Als ich aufwache, blinzele ich gequält ins Tageslicht. Ich bin die Helligkeit nicht mehr gewohnt. Draußen höre ich Hämmern und Stimmen. Gähnend stehe ich auf und sehe hinunter. Von meinem Fenster aus erblicke ich den Eingang unseres Anwesens und den Platz davor. Über die Treppe, die zum Eingangstor führt, wird eine Holzbühne gebaut. Außerdem werden Blumengirlanden aufgehängt, die über den Platz gespannt werden. Einige Getränke- und Essensstände wurden bereits aufgebaut. Die Arbeiter müssen sich früh ans Werk gemacht haben.
Ich gehe in mein Badezimmer, nehme ein Bad und mache mich zurecht. Meine Zofe kommt herein, als ich gerade meine feuchten Haare bürste.
»Ich bin so froh, dich wieder zu sehen. Kann ich dir helfen? Ich kann dir eine schöne Frisur machen. Ich weiß, du möchtest das eigentlich nicht, aber vielleicht zur Feier des Tages doch.«
Ich muss an Sarahs schöne Frisuren denken.
»Ja, gerne. Wenn du möchtest kannst du mich von nun an jeden Tag herrichten. Aber nur, wenn du Zeit dafür hast. Ich habe das Herrichten und schöne Frisuren lieb gewonnen«, gebe ich zu.
Sie strahlt und knickst. »Mit dem größten Vergnügen. Du weißt, dass ich es zu gerne mache. Nur wolltest du nie. Ich lasse mir etwas einfallen für deinen Auftritt heute.«
Ich trage ein fliederfarbenes Kleid und meine Zofe hat meine Haare zu einer Flechtfrisur hochgesteckt. Der Hunger treibt mich zum Speisesaal. Hier finde ich auch Marie vor, die gerade ein Brötchen verspeist.
»Guten Morgen, Schwesterchen«, sagt sie mit vollem Mund und einem Grinsen.
»Guten Morgen. Ich hoffe du hast etwas für mich übrig gelassen.«
Sie schiebt mir den Brötchen Korb hin und ich bediene mich.
»Wo ist Liam?«
»Er müsste gleich kommen«, antwortet sie.
»Wie hat er dir eigentlich den Antrag gemacht?«, frage ich mit einem Grinsen.
Auch Marie muss lächeln. »Er hat zuerst Vater um Erlaubnis gebeten, weil er, wie du weißt, lange unsicher war, ob Liam der Richtige für mich und das Reich ist. Vater hat eingewilligt und Liam hat mich zu einem Picknick beim Mohnblumenfeld eingeladen. Dort hat er mich beim Sonnenuntergang gefragt.«
»Ein wenig kitschig. Aber dennoch schön. Ich freue mich wirklich für euch zwei. Ich bin mir sicher, es wird eine schöne Hochzeit.«
»Guten Morgen, mein Liebling und guten Morgen, Amalia«, sagt Liam, der freudestrahlend hereinspaziert.
»Guten Morgen, Liam«, gebe ich freundlich zurück.
Er ist ein netter Kerl. Liam ist gelernter Bäcker. Die Bäckerei seiner Familie ist sehr erfolgreich. Marie und er haben sich vor drei Jahren kennengelernt und erst heimlich getroffen. Dann hat es Marie unserem Vater gebeichtet. Vater wusste erst nicht, was er von Liam halten sollte und ob er das Zeug zum nächsten König des Lichtreiches hat. Aber nun hat er sich entschieden.
»Ich habe gehört, was passiert ist. Zum Glück hat er dich gehen lassen. Wir haben uns alle Sorgen gemacht.«
»Mir ging es gut. Milan hat mich gut behandelt.«
»Milan? Nicht König Milan?«, fragt Liam mit einem Grinsen und nimmt Platz.
»Nur Milan.« Ich grinse frech. »Er hat sich nie beschwert.«
»Verstehe.« Er fährt sich durch seine kurzen blonden Haare und nimmt Platz.
»Ich muss zugeben, ich war überrascht von deiner Erzählung. Ich hätte nie gedacht, dass König Milan in Wirklichkeit anders ist. Bei unseren Treffen hat er immer ziemlich kühl gewirkt. Außerdem sah er aus, als würde er jeden umbringen, der ihn nur falsch ansieht. Ich bin wirklich froh, dass er anders ist und gut zu dir war. Du magst ihn, nicht wahr?«, fragt meine Schwester. Sie grinst wissend und sieht, wie meine Mundwinkel unwillkürlich nach oben wandern. »Das sagt schon alles. Wer hätte das gedacht.«
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Licht und Dunkelheit
FantasyDiese Geschichte ist inspiriert durch die Sage von Hades und Persephone. Amalia ist die Tochter des Wettergottes Zoran, der König des Lichtreiches ist. Sie wird vom gefürchteten König Milan des Dunkelreiches entführt, da ihr Vater seinen Schwur gebr...