Zeremonie

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Am nächsten Tag sitze ich auf dem Sofa im Wohnsalon und Marie probiert ein Hochzeitskleid nach dem anderen an. Zugegeben, sie sieht in jedem umwerfend aus, was ich ihr auch sage. Marie seufzt und meint: »Das ist nicht hilfreich.«

»Entschuldige.« Ich sehe sie grinsend an. »Okay, das davor war besser. Soviel kann ich dir sagen.«

»Gut, das merke ich mir.«

»Hat dir Liam den Antrag nicht mit einem Hochzeitskleid gemacht?«

»Nein, er mag den Brauch nicht. Ich suche mir ohnehin mein Kleid lieber selbst aus.«

Während sie noch weitere Kleider anprobiert, schweifen meine Gedanken ab. Wie ich wohl in einem Hochzeitskleid aussehen würde? Milan erscheint in meinen Gedanken und ich schreite auf ihn zu. Ich schüttele meinen Kopf, um den Gedanken abzuschütteln. Er schmerzt mich zu sehr.

Erschöpft setzt sich Marie neben mich. Nun trägt sie wieder normale Kleidung.

»Ach, da fällt mir ein ... Ich wollte dir noch etwas zeigen.«

Verwundert sehe ich Marie nach, die zu einer Kommode geht und eine Zeitung nimmt. Sie kommt zurück und hält mir die Titelseite hin. Mein Herz sinkt mir in den Magen. Eine riesige Zeichnung von Milan und mir prangt darauf. Sie ist vom Tag unseres Besuchs des Heilzentrums. Die Zeitung heißt Königszeitung der Dunkelheit.

»Wo hast du die her?«

Meine Familie wusste nie etwas von den Zeitungen aus dem Dunkelreich, die Anna mir gegeben hat. Anna bekam sie von einem Boten, der hin und wieder ins Dunkelreich reiste, um Briefe oder andere Dinge zu überbringen. Das war vor vielen Jahren mit der dunklen Familie vereinbart worden. Die Boten waren bis vor kurzem die Einzigen, die die Grenze zum Dunkelreich überschritten und auch wieder zurück in unser Land durften. Durch Boten wie ihn, bekamen wir auch andere Informationen über das Dunkelreich. Wir wollten schließlich darüber informiert sein, was sich dort abspielte. Das Dunkelreich hatte auch seine Boten, die als Ausnahme die Grenze passieren durften. Nur durch unsere Boten konnten wir Informationen in unsere Bücher miteinbringen, um die Menschen über das Reich der Dunkelheit zu informieren.

Das Schmuggeln von Zeitungen aus dem Dunkelreich war allerdings nie erlaubt. Mein Vater wollte nicht, dass sich das Volk zu viel mit dem anderen Reich beschäftigte und es sollte nicht alles wissen, was dort geschah.

»Eine Freundin bekommt manchmal geschmuggelte Zeitungen aus dem Dunkelreich. Vater weiß nichts davon. Sie meinte, das könnte dich interessieren. Ihr seht toll aus.«

Sie hat Recht. Wir sehen aus wie ein Königspaar und ich bekomme ein Kribbeln im Bauch. Ich frage mich, ob auch Milan das Bild gesehen hat.

Wenig später laufe ich gedankenverloren durch unser Anwesen. War es Milans Absicht gewesen, uns wie ein Königspaar aussehen zu lassen? Schließlich wollte er, dass ich das schwarze Kleid und das Diadem trug. Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich denke wieder einmal über Milans Antwort nach.

»Es muss doch etwas anderes geben, das du als Gefallen willst. Etwas im Austausch gegen mich.«

»Nein, das gibt es nicht.«

Das waren seine Worte. Ich habe also missverstanden, dass er nichts als Gefallen möchte. Offensichtlich wollte er doch etwas als Austausch gegen mich haben. Moment. Als Austausch gegen mich. Daraufhin meinte er, das gebe es nicht. Ein Schauer überläuft mich. Kann es sein, dass er meinte, er wolle nichts als Austausch, weil er nur mich wollte? Das würde seine Blicke erklären. Täusche ich mich? Ich darf mich nicht von meinen Gefühlen täuschen lassen. Nochmals denke ich darüber nach. So muss es sein. Mir wird schlecht, aber im positiven Sinne. Ich würde ihn gerne fragen. Aber hätte auch Angst vor seiner Antwort. Vielleicht würde er mich auslachen und mir sagen, dass er das so nicht gemeint hat. Könnte er mich wirklich wollen? Auch wenn ich ihm gefalle, muss es nicht heißen, dass er mich auch tatsächlich will. Also Gefühle für mich hat und mich an seiner Seite haben möchte. Ich beginne zu singen und laufe hinaus in den Garten, um mich abzulenken.

Licht und DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt