Zwei Tage waren seit der Beobachtung von Narzissa und Lucius Malfoy vergangen. Nach einem freien Tag - an dem sie sich erneut alleine in ihrer Wohnung verschanzt hatte - saß sie nun wieder in ihrem Büro im Ministerium. Vor ihr lag der Stapel an Flugblättern, den sie schon vor Tagen verteilen wollte. Nervös tippte sie mit den Fingern auf dem Schreibpult. Heute würde sie die Blätter verteilen, belog sie sich selbst. Sie prokrastinierte eine Weile, schob Unterlagen von links nach rechts und blickte gedankenlos aus dem Fenster. Nach einer Weile entdeckte sie die Pergamentrolle, die sie vor Tagen noch als Versteck genutzt hatte. Gelangweilt schubste sie das Dokument an und beobachtete, wie sich die Rolle langsam über die Tischplatte bewegte. Entschlossen griff sie nun das Papier und entfaltete es vor ihren Augen. Ihre Augen schwebten immer wieder über die Zeilen, obwohl sie den Text doch längst gelesen hatte. Es war die Bescheinigung, die es ihr gestattete, überhaupt in der Winkelgasse Handzettel zu verteilen. Die Zaubererwelt war längst kein rechtsfreier Ort mehr und so benötigte es auch hier zahlreiche Formulare und Einverständniserklärungen. Bigsby, der dicke Großmäuler, der es pflegte, ihre Reden zu unterbrechen, hatte sie unterzeichnet. Hermine schmunzelte. Gerade er, der sich doch so über ihren Einsatz amüsierte. Doch er war Staatssekretär und somit in der Lage, ihr diese Genehmigung auszustellen. Trotz der Meinungsverschiedenheiten war es verpönt, die Unterschrift solcher belangloser Formalia zu verweigern und so gelangte Hermine mühelos an seine Unterschrift. Ihre Augen wanderten ein weiteres Mal über die Zeilen. Sie betrachteten die krakelige Unterschrift. Darunter das Datum. Erschrocken blickte sie auf. Das Datum! Sie hatte die Einverständniserklärung für den Mittwoch ausstellen lassen und nun war es Freitag. „Warum hab ich wieder gekniffen?", ärgerte sie sich. Wütend über ihre missliche Lage stand sie auf und ging einige Meter auf und ab. Nun zweifelte sie langsam an ihrem Verstand. Sie bemühte sich darum, sich selbst gut zuzusprechen: ‚Es wird alles gut. Hol dir eine neue Unterschrift'. Selbstsicher nickte sie, als sie noch immer Bahnen in ihrem Büro zog. Aber bei Bigsby? Nein. Dieser Blöße wollte sie sich nicht aussetzen. „Läuft nicht so, was, Kleine?", äffte sie den in ihren Gedanken scherzenden unmanierlichen Mann nach. Nein, sie würde einen der anderen Sekretäre fragen. Sie eilte zu der Korkpinnwand am anderen Ende des überschaubaren Raumes. Angeheftet neben Probedrucken ihres Kampagnendesigns und handschriftlichen Notizen zu klugen Redeeinstiegen fand sie eine große Übersichtstabelle. Neben einer Gebäudeskizze und einem Belegungsplan fand sie dort auch rasch den gesuchten Zettel, der ihr die gesuchten Positionen verraten sollte. Sie ließ ihren Zeigefinger über das Papier gleiten und stoppte, als sie die Überschrift „Staatssekretäre" erreichte. Bigsby war raus, Dempseys Büro lag auf der anderen Seite des Gebäudekomplexes... Wollte sie wirklich den langen Weg für eine Unterschrift auf sich nehmen? Ihr Finger rutschte zum nächsten Namen. Malfoy. Nein. Pugsley - Widerling. Ihre Augen blickten wieder hoch zu „Malfoy". ‚Nein, Hermine', sprach sie sich eindringlich zu. Doch sie wollte zu ihm. Sie presste die Lippen zusammen, bewegte die Augen noch einmal überprüfend über die Liste und beschloss nun doch, ihn aufzusuchen. „Es ist ja nur die eine Unterschrift und sein Büro ist recht nah", versicherte sie sich. Ein inniges Verlangen durchzog ihren Körper. Die Bezeichnung „Staatssekretär" machte sie an. Dass er überhaupt auf dieser Liste stand. Gleichzeitig fühlte sie sich schlecht, weil sie so viel seiner Zeit raubte. Seit wann hatte sie Mitleid mit einem Malfoy? Ihre konfusen Gedanken zur Seite legend, zauberte sie ein frisches Dokument her. Sie schloss die Bürotür hinter sich und schlenderte den Gang hinab. Mit freudiger Erwartungshaltung erreichte sie seine Bürotür. Die Scham und Aufregung, die sie vor Wochen noch empfand, war gewichen - ja, sie war fast selbstbewusst und routiniert, als sie an das massive Holz klopfte. Ein grummelndes „Hmm" folgte als Antwort. Sie riss die Tür auf und trat gleich ein. Fragend hob er eine Augenbraue. Er räusperte sich auffällig, als sie zum Reden ansetzen wollte. Hermine stockte verwundert. „Miss Granger", sprach eine Stimme. Eine zarte, frauliche Stimme. Hermine blickte zu ihrer Rechten und fand Narzissa Malfoy an einer barocken Kommode lehnend. „Mrs... Mrs. Malfoy", stammelte Hermine und verbeugte sich leicht. Scheu blickte sie zu Boden und versuchte jeglichen Blickkontakt zu vermeiden. Aber die blonde, grazile Frau plusterte sich erhaben auf. Mit einer anmutigen Haltung, so wie sie sonst nur Balletttänzerinnen oder Frauen gehobenen Standes einnahmen, und ihren figurbetonten, luxuriösen Roben bot sie ein einschüchterndes Erscheinungsbild. „Was ist Ihr Anliegen? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", presste Lucius Malfoy hervor. Hermine reichte ihm das Pergament. „Ich brauche eine Unterschrift", fügte sie demütig hinzu. Er nahm das Papier an sich, begab sich hinter den Schreibtisch. „Eine Tasse Tee, Miss Granger?", raunte Mrs. Malfoy in zarter Stimme. Nein, sie wollte wirklich keinen Tee mit der Frau ihrer kleinen Affäre trinken. Aber hatte sie eine Wahl? Die ältere Frau blickte sie mit einem durchbohrendem Blick an, die Teekanne bereits in der Hand haltend. Es erschien Hermine unhöflich, nun abzulehnen. „Gern", sprach sie, während sie bereute, überhaupt den Weg zu diesem Büro genommen zu haben. Narzissa Malfoy schüttete ihr behutsam etwas Schwarztee in die mit filigranen goldenen Elementen verzierte Porzellantasse. Alles, was die Malfoy ihr Eigentum nannten, schien bereits seit hunderten von Jahren in Familienbesitz zu sein. Man merkte auch, dass sie besonders stolz darauf waren. Und so reichte auch die Frau des Hauses ihr die Tasse mit äußerster Behutsamkeit. Hermine nahm einen kleinen Schluck, stellte das Porzellan auf den kleinen schwarzen Teetisch und widmete sich nun wieder Lucius Malfoy zu. Mittlerweile hatte er wieder seine silberne Lesebrille aufgesetzt und überflog nun das Dokument. „Warum sollte ich das unterschreiben, Miss Granger?", fragte er provozierend. Seine Frau beobachtete die Szene amüsiert, spielte mit einem Ring an ihrem Finger, der mit einem imposanten Edelstein besetzt war. „Ich hatte erst Mr. Bigsby danach gefragt... er... er hatte mir die Unterschrift erteilt". „Beantworten Sie meine Frage, Miss Granger". Er war dominant und einschüchtern. Am liebsten würde sie wieder seine Lippen an ihrem Hals fühlen. Seine Hände an ihrem Busen. Unsicher, ob ihre Gedanken nicht ertappt werden würden, blickte sie zu seiner Frau. Hämisch grinsend rieb sie weiterhin über den Ring, angelehnt an die Kommode, scheinbar köstlich amüsiert. Hermine holte aus: „Sir, wie Sie wissen, gilt auch im Zaubereiministerium Meinungs- und Politikfreiheit. Ich möchte eine Kampagne zur Gleichstellung der Elfen starten" - Narzissa unterbrach sie mit einem verächtlichen Gekicher - „Ich brauche die Unterschrift, um Flugblätter in der Winkelgasse verteilen zu dürfen". Sie trat näher an das Pult. „Sie sind befähigt, das Dokument zu unterschreiben, deswegen bin ich hier. Ich habe keine Absicht, über ihre traditionellen Werte zu philosophieren". Hermine wollte sich für ihren schnippischen Ton selbst rügen. „Machen Sie, was Sie für richtig halten. Erwähnen Sie aber meinen Namen nicht und zeigen Sie das Dokument nur den Personen, die es etwas angeht." Er erhob sich und fügte mit mahnender Stimme hinzu: „Wir möchten ja nicht den Familiennamen beschmutzen". Die Art, wie er das Wort „beschmutzen" betonte, stimmte sie wütend. Hermine war der naiven Annahme, er hätte sich geändert. Wäre offener geworden, würde muggelstämmige Zauberer und ihre Reformationsansätze tolerieren. Wie konnte sie auch nur so denken? Er blickte ihr mit derselben Verachtung ins Gesicht, mit der er sie bereits vor vielen, vielen Jahren angeschaut hatte, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Er richtete seinen Blick wieder auf das Pergament und unterschrieb in geschwungener Schreibschrift. Mit gekonnter Bewegung rollte er das Schriftstück auf und übergab es ihr. Er nahm es sich nicht nehmen, sie eindringlich, fast schon bedrohlich, irgendwo aber auch erotisch, anzusehen. Innerlich lächelte sie. Ihr war wieder ganz warm und behaglich geworden. Sie konnte das Hochziehen der Mundwinkel nicht vermeiden, als sie sich umdrehte, um den Raum zu verlassen. Dabei erblickte sie Narzissa Malfoy, die sie schon fast vergessen hatte. Sie war über Hermines Tee gebeugt, strich wieder merkwürdig über den Ring. „Sie müssen Ihren Tee noch trinken, Miss Granger", erwähnte sie mahnend. Höflich nahm Hermine die Tasse an, die ihr von Mrs. Malfoy gereicht wurde, und leerte sie in einem Zug. „Ich danke Ihnen", sprach Hermine sanft und begab sich zur Tür hinaus.
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Ministry Maid
Hayran KurguDer Krieg ist vorbei und Hermines Leben hat sich geändert - Schulbücher wurden durch Gesetzesbücher getauscht und statt im kleinen Rahmen Hauselfen zu helfen, reformiert sie nun das Ministerium. Gar nicht so einfach, denn auch die Rivalität ist gebl...