10. Tierklinik

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Adam

Als die Tierärztin den Raum betritt, wusste ich, dass das Pech mich verfolgt. Denn meine behandelnde Ärztin ist ausgerechnet Dr. Maggie Wilson. Sie ist zwar ein Mensch aber auch die beste Freundin meiner Mutter. Die zwei veranstalten öfter Mal ein Kaffeekränzchen zusammen und quatschen sich die Seele aus dem Leib. Dr. Wilson weiß über uns Werwölfe gut Bescheid. Sie ist die Leiterin dieser Tierklinik, die sich sogar noch innerhalb unseres Rudelgebietes befindet, trotzdem hätte auch jemand anderes gerade Dienst haben können und nicht jemand der meine kleine Peinlichkeit vermutlich mit meiner ganzen Familie bespricht.

Meine Mutter und Dr. Wilson haben ein Abkommen zusammen. Jeder, aus unserem Rudel, der ein verletztes Tier findet, bringt es zu dieser Klinik. Hier wird den Tieren geholfen und die Kosten für die Behandlung übernimmt unsere Firma. Das ganze dient dem Artenschutz im Yellowstone National Park und der Umgebung. Die Zeiten wo wir durch die Wälder streiften und Hasen oder Rehe rissen, sind längs vorbei. Auch wir Werwölfe sind bequemer geworden und gehen lieber in den Super Markt.

Wenn wir jagen, dann nur noch aus zwei Gründen.

Der erste Grund dient, so paradox es auch klingen mag, dem Tierschutz, denn wenn die zu hohe Population einer Tierart, einer anderen Tierart gefährlich werden könnte, müssen wir eingreifen. Dann dezimieren wir diese Tierart, soweit runter, bis es wieder passt. So zuletzt geschehen vor zwei Jahren als die Population der Pumas im Park überhand nahm. Wir Werwölfe sind sozusagen wie Wildhüter und sorgen für einen gerechten ausgleich, damit unser Naturschutzgebiet erblühen kann und so vielfältig bleibt, wie es sein sollte.

Der zweite Grund ist traditionellem Ursprung. Einmal im Jahr erlegen wir noch gemeinsam im Rudel einen großen Grizzly. Immer zum sogenannten ›Luna Mond‹. Das ist unser heiligstes Fest in der Gemeinschaft, den wir weltweit am ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende feiern. An diesem Tag danken wir der Mondgöttin für das vergangene Jahr und begrüßen unseren neuen Rudelmitgliedern. Wenn der amtierende oder zukünftiger Alpha innerhalb dieses Jahres seine Luna gefunden hat, so wird das Grizzly-Fell zu einem edlen Mantel verarbeitet und der Luna später als Geschenk übergeben. Wie ich gehört hatte, war meine Mutter nicht so begeistert über dieses Geschenk. Sie hat den Mantel wohl in irgendeiner hinteren Ecke ihres Schrankes verstaut, wo sie ihn nicht ständig sehen muss. Ich habe den Mantel nie an ihr gesehen, nicht einmal im dicksten Winter auf den Bergen.

Aber es ist nun mal Tradition!

›Ich hoffe wirklich, das Amber mehr Verständnis für unsere Rituale übrig hat. Aber um dieses Problem muss ich mich später kümmern. Ich muss mich gerade auf das hier und jetzt konzentrieren.‹

Ich habe nämlich keine Ahnung, ob Dr. Wilson erkennt, das ich Elisabeth's Sohn bin. Sie hat mich nur als Kind in Werwolfgestalt gesehen, aber ich bin mir sicher, dass sie erkennt, dass ich ein Werwolf bin. Wir sind schließlich größer und stärker als normale Wölfe.

„Er ist mir im Wald einfach vor das Auto gerannt. Ich konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Ich glaube ich habe ihn am rechten Hinterlauf erwischt“, gibt Amber mit Tränen in den Augen zu.

›Oh nein, weint sie gerade, meinetwegen? Ich fühle mich irgendwie schlecht, sie kann ja nichts dafür und am liebsten würde ich mich gerade in einen Menschen zurückverwandeln und sie in die Arme nehmen. Aber ich glaube, das ist nicht der passende Moment und würde sie definitiv noch mehr verstören.‹

Dr. Wilson kommt auf mich zu und ich sehe wie sie nur mit Mühe ein Lachen zu unterdrücken versucht. Sie hat definitiv begriffen, was ich bin. Sie untersucht auch meinen Hinterlauf. Ihre Berührungen sind aber nicht so angenehm wie die von Amber.

„Kein Bruch, aber wir werden ihn Röntgen. Und mach dir bitte keine Vorwürfe, Kleines. Normalerweise kennen Wölfe die Gefahr, die von Straßen und Autos ausgehen recht gut und gehen dieser Gefahr aus dem Weg. Ich habe noch nie ›so EINEN‹ angefahrenen Wolf gehabt. Er muss von irgend etwas abgelenkt gewesen sein“, spricht Dr. Wilson zu Amber gewandt, wobei sie bei den Wörtern ›so EINEN‹, mir kurz zu zwinkert.

Meine Mate, ihr Welpe & ich ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt