Schwerter

104 5 0
                                    

Ich verbringe den nächsten Tag nur in meinem Zimmer und lese. Sarah hat mir inzwischen die Bibliothek gezeigt und ich habe mir ein neues Buch herausgesucht. Außerdem grübele über die Zukunftsvorhersage nach. Was könnte dieser große Umbruch sein, von dem Sarina gesprochen hat? Die Antwort kennt nur Sarina und sie wird sie mir nicht verraten. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter, wenn ich daran denke, dass es keine Möglichkeit der Flucht für mich gibt. Ich muss hierbleiben. Irgendwie muss ich mich damit anfreunden. Aber die Hoffnung werde ich nicht aufgeben. Ich muss weiter auf Milan einreden. Vielleicht lenkt er doch irgendwann ein.

Sarah kleidet mich für das Abendessen ein und flicht meine Haare zu einer Hochsteckfrisur. Dann frischt sie mein Makeup auf. »Du gibst dir aber heute ziemlich Mühe«, merke ich an.

»Oh, das habe ich vergessen dir mitzuteilen. Beram, König Milans enger Vertrauter leistet euch heute Abend Gesellschaft. Für gewöhnlich speist er mit den anderen Mitgliedern des königlichen Rates außerhalb des Schlosses, aber hin und wieder isst er mit König Milan und Julian zu Abend.«

Ich lache. »Und für ihn muss ich hübsch aussehen?«

»König Milan hat mir den Auftrag erteilt, dich ein wenig herzurichten, was ich nebenbei bemerkt immer tue«, meint Sarah und zuckt mit den Schultern. Ich runzele verwundert meine Stirn.

Als Sarah fertig ist, streiche ich über den rosafarbenen Stoff meines Kleides, dass durch mehrere Unterröcke heute etwas weiter ausgestellt ist als gewöhnlich. Zarte Stoffbahnen sind an den Trägern meines Kleides angebracht, die bis zum Boden reichen.

»Du hast gute Arbeit geleistet, danke«, sage ich zu Sarah, die sich über mein Kompliment freut.

Ich muss zugeben, dass ich ein klein wenig nervös bin, als ich den Speisesaal betrete. Ob dieser Vertraute auch so griesgrämig ist wie Milan? Kaum habe ich den Raum betreten, liegen alle Blicke auf mir. Julian grinst mich aufrichtig an, Milan sieht mich grimmig und zugleich zerknirscht an, wobei mich der ältere Mann, der mir bekannt vorkommt, gekünstelt anlächelt.

»Guten Abend. Onkel Beram, das ist Amalia vom Hof des Wetters, unser Gast«, stellt mich Julian freundlich vor.

Onkel?

»Guten Abend«, sage ich höflich und neige meinen Kopf zur Begrüßung. Nun fällt mir auch ein woher ich Beram kenne. Er war der vorlaute Berater von Milan bei meiner Verurteilung. Augenblicklich ist er mir unsympathisch.

»Was für eine Augenweide du bist. Bitte nehme Platz«, sagt Beram und weist auf den Platz neben sich. Milan sitzt wie immer am rechten Kopfende gegenüber der Eingangstür und Julian zu seiner Linken. Beram sitzt zu seiner Rechten, dort wo ich sonst sitze.

»Ich freue mich dich kennenzulernen, da du unser Gast bist.«

Ich bringe ein angespanntes Lächeln zustande und mein Blick fällt auf Milan, der mich eingehend betrachtet.

»Gefällt es dir im Schloss?«, fragt Beram und beißt in seine Hähnchenkeule.

»Es ist entzückend«, gebe ich sarkastisch zurück. Ich habe keine Lust ihm etwas vorzuspielen. Er ist es, der mich gerne zum Tode verurteilt hätte.

»Du bist nicht gerade gut gelaunt. Falls es an der Verurteilung liegt ... ich wollte mich nur an das Gesetz halten. Ich hätte dich auch gerne von Anfang an verschont, weil es Notwehr war«, versichert mir Beram, doch ich glaube ihm kein Wort.

»Das weiß ich zu schätzen.« Ich mache eine kurze Pause. »Ich wusste nicht, dass ihr einen Onkel habt. Ich habe nie von einem weiteren Ursprungsgott gehört«, sage ich und sehe zu Julian, da er der einzige ist, der aufrichtig freundlich zu mir ist.

Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt