9. Kapitel

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     Nervös wartete ich darauf, dass Damir aus dem Zimmer kam. Er war dort schon seit einigen Minuten drin und kam einfach nicht heraus. Ungeduldig kaute ich auf meiner Lippe herum. Als ich den Lippenstift auf der Zunge schmeckte, kaute ich nicht mehr auf meiner Lippe herum. Komm endlich, dachte ich. Ich will dich sehen.
     Dann, endlich, ging die Tür mit einem leisen Quietschen auf und Damir trat in den Flur. Mein Blick saugte sich an seinem Kompass-Tattoo fest, dass auf seinem rechten Arm war. Von dort aus glitt mein Blick weiter über seine Brust, über seinen Bauch. Mit trockenem Mund verfolgte ich die feine Spur an Haaren, die im Saum seiner Badehose verschwand. Von selbst glitten meine Augen weiter runter. Wie immer steckten seine Füße in Flip-Flops. Eigentlich hasste ich es, Füße zu sehen.
     Das war einfach nicht mein Ding. Aber wenn Damir Flip-Flops trug? Gott bewahre, das war einfach nur heiß. Verdammt heiß. Dann sah ich an sein Handgelenk. Dort trug er wie immer sein Armband aus dunklen, kleinen Perlen. Ein Räuspern riss mich aus meinem Starren. Sofort schoss mein Blick nach oben zu seinen Augen.
     Dort blieben sie allerdings nicht lange, denn ich konnte es mir nicht nehmen seinen Piercing an der Augenbraue zu betrachten und die vielen Ohrringe und Piercings ins einem Ohr. Mein Mund wurde noch trockener. Es ist einfach unfair, dass er so gut aussieht. Unfair ist das.

     Mit einem Mal trat Damir einfach auf mich zu. Erst jetzt fiel mir auf, dass er um seinen Hals eine Hawaii-Kette trug. Ketten, wie viele künstliche Blumen angebracht waren. In seiner Hand hielt er die gleiche. Mein Herz pochte wild.
    In der einen Sekunde stand er noch vor mir, dann hinter mir. Wärme ging von seinem Körper aus. Dass ich sie spüren konnte, meinte wohl, dass er sehr nahe bei mir stand. Sein heißer Atem traf auf meinen Nacken und schickte eine Gänsehaut meinen Rücken hinauf, bis über meine Arme und ein Schauer erfasste mich.
    Kurz darauf hängte er mir die Kette um. Lächelnd betrachtete die rosaroten Blüten, die sich nun auf meinem Dekolleté säumten. Zart umfasste ich das Plastik mit meinen Fingern, dann drehte ich meinen Kopf zu Damir.
     Verhangene eisblaue Augen blickten mir hinter zwei Brillengläsern entgegen, seine Lippen waren einen Spalt geöffnet. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass seine Nase sehr nah an meinem Haar war. Vermutlich roch er das Granatapfel-Shampoo, dass ich immer benutzte.

     »Danke«, wisperte ich leise und sah ihn an. Er blinzelte, dann lächelte er leicht. »Nichts zu danken. Ich hatte die beiden noch da und dachte, dass wir sie zusammen tragen könnten, weil ich wollte, dass wir sie zusammentragen.« Seine Worte brachten mein Herz leicht aus dem Takt. Es schlug anders, als es sollte.
     Wilder. Viel zu schnell. Viel zu unruhig. Allein sein intensiver Blick sorgte dafür, dass mir schwummrig wurde. Dann noch dieses Grinsen. Damir war selbstbewusst. Viel selbstbewusster als ich. Nur selten war er nervös. Momentan war ich das Nervenbündel und er selbstsicher. Ruhig. Gelassen.
     »Ich mag die Idee«, gab ich Preis, denn das tat ich wirklich. Ich mochte die Idee. Sie bedeutete mir alles. Denn es zeigte, dass er mich in seiner Nähe haben wollte und den anderen zeigen wollte, dass wir auf eine Art zusammengehörten.
     Damirs Lippen verzogen sich zu noch einem größerem Strahlen, dann liefen wir beide hinaus. Die kühlere Abendluft war ein Segen für meine erhitze Haut. Allerdings war nicht allzu ein großer Unterschied. Es war 19:24 Uhr und noch immer herrschten 25 Grad. Zu viel, in meinen Augen. Doch es war eine Abkühlung im Vergleich zu den heutigen Temperaturen.

      Damir führte mich geschickt durch die Gassen von Cres und kurz darauf fanden wir uns am Hauptplatz wieder. Nicht wie gewohnt liefen wir nach rechts, dort wo das Leben herrschte, sondern nach links.
     Zum Yachthafen. Eigentlich hätte mir klar sein sollen, dass Vaughn seine Yacht dort hatte. Es hätte mir klar sein sollen und doch hatte ich es irgendwie nicht ganz mitbekommen. Je näher wir kamen, desto schneller schlug mein Herz. Zu meiner Überraschung stand er nicht im Yachthafen, sondern nur etwas weiter hinten im Hafen, dort, wo das Wasser tiefer war.
     Um aufs Boot zu kommen hatte er ein Brett ausgelegt. Mit einem Lächeln half mir Damir hinauf. Die Yacht war riesig. Nicht das, was ich erwartet hatte, aber riesig. Bei Vaughn hatte ich mir irgendwie eine noch größere Yacht vorgestellt. Doch seine war noch relativ handlich.
    Mit einem breiten Lächeln zog er Damir in eine Umarmung und klopfte ihm auf den Rücken, dann sah er zu mir. Seine blauen Augen, die wie immer im starken Kontrast zu seiner dunklen Haut standen, fanden meine und bohrten sich hinein.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt