27. Versteckspiel

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Ich schaute zu Olivia, doch sie wich meinem Blick aus.

»Was soll das heißen?«, fragte ich teils verwirrt, teils ängstlich.

»Ist dir dieser ganze Plan, nicht schon von Anfang an komisch vorkommen? Ja, dieser Fotograf will wirklich aus allem einen Skandal machen und ja, die Thematik ist schwierig, aber come on. Der Reporter hat ein Foto von euch. Dank des gestrigen Tages gibt es jetzt hunderte Fotos, die euch in Verbindung stellen. Wenn Leute einen Grund brauchen, um über euch zu reden, dann haben sie den dadurch bekommen.«

Olivia begann zu grinsen, während sich ein flaues Gefühl in mir ausbreitete.

»Bitte sag mir nicht, dass dir das nicht klar war?«, fragte sie ein Spur fassungsloser.

Ich richtete meinen Blick auf die Wand neben ihr und stützte meinen Kopf ab.

»Du hast ja Recht.« Ich schlug mir theatralisch ein auf den Kopf. »Wie konnte ich so dumm sein?« Ja, ich hatte Zweifel und ich wusste, dass der Plan Lücken hatte, aber das alles hatte ich ignoriert.

»Nimm's nicht so schwer. Du bist nicht die Erste und nicht die Letzte, die er so behandeln wird«, versicherte mir Olivia. »Nur gut, dass du keine Gefühle für Silver hast«, versuchte mich Olivia aufzumuntern und wartete, dass ich zustimmte. Allerdings konnte ich das nicht. Zumindest nicht sofort, denn in meinem Kopf tauchten die Bilder von dem Kuss auf. Olivia zog ihre Augenbrauen in Reaktion auf meine Stille nach oben.

»Warte! Magst du ihn?!«, fragte sie aufgebracht, doch ich winkte sofort ab.

»Nein, natürlich nicht! Ich dachte nur, dass wir mittlerweile so etwas wie Freunde wären. Allerdings hat er mich im Glauben lassen, dass dieses Foto meine Karriere zerstören könnte.«

Zufrieden mit meiner Antwort, nickte Olivia. »Nimm's ihm nicht zu übel. Ich glaube, dass ihr Freunde seid, aber du musst verstehen, wie das für ihn ist.«

Etwas wütend antwortete ich: »Aber gerade das verstehe ich nicht. Hat er nicht davon geredet, dass sein Image makellos bleiben muss, weil er als die Nummer eins unter ständiger Beobachtung steht?«

Olivia zuckte mit den Schultern. »Jeder will Nummer eins werden, aber die Nummer eins zu bleiben ist viel schwerer. Es stimmt schon, dass du als Nummer eins am tiefsten fallen kannst. Du darfst nicht langweilig werden, sonst kommt jemand Neues und nimmt deinen Platz ein. So ist das nun Mal.«

»Hmm.« Ich versuchte abzuwiegen, was ich von Silver Aktion halten sollte. Das muss ja nicht heißen, dass alles nur für die Publicity geschehen ist. Allerdings entschuldigt das nichts. Wenn er mich umsonst durch halb Paris geschleppt hat und gar nicht die Absicht hatte, einen Skandal zu vermeiden, dann war er ein Arsch.

»Auch wenn es schwer für ihn ist, gibt ihm das nicht das Recht dich da mit rein zuziehen«, stimmte Olivia zu. »Ich versteh das total. Du solltest einfach Mal mit ihm reden. Dann könnt ihr dieses Theater sein lassen.«

Ich nickte. »Mach ich, aber ich muss jetzt wirklich aus seinem Zimmer ausziehen.« Ich richtete mich auf, strich meine Kleidung glatt und warf mir im Spiegel einen selbstsicheren Blick zu. Ich sah immer noch nicht wieder normal aus, allerdings ging es mir schon besser.

»Kommst du mit zur Rezeption?«, fragte ich Olivia und reichte ihr eine Hand. Sie nahm diese entgegen und wir verließen in der Hoffnung, dass die Journalisten verschwunden waren, die Toilette.

Jedoch war dies nicht der Fall. Sie sammelten sich um eine Person, welche etwas erhöht, inmitten des Eingangsbereichs neben der Rezeption stand. Bei genauerem Hinsehen konnte ich den wilden Lockenkopf von Niki erkennen. Sie schien die Masse an Journalisten aus dem Hotel weisen zu wollen, doch diese schienen Nikis Aufforderungen nicht Folge zu leisten.

Wir blieben stehen, denn wenn sich die Journalisten umdrehten, würden wir sie anziehen, wie das Licht die Motten. Niki hatte den gleichen Gedanken, denn nachdem sie uns entdeckt hatte, signalisierte sie uns die Lobby zu verlassen.

Olivia drehte sich sofort um und ging in die Richtung des Stiegenaufgangs, welcher zu den Zimmern führte, doch ich zögerte. Wenn ich jetzt zurück auf Silvers Zimmer ging, dann würde es vermutlich noch länger dauern, bis ich mein eigenes Zimmer bekam.

Olivia bemerkte, dass ich ihr nicht folgte und kam zurück. Sie schien sofort zu wissen, woran ich dachte.

»Wenn du jetzt zur Rezeption gehst, kann ich dich nicht nochmal retten.«

Ich stieß ein verzweifeltes Seufzen aus und folgte Olivia aufs Zimmer.

Dort angekommen ließ ich mich erschöpft auf das Bett fallen und schlug wie ein Kind gegen ein Kissen.

»Ich hätte jetzt wirklich gerne ein eigenes Zimmer«, beschwerte ich mich trotzig.

Olivia antwortete mir nicht. Sie ging zu den Fenstern und zog die Vorhänge zu. »Keine Sorge. Ich erledige das später für dich. Bleib du hier und nimm keine Anrufe von unbekannten Nummern an. Diese Reporter sind schnell.« Sie ging auch zum Zimmer Telefon und zog den Stecker. »Mach nur die Tür auf, wenn du dieses Klopfzeichen hörst.« Sie klopfte mit der Rückseite ihrer Fingernägel demonstrativ an die Wand, was mich an Regen, der auf ein Autodach prasselt, erinnerte.

Ich nickte und fühlte mich sofort sicherer. Für Olivia schien es Routine zu sein. Vermutlich musste sie das öfters machen.

Nachdem sie den Raum verlassen hatte, überlegte ich, was ich jetzt tun könnte. Ablenkung schien mir die beste Idee zu sein und so öffnete ich meinen Laptop, um YouTube zu schauen. Schlechte Idee.

Ich wurde von Promi News Kanälen begrüßt, welche bereits umfassend über Silver berichten. Auf den Thumbnail winkte mir Silver sowie viele rote Pfeile, Fragezeichen und Frauengestalten mit unkenntlichen Gesichtern entgegen. Die Videos hatten bereits knapp 60 Minuten nach Upload um die hunderttausend Views. Ich hatte nicht vor, auch nur eines dieser Videos anzusehen, doch es siegte die Neugier.

Beim Lesen der Schlagzeilen fiel mir die Farbe aus dem Gesicht. Ein Video berichtete über mich als ›Nutte‹, ein anderer Artikel nannte mich ein Party Girl und Model aus gutem Hause. Fast alle Artikel enthielten meinen vollen Namen und Fotos von meinem Instagramaccount, obwohl mein Profil nicht öffentlich war.

Mein Leben war plötzlich für tausende Leute interessant geworden und ich fühlte mich, als wäre ich in einem kleinen Raum mit Glaswänden eingeschlossen. Um mich herum herrschte wildes Blitzlichtgewitter und ich konnte nichts dagegen machen. Es war, als würde ich einen schlechten Film sehen.

Ich spürte die Paranoia in mir aufkommen. Alle fünf Minuten checkte ich, ob die Vorhänge auch wirklich geschlossen waren. Das helle Ping meiner Benachrichtigen ließ mich jedes Mal erschrocken zusammen zucken. Ich schwitzte am ganzen Körper, doch war mir eiskalt.

Mir war bewusst, dass ich aufhören sollte, die Artikel zu lesen, doch konnte ich mich nicht davon abhalten. Seltsamerweise gab es mir ein Gefühl der Kontrolle, wenn ich genau wusste, welche Teile meines Privatlebens im Internet breitgetreten wurden.

Nach knapp einer halben Stunde stieß ich auf den YouTube Channel der Vogue. Hier wurde gestern Abend das Interview veröffentlicht, welches Silver am Vormittag gegeben hatte. Heute früh wurde jedoch ein weiteres Video mit Silver veröffentlicht. Der fünfminütige Clip zählte bereits über eine Million Views.

Da es um acht Uhr gepostet wurde, war es älter als alle anderen Klatsch-Videos. Könnte das der Auslöser für alles sein?

Ich sammelte mich kurz und klickte auf das Video mit dem Titel ›Blicke sagen mehr als tausend Worte: Silver über seine neue Liebe‹.

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