Kapitel 26 - Ein Zettel Hoffnung

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Tag Neun ihres Aufenthaltes im malfoyschen Landsitz war angebrochen. Sie zählte die Tage, hielt starr an ihnen fest, als wären sie das letzte Mittel, das sie mit der Normalität verband. Die letzte Möglichkeit, nicht der Realität zu entweichen. Die Tage waren lang und doch so leer. Minuten vergangen wie Stunden, mit quälender Triste gefüllt. Ihr Besuch - Hermine grinste bei dem Gedanken mit ironisch-düsteren Ausdruck - zog sich in die schiere Endlosigkeit ihres Daseins und doch war alles so neu und anders. Es vergang kein Tag, an dem sie nicht an eine mögliche Flucht dachte, an dem sie nicht darüber brütete, was Malfoy nun genau von ihr verlangen würde. Er hatte sich nicht viel gezeigt, hin und wieder missbrauchte er sie für seine Gelüste, es war aber nicht einmal mehr erwähnenswert in Anbetracht der Furcht vor den Dingen, die er ihr hätte antun können. Die er ihr antun würde. Doch gleichwohl stieg die Hoffnung in Hermine auf: So viele Tage saß sie nur einsam auf ihrem Zimmer, zwar in Furcht vor der Rückkehr Malfoys, aber doch in purer Unbeflecktheit des Tages. Vielleicht könnte sie es doch wagen, eine taktisch kluge Flucht auszuklügeln. Sie konnte es nicht zulassen, ihre Stellung im Ministerium zu verlieren und gar daran zu denken, was er dort nun ohne ihre Opposition durchsetzen zu vermochten. Ihre Freunde... wiedersehen. Sie würden bestimmt schon nach ihr suchen. Ein Schmerz durchzog sie, als sie daran dachte, wie sehr sie sie vernachlässigt hatte, viel zu beschäftigt mit den Gelüsten Malfoys. Sie hatte sich wochenlang nicht gemeldet, Anrufe oder Begegnungen vermieden. Würden sie wirklich nach ihr suchen? Langsam zweifelte sie daran, ob ihre Freunde überhaupt ihr Fehlen bemerkt hätten. Sich nicht von der Psyche ihres Körpers quälen lassend, lenkte sie ihre Gedanken um: Flucht. In ihrem Zimmer gab es keine Möglichkeit, das wusste sie. Die Fenster waren mit magischen Sprüchen belegt, die ihr ein Öffnen verwehren würden. Das ganze Land der Malfoys war magisch gesichert und von der Umwelt abgeschottet. Sie würde es nicht wagen, den magischen Bann, der um das Haus lag, zu durchbrechen. Zusätzlich schien das Haus gänzlich vom Flohnetzwerk abgekoppelt zu sein. Die Malfoys besaßen zahlreiche schwarzmagischen Relikte, darüber war sich der Volksmund klar, und so würden sie sich auch vor jeglicher Art ungewünschter Besucher zu schützen wissen. Zu Hermines Bedauern musste sie feststellen, dass die Familie der Malfoys keineswegs dumm war, sondern dem Hause Slytherins alle Ehre machten. Sie kannten jedes kleine Schlupfloch, scheuten keiner Intrige und wussten sich, durch manierlichen Umgang den Weg um jede beschwerliche Situation zu bahnen. ‚Zu kaufen, wohl eher', stellte Hermine grinsend fest. Nach einem ganzen Vormittag des Grübelns sah sie einen Hoffnungsschimmer. Sie musste auf die Hilfe anderer Personen zählen. Nicht nur ihre Freunde, sondern vielmehr denjenigen, die mit ihr in diesem Haus verweilten. Sie musste sich dem Malfoyschen Charme bedienen und Kontakte knüpfen, sie beeinflussen, bestechen oder gar manipulieren. Vielleicht konnte sie irgendwann auch Narzissa Malfoy umgehen - sie war immerhin auch ein gebranntes Kind der Gewalt ihres Mannes. Doch Hermine legte diesen Gedankengang erst einmal beiseite. Zu sehr prägte sie die Erfahrung, die sie mit der Frau machte, ganz gleich, ob sie sich ihr Tage vorher anvertraut hatte. Es waren die Elfen, die Hermine als Chance sah. Sie setzte sich seit Jahren für ihre Rechte ein. Ob sich das unter ihnen herumgesprochen hatte? Ganz gleich, so war doch die Tatsache, dass Hermine sie stets respektvoll behandle, Ansatzpunkt genug, um die Kommunikation mit ihnen als Fluchtmöglichkeit zu erkennen. Sie eilte zum Sekretär, kramte ein Stück vergilbtes Pergament und eine alte Schreibfeder heraus, die ihr zur Verfügung gestellt wurde, tunkte den Kiel in ein kleines Tintenfass, die schwarze Flüssigkeit von bunt glänzenden Ölschlieren verunreinigt, und begann zu schreiben. Während sie Wort für Wort in krakeliger Schrift auf das Papier brachte, flüsterte sie den Text leiser vor sich hin: „Werde gefangen gehalten. Bitte helft mir". Einen Moment kam sich Hermine töricht vor, wohlwissend, dass die Elfen wohl längst verstanden hatten, dass sie sich nicht freiwillig im Hause Malfoys einsperren ließ, doch die Hoffnung auf eine mögliche Rettung überwog ihre Zweifel. Sie pustete sanft über die trocknende Tinte, legte das Schreibmaterial bei Seite und faltete den Brief zu einem kleinen Paket, welches sie nun sicher in ihrem BH versteckte. Sie würde es zum Dinner, der einzige Zeitpunkt, an dem sie das Zimmer verlassen durfte und auf die Elfen traf, heimlich fallen lassen. So sank sie wieder voller Melancholie in den Sessel neben ihrem Fenster, um die restliche Mittagssonne mit dem Ausblick aus ihrem goldenen Käfig verstreichen zu lassen. Sie döste daher und war dankbar um jeden Schlaf, der sie ereilte. Die Zeit verging so schneller und sie konnte der Realität, die jetzt ihr schlimmster Feind geworden war und sie wie ein fürchterlicher Albtraum begleitete, entfliehen. Schneller als gewohnt, gespannt mit Angst und freudiger Hoffnung, für die sie sich selbst rügte, wurde sie zum Dinner gerufen. Möglichst unschuldig blickte sie zu Boden. Sie hatte die Furcht, man könne ihrem Gesicht ablesen, dass sie einen Plan hatte und so vermied sie jeglichen Blickkontakt. Stille überlagerte den geräumigen Speisesaal, nur durchbrochen von dem Klirren des Bestecks, dem polternde Absetzen der Gläser und  dem gelegentliche Räuspern der Tischgäste. Neben Narzissa stocherte nun auch Hermine geistesabwesend im Essen herum. „Iss", ermahnte sie Lucius nicht nur einmal. Warum sorgte er sich darum, ob sie etwas aß? Sie gab ihm nach, um nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig auf sie zu richten. Ihr Magen war wohlgefüllt und als die Elfen zum Abräumen des Hauptganges in den Saal wuselten, ließ Hermine mit gesenktem Arm das kleine Zettelchen aus ihrer Hand auf den Boden fallen. Sie blickte dabei eisern auf die Tafel vor ihr, damit Lucius Malfoy nicht ihren Augen folgte und womöglich ihr kleines Geheimnis entdeckte. Er selbst wurde durch einen ungeschickten Elfen abgelenkt, der zu passender Zeit beinahe einen Kelch Wein umstieß. Verärgert schrie Malfoy ihn an, zornig blickte er sich um, ließ aber ab als er erkannte, dass das Unglück noch abgewendet wurde. „Pass doch auf, die nutzlose Kreatur", spottete er abschließend. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen wendete er sich zurück zur Tafel. Ihre Augen trafen sich. Hermine blieb stur und entwich dem Blick nicht, wohlwissend um den Zettel, der sich nur wenige Zentimeter von ihren Füßen befand. Sie schluckte und blickte verunsichert zu ihrer Rechten. Die Elfen zogen nach und nach ab und keiner von ihnen hatte ihrem Zettel Beachtung geschenkt. Enttäuscht biss sie sich auf die Unterlippe. „Sie haben die Anweisung erhalten, ihren kleinen Brief zu ignorieren", grinste Lucius Malfoy, sein Weinglas in ihre Richtung erhebend, „Prost". Ein kalter Schauer durchzog sie, als wäre sie gerade von einer Sturzladung eisigen Regenwassers übergossen worden. Hatte er bemerkt, wie sie den Zettel abgelegt hatte? „Miss Granger, ich überwache natürlich Ihren Briefverkehr", erklärte er ihr ruhiger Stimme. Wieder einmal kam sie sich, die schlauste Hexe ihres Jahrgangs, dumm wie Brot vor. Egal, was es war, er war ihr voraus. Eine tiefe Traurigkeit und Verzweiflung überkam sie. Narzissa schenkte ihr einen Blick, der nur allzu viel verriet. Langsam schüttelte ihre Kopf und blickte sie voller Furcht an. Sie wusste, dass sie nun seine Geduld und Gnade überreizt hatte. Nun würde er ihr etwas antun.

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