12. Kapitel

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     Ein lauter Donnerschlag weckte mich, gefolgt von einem hellen Blitz. Erschrocken richtete ich mich auf und landete im nächsten Moment auf dem harten Boden. Heißer Schmerz schoss durch meinen Körper, doch klang nach und nach ab. Grummelnd sah ich mich um. Noch immer erhellten Kerzen das Wohnzimmer.
     Doch der Geruch von Mango wurde von etwas anderem überdeckt. Es roch nach... Pasta. Mein Magen gab ein lautes Grummeln von sich. Ein Protest. Er wollte etwas zu Essen. Schritte erklangen und ein besorgter Damir trat herein. »Bist du verletzt? Ist alles gut?«, fragte Damir und wirkte so verdammt besorgt.
     Noch etwas benommen nickte ich und richtete mich mithelfe des Tisches auf. Ein Lächeln legte sich zaghaft auf seine Lippen. Dann trat er zu mir. »Ich habe das Essen gemacht. Habe ich dich geweckt?« Schnell schüttelte ich den Kopf. Gerade wollte ich sagen, dass es der Donner gewesen war, da erklang erneut der Donner und zerriss die Stille. Heftig zuckte ich zusammen, als ich den Wind dazu rauschen hörte.
     Der Wind musste heftig sein. So heftig, dass Damir die Sorge in seinen Augen nicht verstecken konnte. »Ich muss gleich noch mal raus gehen und nach dem Boot sehen, okay?« Mit großen Augen sah ich ihn an. »Das wirst du nicht!« Doch da erkannte ich, dass seine Haarspitzen bereits feucht waren.

     Er war bereits einmal dort draußen gewesen. »Feniks. Ich kenne die Stürme hier. Ich weiß, wie sie ticken. Alles wird gut gehen. Du musst nur auf die Nudeln im Wasser aufpassen. Kannst du das für mich machen?« Der sanfte Ton in seiner Stimme hätte mich beruhigen sollen, doch das tat er nicht.
     »Nein. Du gehst da nicht raus. Lieber geht dein Boot kaputt, als das dir etwas passiert.« Er zuckte zusammen. Ich wusste, dass sein Boot alles für ihn war. Er hatte lange dafür gespart und liebte es von ganzem Herzen. Doch ich... ich konnte nicht zulassen, dass er dort rausging.
     »Ich weiß, wie wichtig dir das Boot ist aber... ich habe Angst um dich. Da draußen stürmt es und der Wind peitscht umher und wenn ich jetzt die Livecam vom Hauptplatz anmachen würde, würde sie mir sicher nicht mal ein Bild zeigen können, weil sie vermutlich kaputt ist. Bitte geh da nicht raus.«
    Damir schenkte mir ein Lächeln. »Süße... Der Sturm ist noch Garnichts im Vergleich zu dem, was wir schon hatten. Es ist noch relativ harmlos. Glaub mir. Ich schaff das schon. Jetzt ist eine gute Zeit.« Er küsste meinen Kopf und wandte sich tatsächlich zu gehen. Panik breitete sich in mir aus und ein Zittern erfasste meinen Körper.

     »Damir...«, krächzte ich, doch die Stimme versagte mir. Ich hatte einen fetten Kloß im Hals. Panik umfasste meine Kehle und drängte ihre dunklen Klauen in meinen Kopf, um mich Bilder sehen zu lassen, die es nicht gab.
     Ich sah Damir, der nicht gegen den Wind ankam und etwas auf den Kopf bekam. Ich sah Damir, der sich um sein Boot kümmerte und dann in den reißenden Fluten verschwand. All diese Bilder stiegen mir in den Kopf und benebelten meine Sinne.
     Damir drehte sich noch einmal zu mir und kam auf mich zu. Wärme lag in seinen blau-grünen Augen. Er wollte, dass ich mich beruhigte, doch ich konnte es einfach nicht. Es schien gar unmöglich.
     Er trat zu mir und strich sanft über meinen Rücken. »Alles wird gut. Versprochen. Vertrau mir. Ich kann auf mich aufpassen. Ehe du dich versiehst bin ich wieder da. Mach dir keine Sorgen.« Um seine Worte zu unterstreichen, drückte er mir einen Kuss auf die Stirn und ging dann hinaus.

     Mit klopfendem Herzen sah ich die Tür an, dann ging ich in die Küche. Dort passte ich auf die Nudeln auf. Tatsächlich konnte ich das Wasser abkippen, als sie fertig waren, ohne das die Wohnung abfackelte. Und ehe ich mich versah ging die Tür wieder auf und Damir kam erneut herein.
     Nass. Von oben bis unten. Erst jetzt fiel mir auf, dass er seinen Jumpsuit nicht trug, sondern eine Jeans und Shirt. Diese riss er sich vom Leib, trocknete sich ab und zog seinen Jumpsuit erneut an.
      Dann trat er zu mir. »Siehst du? Alles ist gut.« Die Panik flaute ab, wie ein Wirbelsturm, der aus dem Nichts kam und einfach so wieder ging. Damir war hier. Neben mir. Unversehrt. Ein Lächeln zupfte an seinen Lippen, als er sah, dass die Nudeln fertig waren. Er schien stolz darauf zu sein, dass ich nichts angebrannt hatte. Darauf war ich ja selbst stolz. Zumindest ein bisschen.
      Damir musterte mich von Kopf bis Fuß. Das Lächeln wurde breiter. »Du hast nichts angebrannt. Das ist doch ein Fortschritt.« In seinen Worten lag purer Stolz. Es war keine Ironie, mit der er sprach. Er war wirklich stolz auf mich.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt