nicht übel nahm. »Mir geht es genauso!« Philippe nickte zufrieden.
»Gut, meine Freundin, dann werden wir mal sehen, wo du heute schlafen wirst. Wie gesagt, fünf Zimmer sind frei. Du kannst gerne wählen.«
Philippe gab mir eine Tour durch das Apartment und zeigte mir jeden Raum. Insgesamt kam das Apartment auf über zehn Zimmer und ich war erstaunt, wie er hier alleine leben konnte.
Schließlich entschied ich mich für ein Zimmer gleich im ersten Stock, neben dem Bad. Es war das kleinste der Fünf, allerdings immer noch riesig und völlig ausreichend für mich.
Philippe wünschte mir eine gute Nacht und ging wieder nach unten. Das Zimmer hatte alles, das ein Hotelzimmer zu bieten hatte. Mit einer Einwegzahnbürste putzte ich meine Zähne und legte mich gleich ins Bett. Ich musste vier Zierkissen auf das kleine Sofa neben dem Bett legen. Die Einrichtung wich stark vom eleganten doch schlichten Stil des Wohnbereiches ab.
Vom Bett aus konnte ich über Paris blicken. Es war zwar schon Nacht, dennoch wuselte es auf den Straßen. Ich beobachte das Nachtleben für eine Weile, doch dann fing ich an, über Silver nachzudenken.
Fragte er sich, wo ich blieb, oder hatte er ein Zimmer für mich gefunden? Ich griff nach meinem Handy, um zu checken, ob er mir vielleicht eine Nachricht geschrieben hatte, doch vergebens. Warum hoffte ich überhaupt darauf?
Sollte ich ihm schreiben? Ich hatte das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen, auch wenn ich nicht wusste wofür genau.
Ich öffnete den Chat und überlegte, was ich schreiben sollte.
»Ich komme heute nicht. Warte nicht auf mich«, murmelte ich vor mich hin, während ich es eintippte, löschte es aber kurz darauf wieder unzufrieden.
Nein, das hört sich an, als dachte ich, er würde auf mich warten ...
Ich ließ mein Handy auf das Bett neben mir fallen und drehte mich auf den Rücken. Mit weit ausgesteckten Armen und Beinen starrte ich an die Decke. Ich fragte mich, ob es sich überhaupt lohnte, an Silver festzuhalten. Wir waren einfach nicht kompatibel.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und griff mit der rechten Hand nach meinem Handy. Ich hielt es nach oben über mich und versuchte, es einzuschalten, doch der Bildschirm blieb schwarz.
Genervt klopfe ich mit meiner Handfläche auf das Telefon, so als könnte ich es so zum Einschalten zwingen. Natürlich passierte nichts. Die Batterie war komplett leer.
Müde legte ich mein Handy auf den Nachtisch. Dann bekam Silver halt keine Nachricht.
Ich kuschelte mich ein und blickte noch ein bisschen aus dem Fenster, doch schnell verschwammen die Bilder vor meinen Augen und ich schlief ein.
Anders als erwartet, weckte mich Philippe nicht am nächsten Morgen. Ich wurde von alleine wach. Etwas schepperte im Wohnbereich. Ein Blick auf die Wanduhr sagte mir, dass es kurz vor vier Uhr mitten in der Nacht war.
Ich überlegte kurz, ob ich überhaupt aufstehen und nachsehen sollte, doch ich entschied mich dafür. Immerhin könnte weiß ich was passiert sein.
Leise öffnete ich die Tür. Das Apartment war in Dunkelheit gehüllt und strahlte eine gespenstische Atmosphäre aus.
»Hallo?«, fragte ich in die Leere des Flurs, doch ich bekam keine Antwort. Unsicher blickte ich von Links nach rechts, bevor ich in den Gang trat. Leise tippelte ich die paar Meter zur Galerie und reckte meinen Kopf, um nach unten auf den Pool im Erdgeschoss zu blicken.
Ich sah Philippe, welcher wie zuvor auf dem Sofa saß und um ihn rum war ... Blut?!?
Erschrocken riss ich die Augen auf.
Schnell rannte ich die Stufen hinunter und blickte, besorgt zu Philippe.
»Alles in Ordnung?!«, fragte ich aufgebracht. Erst jetzt bemerkte er mich, drehte seinen Kopf um und sah mich mit einem ausdruckslosen Blick an.
Ich kniete mich zu ihm und kümmerte mich nicht, dass meine Kleidung die rote Flüssigkeit aufsog, wie ein Schwamm. Teilweise floss das Blut bereits in den Pool und verfärbte das Wasser.
Geschockt von seinem Anblick, begann ich seinen Körper nach Verletzungen zu scannen. Sein graues T-Shirt wies einen kreisrunden Fleck an der Seite seines Bauches auf. Schnell drückte ich meine Hand darauf, um die Blutung wenigstens etwas zu stoppen. Verdammt, hatte wer auf ihn geschossen?
Mit müdem Blick schaute er durch mich hindurch und begann kurz darauf abwesend zu lächeln. Er schien schon ganz benebelt zu sein. Bei so viel Blut, wie er bereits verloren hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er ohnmächtig wurde.
Mein Blick flog unsicher durch den Raum auf der Suche nach einem Telefon, mit welchem ich die Rettung verständigen konnte.
Und tatsächlich auf den Küchentisch sah ich Philippes Handy liegen. Ich nahm seine Hand und presste sie auf die Wunde.
»Lass hier nicht los, okay? Und schlaf nicht ein!« Ich stand auf und wollte gehen, doch Philippe griff nach meinem Handgelenk und stoppte mich.
»So ... Sophie ...«, hauchte er kaum hörbar. Er winkte mich schwach mir seiner anderen Hand zu sich. Was wollte er mir jetzt sagen? Vielleicht wusste er, wer ihm das angetan hatte, aber dafür war jetzt keine Zeit. Er war kurz davor, zu verbluten, und wenn ich nicht schnell Hilfe holte, könnte er sterben.
Doch Philippe ließ mich nicht gehen und zog mich an sich. Ich war gezwungen mich neben ihm niederzulassen. Die glasigen Augen starrten mich eindringlich an und er bewegte seinen Lippen, doch hörte ich kaum etwas.
Schließlich verstand ich ein paar Silben.
»Has ... Hast du ...« Ich drehte meinen Kopf, sodass ich ihn besser hören konnte. Konzentriert versuchte ich, zu erraten, was er sagen wollte, dann schaffte es Philippe, zusammenhängende Silben zu bilden und was er mir sagte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
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Sweet Revenge in Paris | ✔️
Romansa[WATTYS 2023 SHORTLIST] Sophie dachte mit der Geschäftsreise nach Paris das große Los gezogen zu haben. Doch bald muss sie feststellen, dass nicht nur ihre Träume mit im Flieger sitzen, sonders auch ihr erbitterter Highschoolrivale Silver. Silver un...