Kapitel 24 - Asche zu Asche

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Malfoy schob seinen Stuhl zurück und klopfte auffordernd auf seine Beine. Gerade wurde das Dessert serviert - ein majestätisches Croquembouche, welches die Elfen mit höchster Anstrengung vorsichtig durch den Raum schweben ließen. Hermine wandelte der Hektik zu trotz durch den Saal, zielstrebig in Malfoys Arme laufend. Beinahe stieß sie mit einem Elfen zusammen und durch das Getummel wandte sich ihr Blick von Malfoy ab. Großherzig entschuldigte sie sich bei dem Elfen, bedacht darüber, nicht zu laut zu sprechen. Lucius würde es nicht begrüßen, wenn sie sich noch einmal freundlich gegenüber dem Personal verhalten würde. Generell begrüßte er viele ihrer Taten nicht. Außer, wenn sie sich auszog, um seine Lust zu befriedigen. Wann würde er die Hand gegen sie richten? Wie lange würde es dauern bis auch sie sinnesabwesend an der leeren Tafel sitzen würde? Würde sie ihr Schicksal jemals akzeptieren? Sie vergoss eine Träne der Furcht, als sie diese Gedanken hegte. Sie müsste entkommen, bevor auch sie in den Ketten seiner seelischen Folter liegen würde. Ganz gleich ob sie nun der unfassbare Mut Gryffindors packte oder sie eine naive, törichte Idiotin war - sie beschloss, zu rennen. Die versammelte Schar umher eilender Elfen würde ihr vielleicht einen Vorteil verschaffen, ebenso wie die Unvorhersehbarkeit ihres spontan geschmiedeten Planes. Vielleicht würde sie ihr Schicksal aber auch selbst ins Verderben reißen. Doch sie konnte und wollte es nicht unversucht lassen und so trugen sie ihre Beine durch die Flügeltür hindurch, hinaus zum dunklen Korridor. Sie war nicht dumm und hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, gepaart mit einem geschulten Orientierungssinn. Die viele Zeit auf der Flucht, die sie beim damaligen Krieg durchstand, hatte ihr einiges gelehrt. Sie lief so schnell sie konnte, unsicher, ob ihr Malfoy folgen würde und wie nah er ihr schon auf den Versen war. Ihr Ziel lag ihr vor Augen: Das helle Zimmer, das zuvor noch ihren Rückzugsort darstellte und das sie genauer inspiziert hatte. Dort stand ein Kübel mit Flohpulver auf dem Kaminsims. Sie erinnerte sich haargenau daran, wie sie es voller Zufriedenheit entdeckt hatte. Es war ihre Chance, ihre Rettung. Sie riss die vor sich liegende Tür auf, stürmte hinein und ergriff die Schale. Hermine versank ihre zarte Hand im seichten Pulver. Den Bruchteil einer Sekunde lauschte sie. Sie hörte keine Schritte, kein Poltern, keinen Laut. War ihr niemand gefolgt? Ein unwohles Grummeln durchzog ihren Magen. An der Sache war etwas faul. Doch sie verlor keine Zeit, schmiss das Flohpulver mit schneller Bewegung zu Boden und sprach laut und deutlich die Worte: „Winkelgasse". Hermine schloss ihre Augen, die Hand weiterhin weit vor sich ausgestreckt. Ein Staubnebel umhüllte sie und als sie die Lider wieder öffnete, verzog sich auch die Staubwolke allmählich. Sie blinzelte mehrfach. Es war ruhig. Zu ruhig. Es sollen Schare an Zauberern um sie herumwandern, Gesprächsfetzen in ihre Richtung werfend; Kinderlachen und die explodierenden Laute des Sortiments des Scherzartikelladens sollten auf sie einprasseln. Langsam erkannte sie - sie war nicht in der Winkelgasse. Sie war in Malfoy Manor. In dem hellen Raum, in dem sie schon vor wenigen Minuten war. „Denkst du, dummes Gör, dass ich nicht klug genug bin, zu ahnen, dass du zu fliehen versuchst?", raunte ihr die Männerstimme entgegen. Er saß wieder seelenruhig in dem Sessel, die Beine locker überschlagen, als würde er dort schon seit Stunden verweilen. Ungläubig über das Ereignis kniff sie sich, blickte an ihrem staubigen Leib herunter und kaute auf ihrer Unterlippe. „Süß", sprach er während er sich langsam erhob und in ihre Richtung schritt, „Es sind wirklich entzückende Lippen". Sein letzter Schritt war hastig und unerwartet schnell, sodass Hermine zusammenzuckte. Seine Hand strich seicht über ihre Wangen und führte ihr Kinn näher zu ihm. Ihre Nasen berührten sich, sie spürte seinen leichten Atem auf ihrer Haut. Nun schmiegte er seine Lippen an ihre, leidenschaftlich küssen und sanft an ihrer Unterlippe nagend. Sie bibberte vor Angst und Ungewissheit. Warum war das Flohpulver unwirksam? Wie konnte es sein, dass sie sich noch immer im Malfoyschen Landsitz befand? „Asche, meine Liebe, das ist einfach nur Asche", klärte sie Lucius Malfoy mit sanfter Stimme auf. Hermine erstarrte vor ihrem Leichtsinn, ihrer Gutgläubigkeit. Natürlich würde er es nicht wagen, Flohpulver bereit zu stellen, ihr eine Fluchtmöglichkeit einzuräumen. Nicht, nachdem er seine wahre Gestalt enthüllt hatte. Er hatte sie in falscher Sicherheit gewogen, ihr gut zugesprochen und sie auf schrecklichste Art und Weise psychisch manipuliert. Seine galanten Worte, seine gezielten rhetorischen Fragen, die sie von seinen noblen Absichten und der Freiwilligkeit ihrer Zusammenkünfte überzeugen sollten. ‚Sie genießen es doch auch, hm?', raunte seine längst vergangene Stimme durch ihren Kopf. Mit psychischer Gewalt hatte er sie willig gemacht, sie ihrer Selbst beraubt und sie fühlen lassen, als wäre es ihre Schuld gewesen. Die körperliche Misshandlung, die seine Frau erfahren hatte, sprach seine eigene Geschichte - jeder sah es, die blauen und grünen Flecken auf der zarten Haut, die Schwellungen der Blutergüsse und die gebrochene Seele, die durch ihre Augen schien. Doch der seelische Missbrauch, den Hermine erfahren hatte, war unsichtbar. Nicht einmal sie selbst hatte wahrgenommen, wie sehr sie unter seiner Macht litt, wie sehr er sie ausgenutzt und zerstört hatte. Es war die gefährlichste und rabiateste Art und Weise, einen Menschen zu verwunden und er scheute keine Sekunde, sich aller notwendigen Mittel zu bedienen, seinem Ziel nahe zu kommen. Doch was war sein Ziel? Was faszinierte ihn an ihr so sehr, dass gerade sie auserwählt wurde unter seiner psychischen Folter leiden zu dürfen? Es waren doch gerade die muggelstämmigen Zauberer, die er zutiefst verachtete. War es Rache? ‚Nein, das ist zu einfach', beschloss Hermine. Sie nahm ihren Mut zusammen, wohlwissend, dass sie sowieso schon in der Falle saß, und sprach ihn darauf an: „Was ist Ihre Absicht? Warum ich? Was wollen Sie von mir?" Er kicherte leicht, trat ein Stück näher: „Man sagte mir, Sie seien die schlauste Hexe Ihres Jahrgangs". Quälend langsam strich er ihr über die Wange, blickte ihr in die Augen, und fuhr fort: „Ich sehe das nicht." Hermine, halb beleidigt über die harsche Aussage, halb zustimmend, ihre eigene Naivität reflektierend, beobachtete ihn. Er laß von ihr ab, drehte sich um und bewegte sich in Richtung der Tür. „Sie brauchen sich nicht um einen weiteren Fluchtversuch bemühen, nur falls Sie Ihre Intelligenz erneut verlassen mag", sprach er erquickt und verließ mit einem Schwung seines rabenschwarzen Umhangs den Raum. Zornig darüber, dass er sie ohne Antwort zurückließ, pfefferte sie ein kristallnen Tumbler, der für Feuerwhisky bereit stand, an die Stelle vor der Tür, an der er gerade noch gestanden hatte. Das Glas zersprang mit lautem Klirren in winzigste Scherben.

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