1. Kapitel

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     Heiße Tränen liefen meine Wangen hinab, während meine Schritte in der kleinen Gasse widerhallten. Sperlich erleuchteten die Fenster die Gasse vor mir. Beinahe wäre ich über einen Gullideckel gestolpert, der ein lautes „Klong" von sich gab, dass in der ganzen Gasse widerhallte und mir einen Schauer über den Rücken jagte. Das Zittern meines Körpers ließ nicht nach, egal wie sehr ich versuchte zur Ruhe zu kommen. Das Kleid klebte vor lauter Dreck und Schweiß nur so an meinem Körper, was mir sagte, dass ich unbedingt eine Dusche brauchte, an eine Dusche war momentan aber nicht zu denken. Mein Oberschenkel tat weh. Dort, wo ich nach Wills Ansprache auf mein Bein gefallen war, mitten auf den harten Boden. Er brannte regelrecht
     Noch hatte ich nicht gewagt einen Blick unter den Stoff des langen Kleides zu werfen, doch ich ahnte, was man dort sah. Im Flugzeug hatte ich es an den Blicken der Passagiere gesehen. Sie alle hatten mich besorgt angesehen. Eine Dame hatte mich angesprochen, ob alles in Ordnung war. Ich hatte genickt, dann den Kopf geschüttelt. Mittlerweile wusste ich es nicht mehr. Vor einem Jahr hat Dardan eröffnet, dass er Mika mehr wollte als mich. Nun hatte Will mir eröffnet, dass er mich ebenfalls nicht heiraten wollte. Meine Mutter hatte das nur gedacht... sie hatte ihn gesendet, damit ich über Dardan hinwegkam, doch Will hatte nie etwas für mich empfunden...

     Das Schlimme war? Es tat nicht weh. Nicht die Erkenntnis, dass er mit mir gespielt hatte, sondern die Tatsache, dass niemand mich zu wollen schien. Dardan nicht, denn er hatte Mika. Nicht, dass ich darüber wütend war. Nicht mehr, nein. Die beiden waren das perfekte Paar. Es traf mich nur, dass es in meinem Leben keinen Mann zu geben schien, der mich mochte. Der mich wollte... Also flüchtete ich zu dem letzten Mann, der mich überhaupt ansah und mit mir sprach. Damir. Im ganzen letzten Jahr hatten wir viel Kontakt gehabt. Damir und ich waren Freunde geworden. Gute Freunde. Er war immer für mich dagewesen und im Mai, als ich für eine Woche hier gewesen war, hatten wir eine schöne Zeit gehabt. Mika und Dardan wohnten nun hier.
     Ihr Job bei der Agentur war nicht mehr wichtig, da sie auch hier eine schöne Eventagentur gefunden hatte. Cres war schon immer ihr Zuhause gewesen und würde es vermutlich auch immer sein. Früher hatte ich es nie verstanden... doch als ich mit Damir die Insel erkundet hatte, hatte sich meine Meinung geändert. Im Mai war es noch sehr frisch gewesen, weswegen wir nicht Bootgefahren waren, doch wir hatten mit seinem Motorrad die Insel erkundet und waren lange umhergefahren. Durch ihn hatte ich die Menschen hier kennengelernt und es war... wunderschön. Die Inselbewohner waren aufgeschlossen und freundlich. Nicht alle, doch die meisten. Obwohl ich wusste, dass ich immer zu ihm konnte, klopfte mein Herz nun wild. Ich... es war mitten in der Nacht und vermutlich schlief er schon und... Er wusste nicht, dass ich hier war.

     Niemand wusste es. Sie alle dachten ich hätte diese Feier mit Will und meinen Eltern, wo mein Vater ihn gefragt hatte, wann er denn nun vorhätte um meine Hand anzuhalten. Die größte Demütigung war wohl nicht von Dardan gekommen. Er hatte es noch nett umschrieben. Will auf der anderen Seite? Er hatte Dinge gesagt, die demütigend gewesen waren. Noch jetzt trieben mir seine Worte Tränen in die Augen. »Wie kann ich eine blonde Tussi, die nicht mal kochen kann und nur meine Aufmerksamkeit will, heiraten? Sie klebt an mir wie eine Klette und braucht so viel Aufmerksamkeit. Sie ist nichts als eine verwöhnte kleine Prinzessin, die ich einfach nicht lieben kann. Kein Mann kann das. Derjenige, der sie heiratet, muss nur auf Sex aus sein aber nicht mal der ist gut. Der ist schrecklich.« Das hatte er gesagt. Vielleicht hatte ich deswegen meine Haare knallrot gefärbt. Die Faber war gerade mal sechs Stunden alt.
     Schweiß bildete sich an meinen Handflächen, als ich vor dem vertrauten kleinen Haus stand, dass Damir von seiner Oma geerbt hatte. Mein tränenverschleierter Blick glitt zu dem alten Klingelschild. Der Name Matić war bereits dabei zu verblassen und nur noch leicht zu erkennen. Zitternd hob ich die Hand, dann drückte ich auf die Klingel. Das Herz schlug mir bis zum Hals als ich darauf wartete, dass Damir die Tür aufmachte. Lange rührte sich nichts, doch dann hörte ich ein leises Fluchen und Murren, ehe die Tür geöffnet wurde. Im schwachen Licht, das aus dem Flur kam, erkannte ich seine Gestalt, nur seine Augen nicht. Die Gasse war so dunkel, dass ich kaum etwas erkennen konnte.
    Er blinzelte. »Wer sind S-«, fing er an, doch stockte, als ich ein Schluchzen ausstieß und näher in den Lichtkegel trat, der aus dem Flur kam. Seine Augen weiteten sich und Sorge zeichnete seine Züge, ehe er mich in seine Arme schloss, ohne weitere Fragen zu stellen. Und so stand ich hier, auf seiner Türschwelle, in seinen starken Armen und weinte. Meine Tränen tropften auf seine nackte Brust, wie mir auffiel. Dieses kleine Detail brachte mich für einen Moment aus der Fassung, doch als seine Hand auf meinem Kopf landete und er sanft durch mein Haar strich, lösten sich alle Dämme in mir und das Wasser, dass ich dort den ganzen Flug über angestaut hatte und auch während der Fahrt mit dem Taxi, die mich eine Menge Geld gekostet hatte, lief in Form von Tränen aus mir heraus. Schluchzend krallte ich mich an ihn.
     Er summte ein kroatisches Schlaflied. Im Mai hatte er es gesummt, um sich manchmal selbst zu beruhigen. Ich mochte die sanfte und ruhige Melodie dahinter. Sie entspannte mich. So auch jetzt. Noch mehr entspannte mich aber seine Hand, die immer wieder über meinen Kopf strich. Er stellte keine Fragen. Noch nicht. Er hielt mich fest. Presste mich dichter an sich, als ich verzweifelt versuchte mich fester an ihm zu halten, um nicht zu zerbrechen. Diese Tränen galten nicht Will oder Dardan. Diese Tränen galten meiner Lage. Der Tatsache, dass kein Mann der Welt mich wollte. Schon in der Schule war ich das feine Mädchen gewesen, das alle gerne übersahen. Mika hatte immer gedacht, dass ich das so wollte. Dass ich mich „aufhob" für wen auch immer.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt