Gedicht

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»Morgen findet eine Verlobungsfeier im Nachbardorf statt. Einer der Edelleute meines Rates, mein bester Freund, hat uns eingeladen. Julian und ich gehen hin, möchtest du mitkommen?«, fragt mich Milan beim Abendessen.

»Ja gerne. Ich hoffe, ich brauche kein Geschenk.«

»Keine Sorge, wir bringen Brot und Oliven mit. So wie es Brauch ist.«

»Die Armen werden tagelang nichts anderes essen können.«

Milan und Julian lachen. »Da müssen sie durch«, sagt Julian.

Später mache ich einen nächtlichen Spaziergang durch Feuerbach und betrachte immer wieder den Sternenhimmel. Als ich aufgebrachte Stimmen höre, gehe ich neugierig auf eine Häuserreihe zu, die sich vor einem kleinen Platz mit einem Brunnen befindet. Ich halte vor einem Spalt zwischen den Häusern inne und lausche. Mein Herz nimmt an Fahrt auf, als ich Milans zornige Stimme vernehme. Ich spähe vorsichtig an einer Hauswand vorbei und sehe wie er vor einem Mann steht. Der Mann wird von zwei Soldaten auf die Knie gezwungen. Einige Menschen befinden sich in der Nähe und sehen gebannt zu.

»Ich habe keine Angst vor dir«, knurrt der Mann wütend und spuckt Milan vor die Füße.

Milan lacht kühl und betrachtet den Mann eingehend. »Solltest du aber. Dein Schicksal war ohnehin schon besiegelt. Du kommst in den dunklen Bereich der Unterwelt, aber nun kommst du noch schneller dahin. Gern geschehen«, meint Milan sarkastisch und nickt den Soldaten zu.

Auf einmal fliegt Milans Blick zu mir und ich erschrecke. Es wirkt, als hätte er genau gewusst, dass ich da bin und wo ich stehe. Nun lassen die Soldaten den Mann los und beeilen sich Abstand zu ihm zu bekommen. Milan hebt lässig eine Hand und auf einmal steht der Mann in blauen Flammen. Er schreit vor Schmerzen und windet sich, kann aber nichts gegen die Flammen tun. Schließlich handelt es sich nicht um normale Flammen, die man einfach so löschen kann. Die Schaulustigen sehen zufrieden aus. Einige applaudieren sogar. Es ist ein wenig grotesk mitanzusehen. Aber schließlich kenne ich den Grund für die Hinrichtung nicht.

»Ihr tut das Richtige. Ihr seid ein guter König«, sagt eine Frau zu Milan und neigt ehrfürchtig den Kopf.

Erst jetzt fällt mir eine Frau auf, die ein Kind an sich drückt und weint.

»Ich danke euch, mein König. Wir hätten es nicht länger ausgehalten. Ewig werden wir Euch dankbar sein«, versichert sie und schluchzt erleichtert. Ihre Tochter, die etwa zehn Jahre alt ist, weint ebenfalls. Aber nicht vor Trauer wie es scheint.

Der Mann liegt inzwischen bewusstlos am Boden. Sein Körper wird von den unbarmherzigen Flammen zerfressen.

»Ich hoffe, euer Leben wird von nun an einfacher«, sagt Milan und wendet sich zum Gehen um. Er sieht nun zu mir und kommt in meine Richtung. »Tut mir leid, dass du es mitansehen musstest.«

Wir gehen fort, wofür ich dankbar bin, denn ich ertrage den Geruch von verkohltem Fleisch nicht.

»Ich nehme an, er hat es verdient«, sage ich, wobei es sich eher nach einer Frage anhört.

»Ja, er hat seine Frau und Tochter jahrelang misshandelt. Heute hat es mir die Frau bei der Anhörung berichtet. Endlich konnte sie sich dazu durchringen. Als ich wusste, dass er zuhause ist, bin ich sofort hergekommen und wollte ihn eigentlich nur festnehmen. Aber er war derart uneinsichtig und respektlos seiner Familie und mir gegenüber, weswegen ich mich für drastischere Maßnahmen entschieden habe.«

Ich nicke verstehend. »Das war wohl gut so. Ein schlechter Mensch weniger auf der Welt.«

Am nächsten Abend ziehe ich ein dunkelviolettes Kleid an, an dem einige, zarte Stoffbahnen angebracht sind. Sarah steckt zwei geflochtene Strähnen nach hinten. Der Rest meiner Haare bleibt offen. Ich trete durch das Eingangstor des Schlosses und sehe Julian zusammen mit Milan auf mich warten.

Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt