Seit drei Tagen saß sie bereits im Landsitz der Familie Malfoy fest. Wie ein Vogel im goldenen Käfig hatte sie das weitläufige, prächtig eingerichtete Zimmer ihr Eigen nennen dürfen und wurde mit reichlicher Kost und feinsten Weinen bedient. Doch sie war gefangen und das vergaß sie trotz des wertschätzenden Umgangs nicht. Lucius Malfoy hatte sie die letzten Tage nicht bedrängt, sie wusste, dass auch er seiner Pflicht im Ministerium nachkommen musste. Einerseits war sie froh, seinem Umgang entgehen zu können, andererseits kam sie nicht voran. Sie harrte aus, stundenlang, tagelang, nur darauf wartend, was mit ihr als nächstes geschehen würde. Hermine hatte beschlossen, dem Rat des Mannes zu folgen und keinen Fluchtversuch mehr zu unternehmen. Nicht, weil er so überzeugend klang, sondern, weil sie sich selbst ausmalen konnte, dass ein leichtsinniges, undurchdachtes Entkommen ihr nicht gelingen würde. Sie gab die Hoffnung dem zu trotz nicht auf und ihre Gedanken ratterten wie ein ewiger Zahnradmechanismus in einer gleichbleibenden Beständigkeit vor sich hin. Neben dem Abwägen von Möglichkeiten der Flucht, dem Überdenken seiner Beweggründe und dem Grübeln darüber, wie lange sie wohl noch in Malfoy Manor verweilen musste, flogen ihre Gedanken auch zu der Frage, wie sie es so weit hatte kommen lassen. Warum war ihr die üble Manipulation überhaupt nicht aufgefallen? Warum hatte sie sich so schnell auf ihn eingelassen? Sie dachte an ihre körperlichen Zusammenkünfte, die Berührungen und die Emotionen, die er in ihr ausgelöst hatte. Sie hatte sich so glücklich in diesen Momenten gefühlt, so erfüllt, so warm und geborgen. War es nur die Nähe eines Menschen, die sie so fühlen gelassen hatte? Sie dachte daran, wie sehr sie sich nach ihm gesehnt hatte, wie er ihr Hoffnung und Zuversicht gab. Wie sie sich ohne ihn fühlte - leer, kraftlos, müde. Unfähig, zu existieren. Seine Augen hatten einfach etwas magisches an sich, etwas, dass sie jedes Mal in seinen Bann zog. ‚Seine Augen', dachte Hermine. Während sie in ihrem Zimmer auf und ab schritt, melancholisch aus dem Fenster auf den malerischen Garten blickend, kam sie langsam zu dem Schluss, dass er sie auf irgendeine Art und Weise beeinflusst haben musste. War es ein Trank? Ein Liebestrank? Oder gar ein Zauber? Einer, von dem sie nichts wusste... oder gar der Imperius-Fluch? Hermine konnte sich keinen Reim daraus machen. Egal, wie sehr sie sich bemühte, Fakten und Wissen zu kombinieren, so ungenauer wurden doch ihre Deutungshypothesen. Müde vom vielen Nachdenken und von einem stechenden Kopfschmerz geplagt, musste sie sich eingestehen, dass sie heute keine Antwort finden würde. Wahrscheinlich würde sie nie eine Antwort finden. So sehr ihr neugieriges und wissbegieriges Gemüt auch daran interessiert war. Schnaufend ließ sie sich auf einem vergoldeten und mit barocken verschnörkelten Schnitzereien verzierten Stuhl am Fenster nieder und blickte noch eine Weile auf die von der Mittagssonne erhellte Parkanlage. Perfektionistisch ausgearbeitete Formschnitte aus Buchsbaumhecken erstreckten sich im Versailler Stil neben üppig bewachsenen Rosenbüschen und fein säuberlich angelegten Wegen. Weiße Pfauen bewegten sich leichtfüßig durch die Anlage und pickten hier und da nach einigen Insekten. Es war ein beruhigender und idyllischer Anblick, der ihr einen Moment des Verschnaufens gewährte. Gar zynisch ironisch wirkte die doch so friedvolle Szene. Hermine vermochte gar nicht daran zu denken, welche düsteren Machenschaften im Inneren des Hauses vonstattengingen. Geplagt von unlösbaren Gedankensträngen, kognitiver Überforderung und monotoner Langeweile, die den Tagesablauf in ihrem goldenen Käfig begleiteten, dämmerte sie langsam ein.
Ein leises Knarzen erweckte Hermine aus ihrem kurzen Schlaf und sie musste feststellen, dass sie nicht mehr alleine war. Hastig wendete sie ihren Kopf vom Fenster ab und starrte hinter sich auf die Tür. Sie war nur einen Spalt geöffnet worden. Das Adrenalin schoss durch Hermines Körper. Was würde er nun wieder mit ihr anstellen? Sie hatte Tage der Ruhe genossen und war froh, jede Konfrontation zu meiden. Es hieß nichts Gutes, wenn er den Raum betrat. Er würde sie nicht einfach gehen lassen oder ihr sonstige fröhliche Nachrichten überbringen. Auch die Lust, die sie zeitweise verspürt hatte, gutgläubig an die Wärme in seinem Herzen glauben, war gänzlich verflogen. Alle sexuellen Handlungen waren für sie ab nun endgültig zur Vergewaltigung geworden. Gehorchte sie nicht, wurde er handgreiflich, also ließ sie seine Begierde über sich ergehen. Sie war klug genug, seine physische Gewalt nicht ausreizen zu wollen. Doch nun erkannte sie: Es war gar nicht Lucius Malfoy, der dort in der Tür stand. Im düsteren Schatten der Tür verborgen erkannte sie ein zärtliches Frauengesicht. Ein Blick auf die elegante Frauenhand mit rot bepinselten, langen Fingernägeln bestätigte ihre Hypothese. Es war Narzissa Malfoy, die sie schüchtern anblickte. Jegliche Missgunst war ihrem Gesicht gewichen und so wirkte sie, wie ausgewechselt. Eine rümpfende Nase, ein verabscheuender Blick mit hochgezogenen Augenbrauen und ihre geraden Schultern, die alle wissen lassen sollten, dass sie von reinsten Blutlinien abstammte, waren Teil ihres bekannten Auftretens. All der Anmut war ihrem Gesicht gewichen und ganz unsicher stand sie auf ihren Beinen. „Er wird bald wieder kommen", sprach sie mit seichter und brechender Stimme. Hermine wunderte sich, dass sie überhaupt noch sprach. Sie nickte langsam und blickte voller Furcht zu Boden. „Er wird dir noch schlimmeres tun", fuhr sie fort, „lass nicht zu, dass er deine Seele bricht". Die Worte aus ihrem Mund hatten einen furchtbar bitteren Nachgeschmack und ließen Hermine schaudern. „Warum macht er das alles? Ich versteh es nicht... Was möchte er von mir?", fragte Hermine, ihre ewigen Gedanken endlich aussprechend. Narzissa Malfoy hielt einen Moment inne, beantwortete ihr dann aber ihre Fragen: „Er ist recht... zielstrebig. Er weiß, was er will und wie er es bekommt. Er scheute noch nie vor diesen Mitteln zurück, wenn es um das Erfüllen seiner Träume ging..." Sie lächelte leicht, wohl in Erinnerungen schwelgend. „Mich hatte er nie so behandelt. Erst, als ich dich vergiftet hatte, traf es auch mich". Hermine schluckte. Sie gab es also zu. Hermine schenkte ihr einen finsteren Blick. „Es tut mir nicht Leid. Ich sehe doch nicht mit an, wie mein Ehemann mich mit einem Schlammblut betrügt". Ihre Stimme war kühl. War sie sich der Beleidigung nicht einmal bewusst? Oder interessierte es sie nur nicht? Hermine beschloss, die Bemerkungen zu ignorieren. Zu wertvoll waren die Informationen, die sie nun hoffentlich erhalten würde. Sie wollte die ältere Frau nicht durch ihren überspitzten Gerechtigkeitssinn und ihr loses Mundwerk verschrecken. Narzissa Malfoy wartete ihren inneren Konflikt schweigend ab und führte ihre Gedanken fort, als sie sah, dass Hermine ihr wieder ihre Aufmerksamkeit schenken konnte: „Er möchte dich aus dem Ministerium verscheuchen. Du durchkreuzt seine Pläne. Er hasst das. Also wirst du aus dem Weg geschafft". Narzissa Malfoy eröffnete ihr eine neue Perspektive. „Deswegen hat es auch mich erwischt. Durch das Gift hast du dich von ihm distanziert, wurdest nicht mehr erreichbar. Nun stand ich im Weg, bot die Gefahr, dass er dich nicht mehr manipulieren konnte, weil ich ihn überwachte". Sie schluchzte nun. „Also hat er mir Dinge angetan." Hermine wurde hellhörig: „Welche Dinge?" Sie war voller Furcht und Aufregung, ein bisschen mit angsteinflößender Neugier vor dem, was sie erwarten könnte. Die Augen der blonden Frau verdunkelten sich, während sie zum Türgriff langte und wieder ein langes Knarzen provozierte. „Du wirst es schon noch erfahren", flüsterte ihre Stimme bevor sie aus dem Raum verschwand.
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Ministry Maid
FanficDer Krieg ist vorbei und Hermines Leben hat sich geändert - Schulbücher wurden durch Gesetzesbücher getauscht und statt im kleinen Rahmen Hauselfen zu helfen, reformiert sie nun das Ministerium. Gar nicht so einfach, denn auch die Rivalität ist gebl...