Bei meinem Besuch heute Nacht werde ich ihn darauf ansprechen. Ich brauche eine Antwort. Milan lacht mit dem Mann neben ihm, was mich unwillkürlich zum Grinsen bringt. Milans Lachen ist ansteckend.
»Milan war lange nicht mehr so gut drauf«, meint Julian leise zu mir.
Ich zucke mit den Schultern. »Was ein gewonnener Kampf alles ausmacht.«
Julian grinst nur. Ich sehe, wie diese Paola an der Tafel entlang geht und auf Milan zusteuert.
»Mein König«, sagt sie mit lieblicher Stimme und sinkt in einen Knicks.
»Erhebe dich bitte«, meint Milan erstaunlich freundlich.
»Darf ich Euch um einen Tanz bitten?«, fragt sie zögerlich, so als hätte sie Angst vor seiner Antwort.
»Aber natürlich. Lass uns tanzen! Alle können tanzen!«, ruft er nun lauter und einige Tanzpaare erheben sich. Milan führt Paola fort von der Tafel. Die Musiker stimmen ein flotteres Lied an. Milan wirbelt die Schwarzhaarige über die Tanzfläche und hat sichtlich Spaß. Ist er betrunken? Das würde seinen Gemütszustand erklären.
»Hast du auch Lust zu tanzen?«, will Julian wissen.
»Nein danke, mir ist nicht danach«, antworte ich, denn schon wieder spüre ich dieses inzwischen wirklich unangenehme Kribbeln.
»Na gut.« Julian blickt sich um und sucht nach einer anderen Tanzpartnerin.
Ich atme tief durch. Das Kribbeln verflüchtigt sich glücklicherweise. Mein Blick schweift zu Stefano, der sich mit Sarina unterhält, die ich vorhin nicht gesehen habe. Sarina scheint meinen Blick zu spüren und sieht auf einmal zu mir. Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Sie nickt mir zur Begrüßung zu. Ich nicke zurück und muss schlucken, als ich erneut das Kribbeln spüre. Mein Blick fliegt zu Milan, der mich kurz ansieht und dann Paola weiter über die Tanzfläche führt. Das Kribbeln verschwindet schnell wieder. Gierig trinke ich einen Schluck. Vielleicht betäubt der Wein dieses Kribbeln. Ich lasse meinen Blick über die Gäste schweifen, die an der Tafel sitzen und starre nun auf die Tischplatte. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Geschweige denn, was ich denken soll. Nie habe ich so etwas erlebt.
Ich zucke vor Schreck zusammen, als ich Milan fragen höre: »Möchtest du mit mir tanzen?« Er hält mir eine Hand als Aufforderung hin. Das Kribbeln steigt wieder auf und ich habe auf einmal das Gefühl, als müsste ich mich übergeben. Es muss etwas mit Milan zu tun haben.
Ich schlucke schwer und sage gepresst: »Tut mir leid, aber ich fühle mich nicht so gut. Ich habe mir wahrscheinlich etwas eingefangen.«
Milans freudige Miene wird besorgt. »Was fehlt dir denn?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube ich habe Sodbrennen.«
Eine Regung, die ich nicht deuten kann huscht über sein Gesicht. Dann werden wir von einer Dame mittleren Alters unterbrochen, die Milan um einen Tanz bittet. Erleichtert wende ich mich ab und Milan geht mit der Dame fort. Ich stehe auf und presse meine Hand auf meinen Bauch. Ich muss hier schnellstens raus, bevor ich mich übergeben muss.
Kaum habe ich den Saal verlassen, geht es mir schlagartig besser. Erleichtert atme ich durch und gehe in mein Zimmer.
Ich liege lange auf meinem Bett und starre an die Decke. Ich grübele über etwas nach, für das ich keine Worte habe.
Nun ziehe ich mich um und schleiche mich hinaus zum Jahrmarkt. Diesmal ist es gar nicht so einfach, da noch einige Bedienstete in der Küche sind, die nun nach Ende des Festes aufräumen. Aber ich erwische den richtigen Moment, um mich davon zu stehlen. Das Brotmesser von letztem Mal, habe ich wieder dabei. Nur für alle Fälle.
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Licht und Dunkelheit
FantasíaDiese Geschichte ist inspiriert durch die Sage von Hades und Persephone. Amalia ist die Tochter des Wettergottes Zoran, der König des Lichtreiches ist. Sie wird vom gefürchteten König Milan des Dunkelreiches entführt, da ihr Vater seinen Schwur gebr...