24. Kapitel

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      Freitag. Eigentlich ein Tag, den man feiern sollte. Besonders, da ich Laura nun endlich gefragt hatte, was sie davon halten würde, mich fest anzustellen, sobald ich offiziell Bürgerin von Kroatien sein würde. Sie hatte mich umarmt und sich riesig gefreut. Wunderbar.
     Meine Freude sollte also überwiegen. Leider taten meine Unterleibschmerzen das. Die Kälte aus der Klimaanlage war heute eher ein Fluch, als ein Segen. Denn irgendwie sorgte sie nur dafür, dass die Schmerzen schlimmer wurden.
      Immer mal wieder ging ich freiwillig hinaus, um die Wärme der Sonne in mich aufzusaugen, doch schon nach kurzer Zeit war es viel zu heiß und ich musste mich wieder ins kühle Ladeninnere zurückziehen. Nur um kurz darauf wieder starke Schmerzen zu haben. Eine Tablette hatte ich bereits genommen, doch ihre Wirkung zeigte sich nur langsam.
     Zudem kam, dass ich einfach lustlos war. Am liebsten wollte ich ins Bett und schlafen. Oder fernsehen. Oder lesen. Hier im Laden zu stehen, während all diese Leute kamen, kam mir in diesem Moment nicht wie die beste Beschäftigung vor. Überhaupt nicht. Besonders, da Laura auch mir ab und an den Verkauf überließ.
     Meine Unterleibschmerzen waren so stark, dass ich sogar das Gefühl hatte, mir würden sie die Beine ausreißen. Meine Schenkel taten weh, so wie mein Unterleib. Jemand schien die ganze Zeit mit einem Messer hin und her zufahren, ohne Rücksicht auf Verluste. Der erste und der zweite Tag waren bei mir die schlimmsten.

     Jede Stunde musste ich aufs Klo, um die Binde zu wechseln. Schlimm. Einfach schlimm. Immer wieder hatte ich Angst, dass Blut auslaufen könnte. Niemand schien meine Beschwerden zu merken, da ich ein Lächeln aufsetzte. Nur Laura wusste, warum ich immer wieder aufs Klo verschwand.
     Es war ihr nicht wirklich fremd. Sie schien zu verstehen, warum ich es tat. Warum ich ständig aufs Klo verschwand. Das war für niemanden fremd. Schon gar nicht für sie. Trotzdem fühlte ich mich schlecht, sie jede Stunde kurz allein zu lassen. Seufzend nahm ich einen Schluck Wasser, als gerade niemand kam.
     Das war bereits meine zweite 0,5 Liter Flasche. Zusätzlich zu meinen Tagen fühlte ich mich aufgebläht und schwer. Ich wusste, dass das normal war. Meine Wage hatte 3 Kilo mehr angezeigt. Auch das war normal. Das hatte ich nachgelesen. Wir trugen mehr Wasser in unserem Körper, das aber wieder verschwand, sobald unsere Tage vorbei waren. Trotzdem fühlte ich mich dadurch nicht weniger schwerer.
     Die kühle Luft der Klimaanlage blies in meinen Nacken und ließ mich frösteln. An anderen Tagen genoss ich diese Luft, heute wollte ich sie überhaupt nicht spüren. Wirklich nicht.

      Lieber würde ich in der Sonne braten... Nein, das stimmte nicht. In der Sonne war es viel zu heiß und die Luft bewegte sich nicht. Sie stand. Kein Wind wehte heran, um uns vor der Hitze der Sonne zu schützen.
     Im Gegenteil. Es war brütend heiß da draußen und hier drinnen war es eisig, in meinen Augen. Da es aber an meinen Tagen lag, wollte ich nichts zu Laura sagen, da ich die Temperatur ja sonst angenehm gefunden hatte.
      Langsam füllte sich auch der Innenraum mit Menschen wieder und ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Lächeln und beraten stand nun an der Tagesordnung. Da gab es keine Zeit auch nur daran zu denken, sich zu setzen und über Schmerzen nachzudenken, auch wenn ich das in dem Moment gerne getan hätte.
     Die Arbeit half zumindest mich abzulenken. Der Mittag kam allerdings schneller als erwartet und ehe ich mich versah schickte Laura mich nach Hause. Seufzend folgte ich ihrem Befehl und verließ den Laden.
     Eine Wand aus Hitze schlug mir entgegen und sorgte dafür, dass ich sofort wieder in den kleinen Laden wollte. Damir jedoch, der an der anderen Hauswand gegenüberlehnte und auf mich zu warten schien, änderte meine Meinung.
     Lächelnd lehnte er an der Hauswand, die Hände in die Hosentasche seiner kurzen Hose geschoben. Lässig lehnte er dort, mit diesem schiefen Lächeln auf den Lippen. Dann stieß er sich ab und kam langsam auf mich zu. Ehe ich mich versah lagen seine Hände an meinen Wangen und sein Mund senkte sich federleicht auf meinen.

     Der Kuss war kurz und unschuldig. Viel zu kurz. Ich wollte mehr. Brauchte mehr. Allerdings war Damir nicht bereit mir jetzt mehr zu geben, denn er löste sich von mir und sah mich an. »Hast du starke Schmerzen?«, fragte er mich und beobachtete mich mit leichter Sorge im Blick.
     Ich zuckte mit den Schultern. »Es geht schon. Ich bin das gewohnt.« Damir verzog den Mund, eindeutig nicht zufrieden mit der Antwort. Jedoch stimmte es. Ich war es gewohnt und würde es auch immer gewohnt sein. Daran gab es nichts zu rütteln.
     »Sieh mich nicht so an, Damir. Ja, es tut weh, aber es geht schon. Wirklich«, hauchte ich und strich über seine Wange. Nicht sehr überzeugt sah er mich an, nickte dann aber, als er den Ernst in meinen Augen erkannte. Er gab sich geschlagen. Zumindest fürs Erste. Das war gut. Lächelnd hackte ich mich bei ihm unter.
     »Holst du mich deswegen ab?«
     Damir schüttelte den Kopf. »Nicht nur. Ich wollte dich so oder so mal abholen.« Lächelnd nickte ich und küsste seine Wange, was auch ihn endlich lächeln ließ. Gut, dachte ich. »Können wir heute einfach nur Eis essen und Filme anschauen?«, fragte ich. Damir lachte und küsste meinen Kopf.
     »Natürlich. Später möchte Julio allerdings noch mit dir reden. Er vermisst dich sehr.« Bei der Erwähnung von ihm waren die Schmerzen fast vergessen. Jedenfalls verzogen sich meine Lippen zu einem breiten Lächeln. Julio hatte sich einfach einen Platz in meinem Herzen erschlichen und war verdammt süß.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt