Kapitel 5 - Ein Knopfloch zu viel

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Eine Woche war Hermine nun nicht bei der Arbeit erschienen. Sie hatte sich krank gemeldet. In all den Jahren, die sie arbeitete, hatte sie sich noch nie krank gemeldet. Und sie war auch nicht krank. Ihr Körper war jung und vital - aber ihr Geist? Erschöpft. Ausgelaugt. Verwirrt? Sie lag bloß auf dem Bett und dachte nach. Stundenlang, tagelang dachte sie einfach nur. Vergaß zu essen, zu trinken und aufzustehen. Sie dachte so viel und doch dachte sie nichts. Sie stand völlig neben sich und alles, was sie jetzt noch tat, tat sie nicht geistesgegenwärtig. Doch nun klopfte es und Hermine war hellwach. Ihr Blick richtete sich zur Tür, alles verschwamm und drehte sich, doch der Türknauf stach in brillianter Schärfe hervor. ‚Der Türknauf', dachte sie und erinnerte sich an den Tag, an dem ihre und Malfoys Hand sich genau an einer solchen Stelle berührten. ‚Malfoy', schwebte es ihr durch den Kopf. Sie zwang sich aufzustehen. In Zeitlupe ging sie Richtung Tür, öffnete sie. Aber niemand war da. Zweifelnd an ihrem Verstand setzte sie an, um die Tür wieder in ihr Schloss fallen zu lassen. Erst da bemerkte sie, dass jemand etwas auf die Fußmatte vor ihrer Haustür abgelegt hatte. Eine blütenreine Margerite lag vor ihren Füßen, nur eine einzelne. Darunter ein Brief. Sie hob beides auf, schloss nun doch die Tür und bewegte sich Richtung Küche. Noch im gehen öffnete sie das Schreiben und roch beiläufig an der zarten Blüte. Auf dickem Pergament stand dort in verschnörkelter Schreibschrift: „Miss Granger, wir hoffen auf baldige Genesung und wünschen Ihnen viel Gesundheit. Zaubereiministerium." Hermine runzelte die Stirn, ‚seit wann werden Genesungswünsche vom Ministerium verschickt?', und lies ihren Blick ein weiteres Mal über das griffige Papier schweben. „Dort unten steht noch etwas...", murmelte sie, „im Auftrag - L.M." Sie lehnte sich über den Tresen ihrer Kücheninsel. „Wer ist L.M.?", fragte sie sich. Doch die Antwort wusste sie bereits.

Fest entschlossen, sich nicht mehr der mentalen Manipulation von Lucius Malfoy zu unterwerfen, zog sie sich an. „Was dachte ich mir eigentlich? Krank sein, weil ein Kollege sich einen Spaß erlaubt?", fassungslos über ihre eigene Dummheit schloss sie den letzten Knopf ihrer hochgeschlossenen Bluse. „Ich, Hermine Granger, Jahrgangsbeste, Schulstreberin, lasse mich von einem Bastard wie Lucius Malfoy einschüchtern", kopfschüttelnd presste sie ihren Fuß in einen ihrer schwarzen Pumps. Sie schnappte ihre Handtasche, legte einen dunklen Lippenstift auf, richtete ihre Haare und blickte entschlossen in den Spiegel: „Du bist stark, Hermine". Der Tag wandte sich fast schon dem Ende zu, es dämmerte bereits und der Weg zum Ministerium würde sich nun nicht mehr lohnen. ‚Muss ja keiner wissen', grinste sie stillschweigend. Sie war eben doch eine Gryffindor. Um nun aber doch ihren neu gewonnenen Lebensmut auszukosten, apparierte sie in Richtung Winkelgasse. Sie wollte sich ohnehin noch einen neuen Roman besorgen. Damit ihre Gedanken endlich einmal wieder zu sinnvolleren Dingen abschweifen konnten. Die kleine Gasse war vollgestopft mit Zauberern. Das neue Schuljahr in Hogwarts würde bald beginnen, wie hätte sie das vergessen können? Allerhand Kinder tummelten sich auf der engen Straße und drückten ihre Gesichter an die bunten Schaufenster. Hier gab es immer etwas zu sehen und zu erleben. Hermine grinste und schlug zielstrebig den Weg zu Flourish und Blotts ein. Sie drückte sich an besorgten Eltern und genervten Teenagern vorbei, bis sie endlich die Tür ihres Lieblingsladens erreichte. Die neuesten Schulbücher befanden sich immer direkt hinter dem Eingang, damit wurde wohl der Hauptumsatz generiert. Wo bekommen junge Zauberer auch sonst ihre Schulbücher? Hermine grübelte, legte den Gedanken aber schnell bei Seite. Romane befanden sich ohnehin im ersten Stock - Zauberer schätzten das Lesen fiktiver Werke wohl weitaus weniger als Muggel. Für Hermine unverständlich. Ihre Pumps hallten wieder einmal auf der Wendeltreppe, die sie über die kalten Steinstufen nach oben führte. Ihre Hand glitt am hölzernen Treppengeländer entlang. ‚Gleiten. Ebenholz', flüsterte es in ihrem Kopf. Den Gedanke bei Seite legend nahm sie direkt das erste Buch in die Hand, was sie auf der ersten Etage begrüßte. Sie erfühlte den Einband mit ihren Fingern. „Barry Lockhart - Picknick mit einem Pegasus", las sie irritiert vor. Der Klappentext erübrigte weitere Fragen: „Das neuste Werk von Gilderoy Lockharts heimlichen Sohn. Barry Lockhart berichtet über sein wildes Abenteuer mit einem Pegasus". Hermine legte das Buch bei Seite: „Was für ein Schwachsinn". Peinlich berührt über die Buchwahl schaute sie sich um. Niemand hatte sie gesehen. Generell unterschied sich der obere Teil der Buchhandlung deutlich von dem Eingangsbereich, den sie just passiert hatte. Nur in der Ecke fuhr eine alte Dame mit ihrem von Arthrose unbeweglich gewordenem Finger über die ledernen Einbände und flüsterte die Buchtitel vor sich her. Hermine wandte sich ab, passierte den Aufsteller und steuerte auf ein großes Buchregal, über dem der Buchstabe „E" geschrieben war, zu. Zufrieden lächelte als sie die Dimensionen des Regals betrachtete. „Das sind eine Menge Bücher, Hermine, und wir gehen nicht, bevor wir nicht jedes Einzelne auf seine Qualitäten geprüft haben", sprach sie sich selbst freudig zu. So las sie die Buchtitel, zog ab und an ein interessantes Exemplar hervor, inspizierte den Klappentext. Endlich konnte sie sich ablenken und ihre ungewollten Gedanken vergessen. Sie genoss den Geruch des Papiers, das Gefühl der dicken Seiten. Und sie bemerkte nicht, dass eine Person näher trat. „Miss Granger". Sie zuckte zusammen. ‚Nein, nicht schon wieder. Ignorier ihn einfach. Lies weiter', sprach sie sich zu. Ihr Blick war eisern auf das in ihrer Hand liegende Buch gerichtet, ihre Augen schweiften nun schon zum dritten Mal über den Text. Vernommen hatte sie davon jedoch nichts. „Miss Granger", wiederholte er sich energischer. Sie atmete aus, schlug das Buch zu und richtete sich auf. Sie zwang sich zu einem höflichen, wenn auch sehr gekünstelten, Lächeln. „Mr. Malfoy?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. „Nur ein kurzes ‚Hallo'. Ich möchte Sie ja nicht stören", spottete er. „Das haben Sie bereits getan. Wenn Sie mich entschuldigen", entgegnete Hermine während sie sich bereits wieder versuchte umzudrehen. Die eiserne Schlange, die seinen Gehstock zierte, schnellte bestimmt, doch aber sanft, auf ihre Schulter und hinderte sie daran. „Nur noch eine kleine Sache", grinste er hämisch und trat näher. Zu nah. Sie spürte seinen Atem in ihrem Gesicht, roch wieder sein Parfum. Sie blickte zu Boden, doch er umfuhr ihr Kinn mit seinem Finger und richtete seinen Blick auf ihn. Seine Haut war rein und hell, wie Porzellan, und seine Augen aus grauem Stahl. Er war makellos. Er lies seine Hand nach unten fahren, sie schwebten über ihrem Dekolleté, bedeckt von ihrer Bluse. Sie schloss die Augen und presste die Lippen zusammen, ängstig darüber, was nun passieren würde. „Nicht so schüchtern, ich tu Ihnen doch nichts", sprach er amüsiert. Er zog wieder einen Mundwinkel hoch, so, wie er es immer tat. ‚Mund. Küssen', durchzog es ihre Gedanken. „Was wollen Sie von mir?", entgegnete Hermine laut und bestimmt. Lucius Malfoy schmunzelte, antwortete aber nicht. Seine Hände fuhren ihre Bluse entlang. Seine Finger legten sich behutsam um den obersten Knopf. Beängstigend dicht an ihrer Kehle wandten sie den Knopf durch das Knopfloch. Verschmitzt lächelnd schweifte sein Blick von ihren Brüsten zu ihrem Gesicht. Ihr Blick war gefroren, sie zitterte vor Angst. Furchteinflößend langsam knöpfte er noch zwei weitere Knöpfe auf bis die Bluse einen prächtigen Ausschnitt offenbarte. „So ist es doch gleich viel... ansehnlicher. Meinen Sie nicht, Miss Granger?" Sie schluckte, entspannte sich aber etwas, als er seine Hände von ihr abließ und genauso schnell verschwand, wie er erschienen war. 

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