2. Kapitel

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    Röte schoss in meine Wange, während ich ihn ansah. Dieses Lodern in seinen Augen. Es war schon immer da gewesen, nur ich hatte es anders gedeutet. Mit Absicht. Weil ich nicht geglaubt hatte- nicht glauben konnte, dass er mich wollte. Es ergab einen Sinn. Hier im Dorf gab es ein paar junge Frauen, die ihn schon öfter nachgeblickt hatten. Er musste das wissen. Schließlich lebten in Cres nicht viele Leute. Und doch stand er hier vor, den Blick auf mich gerichtet und hatte mir gerade gestanden, dass er mit mir schlafen wollte. Sofort biss ich mir auf die Lippe. Damir wollte mich.
    Diese Erkenntnis verankerte sich tief in mir. Am liebsten wäre ich ihm und den Hals gesprungen und hätte mich von ihm gegen die Wand pressen lassen, so wie er es gesagt hatte. Doch er... er hatte ja recht. Leider. Ich wollte ihm nicht zustimmen, doch ich wusste, dass er recht hatte. Später würde ich mir noch schlechter fühlen. »Also umarmst du mich auch nicht?«, fragte ich leise und sah ihn aus gesenkten Augen an. Damir fuhr sich über die Haare und seufzte.

     »Verdammt sieh mich doch nicht so an... du weißt, dass ich dann schwach werde und alles für dich tun würde.« Innerlich grinste ich. »Ich weiß.« Sein Blick schoss zu mir und das Glühen darin war noch stärker. Damir hatte schon immer alles für mich getan. Ich hatte es nur sagen müssen. Dann hatte er alles für mich getan. »Ich will nur... können wir nicht ein paar Filme ansehen? Ich werde nicht schlafen können... warte vermutlich musst du morgen arbeiten und es ist ja schon spät. Du hast ja kein Wochenende mit dem Job bei der Bootsvermietung und... oh man vielleicht sollte ich doch ins Hotel oder«, stotterte ich. Mit zwei Schritten war er erneut bei mir und hielt mir schon wieder die Hand auf den Mund.
    Fast wünschte ich, dass er mich mit seinen Lippen zum Schweigen gebracht hätte. Aber nur fast. Diesen Wunsch hob ich mir für einen anderen Tag auf. »Phoenix ich würde dich nie, hörst du, niemals vor die Tür setzen. Egal ob ich schlafe oder gerade müde bin oder sonst was. Ich habe dir versprochen, dass du immer zu mir kannst und das kannst du auch. Wir können ruhig Filme ansehen, wenn du das möchtest. Klar muss ich morgen arbeiten, aber mal ehrlich? Die dunklen Augenringe werden unter der Sonnenbrille eh nicht auffallen. Das ist es mir wert.«
    Ein Teil in mir wollte ihn ins Bett schicken und ihm sagen, dass ich die Filme auch allein ansehen konnte, aber mit Damir Filme anzusehen war viel besser als alles andere. Ich liebte es, wenn er seine Kommentare dazu abgab oder wir manchmal den Ton ausstellten und den Text selbst sprachen, weil wir die Filme auswendig kannten. Es war viel zu schön in seiner Nähe zu sein. Viel zu schön wieder bei ihm zu sein, ohne meine Mutter in der Nähe ohne den Gedanken, dass ich Will heiraten musste. Es war... ich wusste nicht, wann ich begriffen hatte, dass ich ihn wollte. Ich wusste nicht mehr, wann ich verstanden hatte, dass kein anderer Mann je so sein könnte wie Damir.

    Vielleicht nach Dardan und Mika. Dardan sah Mika so an, wie Damir mich damals angesehen hatte und es heute noch tat. Lange Zeit hatte ich das ignoriert und versucht zu vergessen. Doch ich hatte es nie vergessen können. Hatte ihn nie vergessen können. Nicht ihn. Nicht Damir. Jeden anderen Mann konnte ich vergessen. Selbst die Demütigung von Dardan war unwichtig und Demütigung von Will gleich noch viel weniger wichtig. Denn hier, bei Damir, spielte das keine Rolle mehr. Es tat noch etwas weh, ja, aber ich wusste, dass es jemanden gab, der mich begehrte.
    »Aber wenn du müde bist, ist deine Stimmung vielleicht schlecht und dann-«, plapperte ich darauf los, doch er ließ mich einfach nicht weitersprechen. Diesmal sah er mich mit einem zornigen Blick an, der den Schwall an Worten zurückdrängte. Mit diesem Blick ließ er keinen Raum dafür. »Es ist mir egal. Du bist mir wichtiger als das. Dir geht es schlecht. Wir werden in dieser Nacht dafür sorgen, dass du dich nicht mehr so fühlst.« Ich schluckte und wollte sagen, dass ich das auch allein schaffen würde. So wie immer. Nachdem Dardan mich so gedemütigt hatte, war Mika verschwunden, Dad hatte gearbeitet und Mum? Ja, Mum hatte sich mit ihren Freundinnen getroffen um sich von dem allen abzulenken und war bereits auf erneute Männersuche gegangen.
    Und ich? Ich war allein im Zimmer gewesen und hatte geweint. Alle dachten immer, dass ich Mums Liebling war und dass sie immer alles für mich getan hätte... doch auch sie hatte mich allein gelassen. Ich hatte geweint und geweint und geweint, bis vermutlich kein Wasser mehr in meinen Augen übrig geblieben war. Es hatte keins mehr gegeben. Da war nichts mehr gewesen. Dann hatte ich mich um mich selbst gekümmert. Ich hatte mir ein heißes Bad gegönnt, mit einer Badbombe aus Erdbeere, die sehr viel Schaum erzeugt hatte und währenddessen hatte ich mir das Hörbuch von „Throne of Glass", dem dritten Band angehört. Wenn Mum das wüsste...

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt