»Vorsicht, du stößt mich noch vom Dach!«, schrie Philippe mit hörbar zitternder Stimme. Ich griff nach Silvers Oberarm und versuchte, seinen Griff zu lösen.
»Hey, lass ihn. Er hat nichts getan!«
»Warum weinst du dann? Du musst dir nicht alles gefallen lassen, Sophie!« Mittlerweile beugten sich beide Oberkörper über das ohnehin schon wackelige Geländer. Es fehlte nicht viel und beide würden fliegen lernen.
»Aber, wenn ich doch sage, dass nichts passiert ist.« Ich ließ Silvers Arm los und wechselte auf die andere Seite, sodass ich Silver ins Gesicht schauen konnte.
Silvers Blick warf Speere auf Philippe. Er hielt den Anzugkragen fest im Griff und machte keine Anstalten Philippe gehen zu lassen.
»Hey, sieh mich an!«, forderte ich ihn auf, doch Silver war komplett in einem Tunnel mit seinem Fokus auf Philippe.
Schließlich legte ich meine Finger auf Silvers Wangen und zwang ihn so, seinen Kopf zu mir zu drehen. Er kniff wütend seine Zähne aufeinander und atmete schwer.
Nun funkelten seine dunklen Augen mich an.
»Mir geht es gut!«, sagte ich leise und versuchte zu lächeln. »Es ist okay, lass ihn los.« Ich zog meine Finger langsam wieder zurück und nickte ihm noch einmal zu, um zu signalisieren, dass es mir wirklich gut ging.
Langsam verschwand die blanke Wut aus Silvers Gesicht. Dennoch war sein Gesichtsausdruck alles andere als zufrieden.
Silver drehte sich wieder zu Philippe und nach wenigen Sekunden entspannte er seinen Griff und ließ ihn los. Philippe sank zu Boden und krallte sich am Geländer fest. Silver stellte die Ellenbogen auf die Oberfläche des Geländers und vergrub seinen Kopf in den Händen.
Mein Herzschlag beruhigte sich langsam, doch spürte ich sogleich ein Stechen in der Brust. Was ist nur in Silver gefahren? Ich wusste, dass er aufbrausend sein konnte, doch solch eine Kurzschlussreaktion sah ihm nicht ähnlich.
»Geht's dir gut?«, fragte ich Silver, doch dieser starrte nur weiter in die Dunkelheit unter ihm.
»Alles bestens.«, brummte er. Ich wusste nicht, warum ich plötzlich das Bedürfnis bekam Silvers Nähe zu suchen. Immerhin hatte er gerade Philippe angegriffen. Dem Franzosen sollte mein Mitleid gelten, nicht Silver, doch warum legte ich nun meine Hand schützend auf Silvers Schulter?
Silver jedoch schüttelte meine Hand ab, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Wir fahren in zehn Minuten zum Hotel«, sagte er knapp und ging weg von mir.
Ehe ich mich versah, war Silver wieder verschwunden und ich war mit Philippe allein. Er saß immer noch am Boden und hatte das Geländer fest umklammert.
»Das tut mir so unendlich leid. Geht es dir gut?« Ich wollte ihm aufhelfen, doch er lehnte meine ausgestreckte Hand ab.
»Merci, aber geht schon wieder.«
Er stand auf und wuschelte sich durch die Haare. Einzelne Haarsträhnen hatten sich aus seinem Zopf gelöst und hangen ihm ins Gesicht. »Ich muss mich wirklich entschuldigen. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist«, wiederholte ich und hoffte, dass Philippe mit einem verständnisvollen Lächeln antworten würde, doch dem war nicht so. Er hatte die Augen verärgert zusammen gekniffen und ließ seine Hände rasch über seinen Anzug gleiten, um den Dreck vom Boden zu entfernen. Eine verständliche Reaktion von jemanden, der fast vom Dach geworfen wurde.
»Nimm es nicht persönlich, Sophie, aber deine Entschuldigungen kannst du dir sparen. Was für eine Frechheit.« Er zog seine Krawatte an und knöpfte die Jacke zu.
»Trotzdem tut es mir wirklich leid. Darf ich?« Ich trat näher auf Philippe zu und bewegte meine Hände zu seinem Hals. Für einen Moment hob Philippe überrascht seine Augenbrauen. Ich konnte nur erahnen, was sich in seinen Kopf abspielte, doch merkte er schnell, dass ich nur seinen Hemdkragen wieder ordentlich faltete.
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Sweet Revenge in Paris | ✔️
Roman d'amour[WATTYS 2023 SHORTLIST] Sophie dachte mit der Geschäftsreise nach Paris das große Los gezogen zu haben. Doch bald muss sie feststellen, dass nicht nur ihre Träume mit im Flieger sitzen, sonders auch ihr erbitterter Highschoolrivale Silver. Silver un...