Ein weiterer Arbeitstag war angebrochen. Hermine war bereits vor den ersten Sonnenstrahlen auf gewesen, um ihr Haar zu frisieren. Sie interessierte sich zwar nach wie vor nicht für die allgemeinen Schönheitsideale, doch ihre Arbeit setzte ein professionelles und gepflegtes Erscheinungsbild voraus. So band sie ihre sonst so ungestümen, langen Haare in einen engen Dutt zusammen. Ihre feingliedrige Armbanduhr - Harry hatte sie ihr zum Geburtstag geschenkt; es war beinahe ein Ritual geworden, dass sie sich Geschenke aus der Muggelwelt überreichten - zeigte knappe zehn Uhr an. Der Tag war noch lang, aber Hermine hatte bereits einen großen Teil Arbeit erledigt und zuvor auch noch ihre Kostüme in die Reinigung gebracht. Sie genehmigte sich eine kurze Teepause. Das hatte sie zumindest geplant, denn nur einen Augenblick später erreichte sie ein kleiner fliegender Zettel per Eilpost. Sie saß noch einen Moment gemütlich auf dem Sessel in ihrem Büro, nahm einen großen Schluck Tee und stand danach seufzend auf, um die Botschaft zu lesen. Es war nicht gern gesehen, die herumfliegenden Briefe lange zu ignorieren. ‚Miss Granger, bitte kommen Sie doch unverzüglich zu meinem Büro. Ich benötige eine Unterschrift von Ihnen - wie es scheint, haben Sie das bei unserem letzten Meeting versäumt. Ich möchte Sie hiermit dringend bitten, sich noch einmal an die geltenden Formalia zu erinnern. - M. Briggs, Vorstand Personalwesen', entnahm sie dem Brief. Hermine erstarrte. Hatte sie wirklich vergessen, zu unterschreiben? Sie, Hermine Granger? Sie schüttelte den Kopf. ‚Das kann doch nicht sein... ich weiß doch genau, wie ich den Stift nahm', überlegte sie. Es war Pflicht, vor oder nach einem Meeting im Zaubereiministerium eine Unterschrift zu leisten, die die Verschwiegenheit der Beteiligten erklärt. Ihr Kopf ratterte und versuchte, die Situation zu rekonstruieren. Obwohl sie sich doch so sicher war, unterschrieben zu haben, bauten sich Zweifel in ihr auf. ‚Warum hab ich nicht unterschrieben?', ihre Gedanken sprangen hin und her, ‚war es wegen der Ablenkung? Meiner Verspätung? Malfoy?'. Ungläubig über ihre eigene Schusseligkeit sprang sie auf und lies den Tee erkalten. Mit schnellen Schritten eilte sie den Gang hinunter, ihre Absätze hallten rhythmisch durch den leeren Raum - fast zeitgleich mit ihrem Herzschlag. Wie in Trance bewegte sie sich, ihre Gedanken ratterten weiter, immer schneller, wie ein Karussell. „Das kann doch nicht... ich hab doch nicht...", flüsterte sie vor sich her. Sie bog ab und blieb plötzlich stehen. Auch dieser Korridor war leer. Dunkle Fliesen erstreckten sich über den Boden, ganz gleichmäßig und monoton - so wie die Türen, eine nach der anderen, ohne Fehler und ohne Makel. Kein Zauberer hielt sich im Gang auf, keine Tür war geöffnet und kein verzauberter Brief flog durch die Lüfte. Warum blieb sie stehen? Sie wollte doch gehen, es war so dringend. Sie drehte sich zu ihrer Rechten. Wackelig setzte sie einen Fuß vor den nächsten. Sie wollte wissen, was sich hinter der Tür verbarg. Sie MUSSTE es wissen. Sie schüttelte den Kopf, drehte sich wieder auf ihren eigentlichen Weg. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Sie sah das Licht aus dem Raum auf den düsteren Flur hinaus scheinen. „Was...?", flüsterte sie ungläubig über die Situation. Nun ging sie doch hinein. Die Unterschrift konnte warten.
„Miss Granger, warum habe ich die Ehre?", raunte ihr Lucius Malfoy entzückt entgegen, während sie im Türrahmen stand. Er saß hinter einem massiven Schreibtisch aus Ebenholz, eine riesige smaragdgrüne Schreibfeder in seiner Hand, die er nun ablegte. Sie antwortete nicht, sondern starrte ihn nur an. Er erhob sich und fuhr mit dem Finger über den glänzenden Tisch während er seinen kräftigen Körper in ihre Richtung bewegte. „Neugierig?", scherzte er ironisch. Sie blickte zu Boden und antwortete unterlegen: „Bitte entschuldigen Sie, Mr. Malfoy, ich..." - einen Moment überlegte sie - „habe mich in der Tür geirrt." Kaum waren diese Worte ausgesprochen, drehte sie sich blitzschnell um und versuchte dem Raum zu entkommen. Ihre Hand versuchte noch, die Tür hinter sich zu schließen, als plötzlich eine warme Hand auf der ihren ruhte. Sie blickte zurück, Malfoy schaute ihr tief in die Augen. Er hatte wieder dieses Glänzen in seinen Augen. „Geben Sie gut acht, Mr. Granger", raunte er mit tiefer und ruhiger Stimme. ‚Verführerisch', dachte Hermine, ‚nein, nein, NEIN'. Seine Hand ruhte noch immer auf ihrer. Er erlaubte ihr nicht, sich zu entfernen. Hermine war kurz davor, panisch zu werden, doch sein Blick hatte sie immer noch gefesselt. Sie war wie gelähmt. Endlich bewegte er sich, umschloss ihre Hand weiterhin, aber entfernte sie von der Tür. Wie in Zeitlupe beobachtete sie ihn, wie er sich vorlehnte, ihre zarte Hand zu seinem Mund führte und einen Kuss darauf hauchte. Sie schloss die Augen, die Tür schloss sich und nun stand sie alleine im leeren, dunklen Flur. War das gerade wirklich passiert? Ungläubig setzte sie sich in Bewegung, erst einmal weg von dort, weg von Lucius Malfoy. Ihr fiel ein, weswegen sie überhaupt den Korridor betreten hatte - die Unterschrift. Zielstrebig, aber immer noch geistesabwesend, trugen sie ihre Füße nun doch zu dem richtigen Büro. ‚Warum bin ich überhaupt hier her gegangen?', fragte sie sich, ‚ich weiß doch, dass das Büro von Mr. Briggs auf der anderen Seite des Ganges liegt...'
DU LIEST GERADE
Ministry Maid
FanficDer Krieg ist vorbei und Hermines Leben hat sich geändert - Schulbücher wurden durch Gesetzesbücher getauscht und statt im kleinen Rahmen Hauselfen zu helfen, reformiert sie nun das Ministerium. Gar nicht so einfach, denn auch die Rivalität ist gebl...