Kapitel 11 - Wir sprechen uns noch

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Hermine stolperte durch die Eingangshalle des Ministeriums. „'tschuldigung", sprach sie geistesabwesend daher, als sie einen fremden Zauberer in langen Roben streifte. Sie hob eine Pergamentrolle auf, die sie währenddessen fallen gelassen hatte, und quetschte ihren Fuß wieder in den schwarzen halbhohen Pump, den sie just verloren hatte. In letzter Zeit war sie sehr tollpatschig geworden und das Laufen auf hohen Schuhen lag ihr noch nie. Sie hätte es auch weiterhin vermieden, wenn das Ministerium nicht eine gewisse Kleiderordnung voraussetzen würde. Irgendwann würde sie dagegen vorgehen, überlegte sie still, aber es standen wichtigere Dinge auf ihrer Agenda als das Tragen von Schuhen. Hermine musste leicht schmunzeln, als sie nun an Luna Lovegood dachte, ihre alte Schulkameradin, die es bevorzugte, barfuß zu laufen. Ob sie das auch im Ministerium tun würde? Sie genoss Lunas Gesellschaft und fand ihren extraordinären Lebensmut bewundernswert. Ja, sie hatte Hermine doch erst zu dieser Stelle überredet. Ihr erklärt, wie sie das Ministerium und die ganze Zaubererwelt reformieren könnte. Beschämt blickte Hermine zu Boden. Sie hatte versagt und nichts von dem erreicht, was sie Luna und - viel wichtiger - sich selbst versprochen hatte. Ihre Reden trugen keine Früchte. Besonders jetzt nicht, wo Hermine vollkommen neben sich stand. Sie fragte sich, warum sie überhaupt noch hier arbeitete, erinnerte sich aber nun daran, dass sie nicht zum Spaß unterwegs sei. ‚Reiß dich zusammen, Hermine', sprach sie sich selbst zu. Sie warf einen prüfenden Blick in ihre Aktentasche: Die Handzettel, die sie austeilen wollte, befanden noch fein säuberlich geordnet an ihrem Platz. Sie klammerte sich an diese Aktion, wenigstens diese eine Veränderung wollte sie durchsetzen. Nachdem sie ihre Rede im Konferenzraum vermasselt hatte, galt es nun, auf anderem Wege Publikum zu finden. Elfen beschäftigten sie schon lange. Sie verstand nicht, warum so viele Zauberer so besessen darauf waren, sich von anderen Lebewesen bedienen zu lassen. Warum sollten Elfen in der Schuld der Zauberer stehen? Warum sollten sie sie bedienen? Erzwungen, gedemütigt, unbezahlt. Sie wollte diesen Zustand nicht mehr akzeptieren. Der erste Schritt ihres Plans: Die Denunzierung der Elfen durch die Bezeichnung als „Hauselfen" abschaffen. Ein Verständnis dafür schaffen, warum diese Bezeichnung so falsch war. Das war zumindest einmal ihr Traum. Sie arbeitete nur noch halbherzig daran und sie wollte sich am liebsten selbst dafür rügen. Hermine verbrachte zunehmend mehr Zeit zuhause, alleine, nichtstuend. Sie kam nicht mehr früher zur Arbeit, sie ging nicht mehr später und die Wochenenden waren nun auch mehr zu Stunden des Selbstmitleids geworden. Wenigstens die Handzettel wollte sie jetzt doch verteilen. Sie machte sich wieder auf den Weg, ging in Richtung des Flohnetzwerkes. Ihr Ziel war die Winkelgasse, zumindest der Teil, indem sich die jungen und modernen Zauberer aufhielten. Sie schätze sie als weitaus weltoffener ein. Sie waren der Startpunkt für ihre Kampagne. Doch so weit kam es nicht. Die prächtige Eingangshalle des Ministeriums lag vor ihr - geziert von einer nahezu endlosen Höhe, massiven Säulen und eleganten Statuen. Dieser Ort repräsentierte das Ministerium und seine Macht in vollen Zügen. Sie hielt einen Moment inne, als ihr Blick über die zahlreichen Zauberer schweifte, die sich ihren Weg bahnten. Sie gingen alleine, in Gruppen; schnell oder langsam; manche standen, andere tuschelten. Überwältigt vom Trubel atmete sie durch. Gerade wollte sie sich wieder in Bewegung setzen, da erhaschten ihre Augen eine bekannte Figur. Drüben, beim großen Springbrunnen, stand Lucius Malfoy. Neben ihm, eine blonde Frau. Hermine kniff die Augen zusammen. War es seine Frau? Sie beschloss, etwas näher zu schleichen. Sie nahm ein paar leichtfüßige Schritte in ihre Richtung und verdeckte ihr Anbild hinter einer Marmorsäule. Der Sockel war gerade auf Sitzhöhe und so stellte sie ihre Aktentasche zu Boden und las sich nieder. Sie hatte einen guten Blick auf das Paar, das doch so stark aus der Masse hervor schien. Narzissa war groß, schlank und von ungewöhnlicher Schönheit. Hermine war fast etwas eingeschüchtert, als sie sah, wie die Frau mit dem langen, zart und elegant drapierten Haar, den vollen Lippen und strahlenden Augen so hoch erhoben neben ihren ebenbürtigem Ehemann stand. Hermine hatte gar nicht über Narzissa nachgedacht. Sie trieb sich mit ihrem Mann herum, aber hatte nie an sie gedacht. Sie fühlte sich miserabel und verspürte Reue. ‚Er hat dich verführt', sprach sie sich selbst zu, ‚aber du wolltest es doch auch'. Was das Ehepaar wohl zu besprechen hatte? Hermine schob ihr schlechtes Gewissen bei Seite. Ihre Neugier gewann. Um nicht aufzufallen, rollte sie das dicke Pergament, welches sie mit sich führte, auf und begann zu lesen. Zumindest tat sie so. Die Schriftrolle beinhaltete lediglich die Einverständniserklärung, ihre Handzettel austeilen zu dürfen. Dass ihr dieses Schreiben noch einmal nützlich werden konnte, hatte sie nicht geahnt. „Silencio", flüsterte Hermine, ihren rankenumschlungenen Zauberstab verdeckt in der Hand haltend. Die Umgebungsgeräusche, die durch das Laufen und Sprechen der Zauberer in der Halle erzeugt wurden, verstummten. Nun gelang es ihr, dem Gespräch der Malfoys vollends zu lauschen. „Lucius, ich möchte eine Antwort", zischte Narzissa in aufbrausendem Ton. An seinem Gesicht war keinerlei Emotion abzulesen. Stolz erhobenen Hauptes setzte er zum Sprechen an: „Ich weiß deine Passion sehr zu schätzen, Narzissa, aber ich kann diese Ablenkung jetzt nicht gebrauchen." ‚Welche Ablenkung?', fragte sich Hermine. „Ablenkung?", Narzissa fuhr aus ihrer Haut. Sie hielt ihre Nase, wieder einmal, hoch bis zum Himmel, abschätzig rümpfend und die Arme verschränkend. Die Frau wusste, wie man eine Show veranstaltete, stellte Hermine schnell fest. „Nicht hier", raunte Lucius und blickte sie mahnend an. „Und wo sonst? Du zeigst dich ja nie zuhause. Draco vermisst dich. Ich vermisse dich." Im letzten Satz legte sich die Hysterie, sie tat Hermine fast schon Leid. Warum er wohl nicht mehr nach Hause kam? War es wegen ihr? ‚Sei nicht so naiv', sprach ihr Kopf. Lucius blickte sich um, wollte sich wohl versichern, dass sie nicht beobachtet wurden, wenn er öffentlich Gefühle für seine Frau zeigte. Ruckartig zog Hermine das Pergament vor ihr Gesicht, da hatte er sie bereits erblickt. Eindringlich blickte er sie an, die Augen zusammengekniffen und nun den Kopf leicht schief legend. Bevor er sein Gesicht wieder zu dem kühlen, neutralen Ausdruck bewegen konnte, folgte Narzissa aber bereits seinem Blick. Lucius blickte gekünstelt weg, nahm sie direkt in den Arm, flüsterte ihr ins Ohr. Während Narzissa ihren Kopf auf die Schulter ihres Mannes legte, spürte Hermine den eisernen Blick der Frau auf ihr lasten. ‚Mist, Mist, Mist', schrie es in ihren Gedanken. Hermine entschied, an Ort und Stelle zu bleiben. Es wäre doch nur verwunderlicher, wenn sie nun entscheiden würde, zu gehen. So ertrug sie die stillen Blicke Narzissa Malfoys und beobachtete, wie sie anschließend Lucius in einen leidenschaftlichen Kuss zog. Wie ein Cheerleader-Mädchen, das gerade einen Freund ausspannte, präsentierte sie der Zaubererwelt einen ungewöhnlich langen, kitschigen Kuss, bei dem sie sich ansehnlich an ihrem Mann drapierte. Hermine verzog ihren Mund zu einem heimlichen Kichern, das nun aber durch einen weiteren durchbohrenden Blick der hübschen Frau durchbrochen wurde. „Wir sprechen uns noch", äußerte Narzissa Malfoy und drehte sich um. Hermine wurde flau im Magen.

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