5. Kapitel

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     Der nächste Tag war nicht besser. Damir und ich hatten gestern nicht mehr viel gesprochen und er war sehr früh zur Arbeit verschwunden. Das Frühstück schmeckte eher nach Asche und Staub und die Kälte im Haus war noch immer spürbar. Ich wusste nicht, wie ich die Dinge ändern sollte. So schnell konnte ich sie nicht ändern. Fast dachte ich daran einfach zu gehen und mir einem Platz im Hotel Kimen zu suchen.
     Einfach damit ich Damir nicht mehr auf die Nerven ging. Allerdings war mir klar, dass er das nicht wollte und es uns auch nicht helfen würde. Also musste ich mich so da durch kämpfen. Will hörte nicht auf mich anzurufen, doch ich ging nicht ans Handy. Sollte er mich doch anrufen. Meine Mutter schrieb mir, wie es mir im Spar ging und ob ich mich ja auch gut verwöhnen lassen würde.
     Ich hatte ihr noch ein altes Bild geschickt, dass sie nicht kannte und geschrieben, dass mein Rücken gerade die beste Massage seines Lebens bekam. Lügen, die mich nicht störten. Sollte sie doch glauben was sie wollte.
    Es gab wichtigeres. Wie konnte ich Damir davon überzeugen, dass ich nie wieder in alte Muster verfallen und ihn dann links liegen lassen würde? Wie konnte ich ihm klar machen, dass ich ihn für immer in meinem Leben wollte? Und nicht nur, weil er vermutlich dachte, dass ich ihn nur wollte, weil er meine einzige Chance auf Liebe war.

    Schon damals hatte mein Herz für ihn geschlagen, doch ich war zu schüchtern gewesen und hatte mich dann von meiner Mutter wegziehen lassen. Ich hatte nicht gekämpft. Er hatte für uns gekämpft, doch ich hatte es nicht. Jetzt war ich an der Reihe.
     Entschlossen räumte ich alles in die Spüle und wusch das Geschirr ab, ehe ich mich anzog und mir vornahm einen Job zu suchen. Das konnte mir helfen selbstbewusster und stärker zu werden. Zudem musste ich einfach etwas tun. Nur still herumsitzen konnte ich ja schlecht.
    Neue Motivation packte mich. Der Tag, der so komisch begonnen hatte, schien nun besser zu werden. Die Sonne schien, Möwen flogen umher, der Geruch von Meer lag in der Luft und in der Ferne konnte ich das Treiben der Touristen hören. Es war ein schöner Tag. Lächelnd lief ich durch die wirren Gassen bis hin zum Hauptplatz von Cres.
     Wenn ich einen Job finden wollte, dann vermutlich dort. Allerdings wollte ich nicht in einem Restaurant arbeiten. Es wurde also ziemlich schwer, denn die meisten Läden waren Restaurants und die anderen Verkaufsläden, die es gab, suchten keine Aushilfe. Nach ein paar Stunden in der Hitze schwand meine Motivation auch schon wieder.
     Kein Laden suchte noch Aushilfen. Natürlich. Die mussten sie ja bezahlen. Das Geld hatten sie momentan vermutlich nicht. Die Mieten hier waren höher geworden, wie Mika mir erzählt hatte und viele hatten das Personal reduziert, um sich das noch leisten zu können.

     Erschöpft ließ ich mich am Brunnen nieder, der aussah wie ein Seeigel. Ein paar Wasserspritzer trafen mich am Nacken und kühlten mich ab. Zwei Kinder saßen auf dem Rand und spielten mit einer streunenden Katze. Das Wasser, dass mich dabei traf, störte mich nicht.
     Es kühlte mich ab. Als die beiden aber immer unachtsamer wurden und immer mehr Wasser in meine Richtung spritze, sah ich zu ihnen. Sie kamen nicht aus den USA, aber sie kamen aus der EU. Dort lernte man sicher auch Englisch.
     »Hört auf damit«, sagte ich im strengen Tonfall. Die beiden zuckten zusammen und hörten dann sofort auf. Gut, dachte ich. Gut. Sie hatten aufgehört. Zufrieden damit lehnte ich mich erneut zurück und schloss die Augen. Meine Gedanken rasten. Ich wollte unbedingt einen Job finden.
     Damit ich etwas zu tun hatte und mich nicht ständig in diesen endlosen Gedanken verlor, die eine Endlosspirale bildeten, die in den Abgrund führte. Dann erinnerte ich mich daran, was Mika mir erzählt hatte. Auch in den verwinkelten Gassen gab es ein paar Geschäfte. Mit neuem Mut stand ich auf und lief den Weg entlang, den Mika mir beschrieben hatte. Beim Kirchturm unter dem Bogen durch, dann links.

     Und tatsächlich. In der größeren Gasse befanden sich einige Läden. Der erste Laden entsprach nicht meinem Geschmack. Zu viele Kräuter. Zu viel Tee. Der zweite Laden war schon besetzt mit genug Personal. Dann kam der dritte Laden. Eine alte Lady saß auf einem weißen Plastikstuhl davor und sah den Touristen zu, die an ihr vorbeiliefen.
     Keiner schien sich für ihren selbstgemachten Schmuck zu interessieren. Schmuck und Mode waren eher mein Ding, weswegen ich vor ihr stehen blieb. Neugierig musterte sie mich. In meinem Kopf suchte ich schnell dem Wort für „Guten Morgen".
    »Dobro jutor«, schoss es dann aus mir heraus. Die ältere Dame blinzelte etwas überrascht. Mein Kroatisch hörte sich sicher schlimm an. Sehr schlimm. Nach einer Sekunde lächelte die alte Dame dann aber und stand auf. Auf gebrochenem Englisch fragte sie: »Wie kann ich Ihnen helfen?«
     Mein Herz schlug wild in meiner Brust Ein Teil in mir schämte sich, dass mein Kroatisch so sehr schlecht war, dass sie hören konnte, woher ich kam. Auf der anderen Seite konnte sie aber auch einfach zu Englisch gegriffen haben, in der Hoffnung, dass ich diese Sprache sprach, weil viele sie sprachen.
     Da ich der Dame aber noch immer eine Antwort schuldete, musste ich wohl langsam zum Punkt kommen. »Ich suche einen Aushilfsjob«, war meine Antwort. Die Dame blinzelte, dann musterte sie mich von Kopf bis Fuß.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt