Wut

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Nächsten Nachmittag sitze ich auf meinem Sessel, den ich vor das Fenster geschoben habe, um die vereinzelten Sterne am dunkelgrauen Himmel sehen zu können. Ich lese einen Roman, der mich von allem ablenkt. Allerdings nicht ganz, denn ich höre nun Pferdegetrampel und viele Stimmen. Verwundert sehe ich aus dem Fenster und sehe hunderte Soldaten in schwarzer Rüstung vor dem Schloss stehen, um es beschützen. In der Ferne sehe ich Fackellicht, das immer näher kommt. Was geht hier nur vor sich? Aufgewühlt beobachte ich das Geschehen. Von Milan ist keine Spur zu sehen.

Minuten vergehen und ich erkenne, dass sich Menschen in goldenen Rüstungen nähern. Die Soldaten meines Vaters. Mein Herz beginnt wild zu pochen. Kann es wirklich wahr sein? Hoffnung und Angst steigen in mir empor. Mein Vater wird keine Chance gegen Milans Soldaten haben. Milan hat viele Soldaten aus dem ehemaligen Hof der Schmiede. Die Menschen dort sind unvergleichliche Waffenschmiede und Soldaten. Diese Gaben werden seit Generationen weitervererbt. Da können unsere Soldaten nicht mithalten. Außerdem sagt man, dass das Dunkelreich bei Weitem mehr Soldaten hat. Die verfeindeten Soldaten treffen nun aufeinander und kämpfen. Ich vergesse zu atmen als ich meinen Vater auf einem Pferd sitzen sehe. Er ist wirklich gekommen. Wegen mir. Er sieht zum Schloss hinauf, als ob er etwas sucht. Etwa mich?

Hals über Kopf renne ich hinunter und trete durch das Tor. Ich bleibe dort stehen und weiche den Kämpfenden aus. Eine der Wachen will mich zurück ins Schloss drängen, aber ich winde mich, sodass er in die Luft greift. Dann wird er durch einen Angriff abgelenkt und lässt mich in Ruhe. Ich winke meinem Vater unzählige Male zu, bis er mich endlich sieht. Er reitet durch die Menge und ich sehe, dass Franco mein Kampflehrer ihm folgt. Mein Vater und ich strahlen uns an. Franco wirft mir ein Schwert zu. Es ist mein Schwert von zu Hause, das etwas leichter ist, als die Schwerter der Männer.

»Falls du dich verteidigen musst. Aber bitte warte im Schloss. Wir müssen kämpfen und dann nehmen wir dich mit nach Hause«, sagt mein Vater und Tränen steigen mir in die Augen. Ich war ihm also doch nicht egal. »Wir haben dich so vermisst.« Mein Vater beugt sich hinunter und streicht mir kurz über die Wange. Seine dunkelgrünen Augen sehen traurig aus. »Geh.«

Ich gehorche und gehe zurück ins Schloss. Meine Gedanken rasen. Ich kann nicht einfach hier warten. Ich muss noch etwas erledigen. Meine Wut treibt mich an und ich renne mit dem Schwert in der Hand die Treppe hinauf. Ich öffne mehrere Türen und finde schließlich das Zimmer wieder, das ich für Milans halte. Allerdings ist es leer. Ich laufe weiter und öffne alle Türen getrieben von meinem Zorn. Nun gehe ich eine weitere Treppe hinauf in den zweiten Stock. Am Ende einer Abzweigung des Flures öffne ich eine Tür und erblicke Milan, der mich düster angrinst, so als ob er mich hat kommen hören. »Du bist es also, die wie wild geworden durch das Schloss rennt und alle Türen öffnet«, sagt er und betrachtet mein Schwert, das ich vor mir halte. Wir befinden uns in einem runden Raum mit einer Glasdecke, sodass man den Himmel sehen kann, der immer dunkler wird, je mehr der Tag voranschreitet. In der Mitte des Raumes steht ein großer Tisch aus dunklem Granit auf dem Landkarten und andere Blätter liegen. An den Wänden hängen Gemälde und eine riesige Landkarte von Amethysia. Sieht aus wie ein Strategieraum.

»Ich habe dich gesucht«, sage ich kühl und halte mein Schwert fester. Ich bin bereit zum Angriff. Milan soll meine Wut spüren. Dafür, dass er mich entführt hat und mich nicht mehr gehen lassen will. Außerdem hat er einen Unschuldigen hängen lassen und wer weiß was er noch alles für Urteile an Unschuldigen vollstreckt hat.

»Du willst gegen mich kämpfen?«, fragt Milan amüsiert.

»Sieht ganz so aus.«

Plötzlich verschwindet er vor meinen Augen und taucht hinter mir auf. Ich fahre herum und halte das Schwert als Abstand zwischen uns.

»Du hast keine Ahnung worauf du dich einlässt. Abgesehen von meinen Kampfkünsten weißt du doch sicher um meine Kräfte.«

Ich muss schlucken und mir wird bewusst, dass das hier ein Fehler ist. Nun teleportiert er sich wieder und steht erneut hinter mir. Wieder drehe ich mich um. Milan sieht mich an und auf einen Schlag wird es stockdunkel. Nicht mal der Sternenhimmel über uns ist noch zu sehen. Ich gebe einen erschrockenen Laut von mir und ich höre Milan in der Dunkelheit lachen. Plötzlich sehe ich blaues Feuer auflodern. Er beschwört es in seiner Hand herauf. Es wirft sein blaues Licht auf Milans Gesicht. Seine blauen Augen leuchten in diesem Licht noch stärker als gewöhnlich.

Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt