Kapitel 21 - Flucht

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Er schlenderte bedrohlich durch den Raum. Wo war ihr zarter Liebhaber hin? „Sir?", hakte sie nach. Er drehte sich zu ihr, starrte ihr tief in die Augen und gab ihr zu verstehen, dass er nicht scherzte: „Sie werden hier bleiben, Miss Granger." „Was?", platzte Hermine hervor. Sie würde sich doch nicht von diesem Bastard gefangen halten! „Ich möchte gehen, jetzt!", rief sie. „Sie wollen das Dinner auslassen?" Hermine errötete peinlich berührt. Wollte er sie nur zum Dinner einladen? Ein freundlicher Gastgeber sein? Ein Liebhaber, der sie nicht nach dem Sex herausschickte, sondern ihr Geborgenheit schenkte? „Wenn sie gehen möchten", ergänzte er, „stehen Ihnen alle Türen offen". Und mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand. Perplex stand Hermine in Mitten des Raumes. Ihre Gedanken sprangen wild umher, konnten sich an nichts festnageln. Sie verstand nicht, was er von ihr wollte, warum er sie hier behielt. Blieb sie nun zum Dinner? Oder gar länger? Sie drehte sich um, begutachtete den Raum. Es wäre nie verkehrt, sich eine Fluchtmöglichkeit zu suchen. ‚Aber er war doch so liebevoll', raunte die Stimme in ihrem Kopf, ‚Hat dich so zart behandelt'. Bei genauerer Überlegung stellte sie fest, dass er nie gegen ihren Willen gehandelt hatte. Er musste also ein guter Mensch sein. Jemand, dem sie vertrauen konnte. ‚So fürsorglich...'. Nervös lief sie auf und ab, blickte zu den bodenlangen Fenstern, dann wieder zum Kamin, dann zur Tür. Er war doch nach all dem immer noch Lucius Malfoy. Er hasste sie doch und sie hasste ihn. Er verachtete ihre Eltern, stellte sich im Ministerium gegen sie, kämpfte mit brutalen Mitteln. Das Adrenalin stieg in ihr auf, sodass sie zur Feuerstelle eilte. Normalerweise hatten Zauberer auf dem Kaminsims eine kleine Schale ausgestellt, die etwas Flohpulver enthielt. Sie fand tatsächlich eine barocke Metallschale an, geziert mit kleinen Füßchen, die schon fast lächerlich aussahen. Mit zittrigen Fingern öffnete sie das Gefäß und fand tatsächlich ein gräuliches Pulver vor. Er hatte nicht gelogen. Beruhigt stellte sie die Behältnis zurück auf den Kaminsims und ließ sich wieder auf das Bett fallen. Erst jetzt realisierte sie, dass sie sich in einem fremden Schlafzimmer befand. War es sein Schlafzimmer? Hermine legte den Gedanken bei Seite. Nein, sie waren im Erdgeschoss. Die Master Schlafzimmer lagen immer erhöht, zentral im Herzen des Hauses. Zumindest war das bei alten Adelsfamilien so gewesen und Hermine ging davon aus, dass es in diesem nicht anders wäre. Töricht wäre die Vorstellung, er würde sie in sein privates Zimmer begleiten. Sie vergaß gerne, dass er verheiratet war. Sie war keine Ehebrecherin und wollte das auch nicht sein. Ganz und gar nicht wollte sie mit einem Frauenschläger in Verbindung stehen. Doch sie wusste diese Tatsachen mittlerweile gezielt zu ignorieren. Und obwohl es ihr Unterbewusstsein doch aufwühlte, entschloss sie sich, sich für einen Moment hinzulegen. Es musste zahlreiche solcher Räume geben und sie schätzte ihn als gewitzt genug ein, den anderen Hausbewohnern den Zugang zu diesem Zimmer zu verwehren. Sie konnte sich ausruhen bis das Dinner serviert wurde, immerhin war sie ein freiwillig anwesender und geduldeter Gast. Das hatte er ihr verdeutlicht. Das Zimmer war recht freundlich und hell gestaltet, was sie glücklich machte, denn die dunklen Fliesen und Gemäuer des Anwesens schüchterten sie ein. Hermine ließ ihren Blick schweifen und betrachtete das außergewöhnliche Interieur. Zumindest war es für sie außergewöhnlich - wären sie im Jahr 1750 gewesen, so wäre Hermine doch nicht überrascht über den Anblick von vergoldeten Stuhlbeinen und perlmutten Textilien. Sie war erfreut, dass Lucius Malfoy die Originalität der Räume über die Zeit nicht verändert hatte und so ein Relikt längst vergangener Zeiten bewahrt hatte. Langsam konnte sie den Stolz, den er stets bei sich trug, nachvollziehen. Eine Traumwelt, überliefert von Generationen, vermischt mit dem Blut der eigenen Vorfahren. Das galt es für ihn zu wahren. Und so wenig sie seine brutalen, verachteten Taten und Äußerungen akzeptieren wollte, so sehr verstand sie doch, warum er so war. Mit diesen Gedanken endete ihre innere Debatte und sie schlief friedlich ein.

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