Schuld

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»Gestern muss ja was los gewesen sein. Das allerneueste Gerücht hat sich schon bei allen Bediensteten herumgesprochen«, erzählt Sarah, die meine Haare hochsteckt.

»Welches Gerücht?«

»Dass König Milan ein Auge auf Paola geworfen hat. Immer wieder gibt es neue Spekulationen. Bis gestern warst du noch im Gespräch der Klatschtanten.«

Mein Blut gerät in Wallung. »Ich?«

»Ja, aber das hat sich jetzt wieder erledigt. Paola mag König Milan offensichtlich. Die Bediensteten, die gestern dabei waren, meinten, sie hat ihm eindeutige Blicke zugeworfen. Zudem ist sie sowieso nur hier um ihr Glück bei ihm zu versuchen. Der sogenannte Onkel des Königs hat Paola hierher eingeladen, weil er sie für eine gute Wahl für König Milan hält. Mal sehen wie es weiter geht. Ich bin oft nicht begeistert von den Gerüchten, die kursieren, aber dieses Thema finde selbst ich interessant. König Milan ist sehr begehrt. Er ist wirklich ein Hingucker, obwohl er nicht mein Typ ist.« Ich will dazu nichts sagen. »Sollen wir heute etwas unternehmen oder bist du schon anderweitig verplant?«

»Nein, ich habe Zeit. Woran hast du gedacht?«

»Heute findet das Sommerfest von Feuerbach statt. Dort sind viele Händler mit unzähligen Waren und es gibt fantastisches Essen und Getränke.«

»Gerne, vielleicht finden wir etwas Schönes.«

Nach dem Frühstück spazieren wir zum Dorf. Heute ist der Himmel von rot-orangenen Farben durchzogen. Kaum sind wir im Dorf angekommen, drängen sich hier schon viele Menschen durch die Gassen. Ein Marktstand nach dem anderen ist aufgebaut worden und man findet alles von Seife über Kleider bis hin zu Süßigkeiten.

Beim Süßigkeitenstand erkenne ich den Verkäufer vom Jahrmarkt wieder. Ich sehe mir die Ware genauer an. Bei einer Sorte Pralinen steht dabei, dass sie die Liebeslust wecken würden. Bei kandierten Äpfeln steht, dass man die Wahrheit sagt, sobald man einen Bissen genommen hat.

»Die Wirkung hält nicht lange an. Interessiert?«, fragt der Verkäufer und ich schüttele den Kopf. Ich schlendere weiter.

Wir kommen zum Marktplatz, bei dem ich mich an die Hinrichtung zurück erinnere.

»Lust auf ein Bier?«, fragt Sarah.

»Ja, gerne. Hast du Geld?«

»Aber natürlich. König Milan gibt mir wöchentlich Geld für uns beide.«

Sarah kehrt mit zwei Humpen zurück. Das Bier schmeckt köstlich. Viel zu selten trinke ich so etwas.

Danach kaufen wir uns jeweils noch ein Bier.

Wir laufen über das Fest und bleiben immer wieder stehen, um den musikalischen oder tänzerischen Darbietungen zuzusehen.

Es wird langsam dunkel, da es Nachmittag ist und wir halten uns in einer Gasse auf, die von dem ganzen Trubel verschont bleibt. Auf einmal rempelt mich ein Mann an und sagt: »Dich kenne ich doch. Du bist die Gefangene des Königs. Ich glaube nicht, dass du hier rumlaufen darfst.«

»Ob du es glaubst oder nicht. Das darf ich.«

»Das glaubst du. Unser König würde so etwas nie erlauben. Ich denke eher, du hast dich davon gestohlen. Wir werden dich mit Vergnügen zurück zu ihm bringen. Er wird es uns danken.«

Er meint sich und seine Freunde damit. Sie stehen zu zweit hinter ihm und grinsen dumm. Sonst sind keine Menschen hier.

»Ihr verschwendet eure Zeit. Ich habe mich nicht davon gestohlen.«

Der Mann lacht nur und nickt seinen Freunden zu.

»Sie sagt die Wahrheit!«, sagt Sarah aufgebracht. Einer der Männer hält sie fest und ich will dazwischen gehen, aber die beiden anderen packen meine Arme. Auf einmal höre ich den Schrei eines Raben, den ich noch wegfliegen sehe.

Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt