Nymphen

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Unruhig gehe ich in meinem Schlafzimmer auf und ab. Ich zittere wie Espenlaub. Milan wird bald kommen, ich weiß es. Immer wieder durchquere ich das Zimmer, bis ich ein leises Stampfen hinter mir höre. Erschrocken drehe ich mich um und sehe Milan auf einmal in meinem Zimmer stehen.

»Wie bist du hier rein gekommen? Ich habe keine Tür gehört«, frage ich mit rasendem Herzschlag.

Milan grinst kühl und antwortet: »Es ist mein kleines Geheimnis. Nicht viele wissen davon. Ich kann mich teleportieren. Nicht weit, aber es ist ganz nützlich. Ich wusste nicht, ob du die Tür abgeschlossen hast.«

»Du hättest es probieren können. Sie ist es nicht. Ich wusste, du würdest kommen«, sage ich und weiche seinem immerzu durchdringenden Blick aus.

»Ich bin beeindruckt. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass du jemanden töten könntest«, meint Milan und setzt sich in Bewegung um mich zu umkreisen. Es soll wohl bedrohlich wirken, was ihm gelingt.

»Ich auch nicht«, sage ich traurig.

»Stimmt es, was du gesagt hast? Dass er dich vergewaltigen wollte?« Seine Stimme klingt ruhig, aber ich meine auch Wut heraus zu hören.

»Ja«, antworte ich und atme tief durch. »Wie wirst du mich bestrafen?«

Milan lacht auf. »Ich habe mein Urteil doch schon verkündet.«

Ich hebe meine Augenbrauen. »Das soll alles sein? Keine Strafe?«

»Nein, keine Strafe.«

»Aber warum? Normalerweise hätte ich die Todesstrafe bekommen.«

»Das weiß ich, aber ich brauche dich noch. Ich brauche doch ein Druckmittel für deinen Vater«, sagt er mit einem kühlen Grinsen. »Außerdem war es Notwehr.«

Ich seufze. »Du gibst es nicht auf. Du willst wirklich unbedingt meine Schwester heiraten. Ich habe gehört, mein Vater hat bisher nichts unternommen, um mich zurückzuholen. Daran wird sich wohl auch nichts ändern.«

Milan bleibt vor mir stehen und seine Augen formen sich zu Schlitzen. »Das glaube ich nicht.«

»Wenn du meinst ...«

»Tue mir einen Gefallen, gehe in Zukunft nicht alleine raus. Nimm Sarah mit. Es ist zu gefährlich draußen für eine junge Frau, die auch noch eine Göttin ist.«

»Du meinst für eine Göttin ohne Kräfte.«

Milan nickt.

»Ich darf wirklich das Schloss verlassen? Nachdem was geschehen ist?«

»Ich möchte dich nicht einsperren. Aber halte dich an meine Regeln. Ich möchte nicht, dass du alleine hinausgehst. Nimm Sarah mit. Halte dich vom Jahrmarkt fern und sprich am besten mit niemandem außer Sarah. Die Bürger meines Volkes sind nicht immer gut. Meine Urteile reichen nicht bei jedem zur Abschreckung gegen schändliches Verhalten. Während der Regentschaft meines Vaters haben sich viele seinem Verhalten angepasst. Er hatte eine gewisse Vorliebe für ungezogene Leute. Ich möchte sie wieder in die richtige Bahn lenken.«

»Gut.«

»Achja ... und gerate nicht wieder in Schwierigkeiten.«

»Wenn es sich einrichten lässt«, gebe ich zurück und Milan lacht kopfschüttelnd. Dann verlässt er mein Zimmer.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück spazieren Sarah und ich durch den Schlossgarten, der seitlich am Gebirge angelegt wurde. Viele Bäume, Sträucher und Blumen wurden gepflanzt, die mich an zu Hause erinnern.

»Wie können diese Pflanzen hier wachsen ohne Tageslicht?«, frage ich interessiert.

»Das sind Nachtpflanzen. Sie wachsen ohne Sonnenlicht.«

Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt