Kapitel 15 - Citrin

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Hermines Kopf glühte, während sie nach einer passenden Antwort rang. Ihre hellblonde, etwas sonderbare Freundin Luna Lovegood hatte gerade etwas ausgesprochen, was Hermine nur schwer glauben konnte - sie wurde vergiftet. Schockiert, gleichzeitig aber auch von ihrer eigenen Naivität beeindruckt, druckste sie herum. Natürlich war ihr bewusst, dass nur eine Person für ihre Vergiftung verantwortlich sein konnte: Narzissa Malfoy. Sie hatte ein legitimes Motiv - nein, eigentlich war es nicht legitim, vielleicht aber etwas nachvollziehbar. Und Hermine hatte sie kurz vor Ausbruch der Symptome persönlich angetroffen. Sie versuchte gedanklich die Zeit zurückzuspulen. Die Szene, die sich im Büros von Malfoy ereignet hatte, spielte sich in ihrem Kopf wiederholt ab. Sie kam herein, sah Narzissa erst nicht, erblickte sie dann aber an der Kommode gelehnt. Sie goss Hermine Tee ein - aber hatte sie nicht auch eine Tasse getrunken? Das konnte es nicht gewesen sein. Sie unterhielt sich mit Lucius, rechtfertigte sich. Narzissa spielte an ihrem Ring. Vergiftungen können aber kaum per Zauber beschworen werden. Oder doch? Die Malfoys besaßen doch zahlreiche schwarz-magische Objekte. „Luna, kennst du einen Weg, eine Vergiftung per Zauber auszulösen?" Luna entgegnete mit leiser und engelsgleicher Stimme: „Nein, Hermine, ich kenne keinen Weg." Sie lächelte schwach, als würde sie ihre Freundin ungern enttäuschen wollen. „Soweit ich weiß, funktioniert das auch nicht." Hermine nickte stumm. Nein, sie hätte auch längst davon gewusst, immerhin hatte sie zu ihrer Schulzeit stundenlang die Bibliothek von Hogwarts durchwühlt. Aber was passierte noch im Büro von Lucius Malfoy? Hermine erinnerte sich daran, wie sie den Raum verließ. Sie war doch voller Tatendrang gewesen. Einen Moment hielt sie Inne, wollte sich daran erinnern, wie sie zur Tür hinaus ging. Plötzlich kam ihr das Bild wieder vor Augen: Narzissa Malfoy hatte ihr noch einmal die Teetasse gereicht. Ja, das kann sein. Sie hatte sie ja für einen Moment abgestellt und sie Hexe nicht beobachtet. Wie töricht! Sie war es, die Hermine vergiftet hatte, daran bestand für sie kein Zweifel. Hatte es etwas mit dem Ring auf sich? Hermine suchte noch einmal den Rat ihrer Freundin, die sie die ganze Zeit fasziniert beobachtet hatte. „Ringe. Kann es etwas mit einem Ring zu tun haben?" Luna trat etwas näher, setzte ihre kuriose zweifarbige Brille auf. Hermine verstand davon nichts. Sie schätze ihre Freundin, aber für sie war es die Wissenschaft, die die Erkenntnisse lieferte, keine merkwürdigen Wesen im Kopf. „In deinem Kopf sind viele Wrackspurts. Bist du oft niedergeschlagen? Es sind zu viele", erzählte Luna. Hermine rollte mit den Augen: „Luna, bitte. Es sind keine Wesen im Kopf, die mich vergiftet haben. Aber vielleicht ein Ring. Schwarze Magie...?" Luna nahm langsam ihre Brille ab. Sie blickte Hermine eisern an, es gruselte sie fast ein wenig. „Nein, ich glaube nicht, dass es sowas gibt. Aber ich habe etwas von meiner Urgroßmutter, was vielleicht deine Frage beantworten kann", sprach Luna, Hermine weiter starr anblickend. Sie bewegte sich zu einem großen Holzschrank, öffnete die quietschende Tür und nahm eine Schatulle heraus, die alt und gebrechlich aussah. Behutsam legte sie den fragilen Gegenstand auf das Strohbett ab und setzte sich neben Hermine. Hermine sah nicht, was sich in der Schatulle befand bis Luna einen Gegenstand hervorholte und ihn Hermine auf ihrer flachen Hand präsentierte. Ein großer silberner Ring lag darauf, besetzt mit einem einzelnen orangeroten Stein. „Ein Giftring", sprach Luna. Hermine griff vorsichtig nach dem alten Schmuckstück. Das musste es gewesen sein. „Wie funktioniert er?", fragte Hermine während sie den Ring gegen die Sonne hielt. „Du kannst ihn aufklappen", sprach Luna, griff an den Stein und lockerte den Mechanismus. Der Edelstein sprang zur Seite und offenbarte eine kleine Kammer. „Du kannst dann etwas Gift hineingeben". Hermine war verblüfft über den einfachen, aber ihr doch gänzlich unbekannten Mechanismus. „Heutzutage kennt das kaum wer. Ich hab den Ring von meiner Großmutter. Früher hatten sowas nur wohlhabende Leute. Es war recht verbreitet", ertönte Lunas seidige Stimme. Nun war sich Hermine ganz sicher, dass es Narzissa Malfoy war, die sie vergiftet hatte. Aber das würde sie Luna nicht erzählen. Sie konnte es Luna nicht erzählen. Dann wäre das Gespräch zu Lucius gewandert und sie hätte sich rechtfertigen müssen. Sie, ein elendiges „Schlammblut", wie er zu sagen pflegte, hatte Sex mit einem ehemaligen Todesser. Nein, das konnte sie ihr nicht sagen. Es würde ihren Ruf, ihre Seriosität und eigentlich alles, wofür sie all die Jahre gekämpft hatte, ruinieren. In den Dreck ziehen. Beschmutzen. „Es ist okay, du musst es mir nicht erzählen", versicherte Luna. Ein Schauer überkam Hermine. Sie hatte immer das Gefühl, Luna wusste mehr, als sie hätte wissen sollen. „Es... es ist nicht einfach", stammelte Hermine. Luna lächelte sie nur an. „Gib nur auf dich acht", sprach sie, während sie sich erhob. Die blonde, junge Hexe bewegte sich wieder zu dem hölzernen Schrank, zog aber nun eine kleine Kette hervor. Sie griff Hermines Hand und legte ihr das dünnes braune Lederband mit goldgelbem Stein nah. „Ein Citrin. Ich habe ihn selbst gefunden, bei den Feen", erzählte sie ernsthaft, „Er wird dir helfen". ‚Er wird dir helfen', durchströmte es Hermines Gedanken. Es schauderte sie. Sie blickte auf den Stein, ungeschliffen und unberührt. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihr aus, ihre Handfläche schien förmlich zu glühen. Sie hielt nicht viel von dieser Art von Magie, aber sie wusste die Geste zu schätzen. „Ich danke dir, Luna. Für alles", versicherte Hermine. Luna verbeugte sich galant vor ihr. Wenige Minuten später fand sich Hermine in der Hülle ihres Apartments wieder. Sie lächelte, ein echtes Lächeln, das sie schon seit Wochen nicht mehr gezeigt hatte. Sie spürte die Freude in ihr, den Mut und den Ehrgeiz. Sollte sie sich nicht eigentlich schlecht fühlen?

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