Ich schlage meine Augen auf und blicke mich verängstigt um. Die Erinnerungen schlagen auf mich ein. Beram. Dieser Verräter. Ich wusste von vornerein, dass er ein schlechter Mensch ist. Ich hätte ihm nicht trauen sollen.
Ich befinde mich in einer großen Höhle durch die sich ein schmaler Fluss windet. Möbel befinden sich in der Höhle, die von sämtlichen Kerzenleuchtern erhellt wird. Ich selbst liege auf einem Strohbett in einer Zelle, die aus Gitterstäben und der Höhlenwand besteht. Mit einem Schreck sehe ich auf meine Hände, die in grauen Gummihandschuhen stecken, die jeweils mit Schnallen und Schlössern versehen sind. Ich ahne, was es damit auf sich hat. Ich setze mich auf und versuche meine Kraft der Blitze zu rufen, aber es geschieht nichts. Nun versuche ich es mit dem Regen. Wieder nichts. Innerlich schluchze ich. Hektisch versuche ich die Handschuhe auszuziehen, aber die Schnallen lassen sich nicht öffnen. Nur mit einem Schlüssel. Die Handschuhe sind so eng, sodass ich sie nicht hinunterschieben kann.
»Spar dir die Mühe, meine Hübsche. Nur ich kann sie dir wieder ausziehen, da ich den Schlüssel habe«, höre ich eine unbekannte Stimme sagen.
Mein Blick hebt sich und ich sehe einen Mann auf mich zukommen. Er hat kurz geschorene Haare und einen spitz zulaufenden Bart. Ich meine, ihn schon mal gesehen zu haben.
»Na? Erinnerst du dich an mich?«
Ich durchsuche mein Gedächtnis. Der Mann bleibt vor den dicken Gitterstäben vor mir stehen und geht in die Hocke.
»Ich helfe dir. Wir haben auf dem Geburtstagsball des dunklen Königs zusammen getanzt. Du hast hervorragend getanzt. Leider hatten wir nur einmal das Vergnügen. Ich wollte dir nicht zu sehr im Gedächtnis bleiben.« Er grinst böse und ich erinnere mich an sein ungewöhnliches Aussehen.
»Wer bist du?«, frage ich kühl.
Er räuspert sich und hält theatralisch eine Hand an seine Brust. »Ich darf mich vorstellen. Ich bin Pavel, Gott des Meeres.«
Das Blut weicht mir aus dem Gesicht.
»Du bist es.«
Mir wird das Ausmaß dieser Entführung klar. Pavel hatte Milan damit gedroht. Nun ist es Wirklichkeit geworden.
»Wir hatten zudem das Vergnügen uns beim Turnier zu sehen. Zwar habe ich dort eine andere Gestalt angenommen, aber ich war dort.«
»Wer warst du?«, frage ich zornig.
»Ich habe mich als Edward von Holzapfel ausgegeben. Ich hätte den kleinen König zu gerne besiegt und mir meine Belohnung angeholt. Aber das habe ich dafür gestern nachgeholt.«
Mir wird übel, obwohl ich es geahnt hatte, nachdem er mir seine Fähigkeit der Gestaltwandlung offenbart hat.
»Du bist krank!«, sage ich voller Abscheu.
»Dir hat es doch gefallen«, meint er mit einem süffisanten Grinsen, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte.
»Weil ich dich für Milan gehalten habe!«
Ich darf jetzt nicht panisch werden. Ruhig atme ich durch und überlege, was ich tun könnte.
»Es wäre besser, du lernst mich zu schätzen. Wir werden eine Weile miteinander verbringen. Vielleicht auch die Ewigkeit.«
»Niemals.« Noch nie hat meine Stimme so kalt geklungen.
Pavel lacht nur und steht auf. »Ich wäre zu gerne dabei gewesen, als Milan erfahren hat, dass seine Liebste fort ist. Ich wollte sein Gesicht sehen.«
»Du denkst, nur weil du mich entführt hast, gibt er dir sein Reich?«
»Ich denke es nicht, ich weiß es. Spätestens gestern hat jeder gesehen, was er für dich empfindet. Keine Ahnung, was dich so besonders für ihn macht. Bisher kam niemand ernsthaft in Frage für ihn, sagt man. Abgesehen von dieser Sache mit deiner Schwester. Ich habe jahrelang alles mit angesehen. Ich habe mir ein Bild über euch anderen Götter verschafft. Ihr aus dem Lichtreich wart ziemlich langweilig, aber im Dunkelreich ... das war wahrlich spannend mitanzusehen. Leopold war ein Wahnsinniger und ich wollte lieber noch ein wenig abwarten, ob sich die Lage ändern würde, bevor ich mir nehme, was mir zu steht. Ich habe Leopold bewundert, aber ich hasse Milan. Seine Arroganz, sein Ansehen, das ihm zuteilwird und weil ihm einfach so ein ganzes Reich vererbt wurde, während ich mich mit einer Insel begnügen soll.«
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Licht und Dunkelheit
FantasyDiese Geschichte ist inspiriert durch die Sage von Hades und Persephone. Amalia ist die Tochter des Wettergottes Zoran, der König des Lichtreiches ist. Sie wird vom gefürchteten König Milan des Dunkelreiches entführt, da ihr Vater seinen Schwur gebr...